Die Grenzbeamten empfangen uns mit ernster Miene und der junge Offizier, der uns als erstes kontrollieren muss, fragt: "Visa?", "No have! Visa on Arrival". Und jetzt wird es kompliziert, er versteht das nicht. Wie kann man in sein Land einreisen, ohne ein Visum im Pass zu haben? Eben, wir bekommen das Visum im Grenzposten. So hoffen wir. In der Eingangshalle sehen wir einen Schalter, wo wir unser Visum bekommen müssten. Tatsächlich hat unsere Reisegentur alle Dokumente eingereicht und der zuständige Offizier schickt uns mit einem Beleg an die Kasse nebenan. Es ist ihm aber ein Fehler unterlaufen, wir sollen insgesamt 4 Mal 55 USD für das Visum bezahlen. Der Kassier, ganz formell, reagiert aufgebracht, als wir das nicht akzeptieren wollen. Man spricht hier kaum Englisch und so sind wir froh, als die Lautstärke der Konversation unseren Guide aufgeweckt hat. Der hat wohl am anderen Ende des Gebäudes auf uns gewartet, um es sich einfach zu machen. Dank dem Trubel kommt er dann aber doch zu Hilfe, klärt unser Problem und wir drücken die vielen Gebühren ab, die sie von uns für die Einreise, Fahrzeugdesinfektion, Versicherung, Treibstoffkompensation, etc. verlangen. Hier schon mausert sich der Grenzübertritt zu einem der teuersten bisher. Und zu einem der kompliziertesten...
Die Fahrzeugkontrolle danach ist ziemlich gründlich, erstmals fragt einer der Beamten, was denn in den Alukisten auf dem Dach sei. Er will es sehen, bemüht sich dann aber doch immerhin selbst da rauf, um reinzuschauen. Auch das ist Premiere!
Die Grenzbeamten sind Weltbeflissen und kennen die Schweiz sehr gut. Grasshoppers, Banken und Alpengold (Hmm, kommt diese Schokolade nicht aus Deutschland?). Was wissen wir über ihr Land? Einer der totalitärsten Staaten im Osten, 95% des Landes sind Wüste und darunter sollen sich die weltweit viertgrössten Reserven an Erdöl und -gas verbergen. Wir wissen auch, dass es nur sehr wenige Touristen hierher zieht...
Die Grenze hinter uns, steuern wir Köneürgench im nordöstlichen Zipfel des Landes an. Wir brauchen Bargeld und etwas in den Magen. Hier sieht man vorerst mal noch gar nichts vom Reichtum aus dem reichlichen Vorkommen des schwarzen Goldes, die Häuser sind ärmlich und in einem schlechten Zustand, die Strassen übersät von Schlaglöchern und oft auch ohne Asphaltbelag. Geldwechsel läuft hier in den Gassen zwischen den unzähligen Marktständen ab. Wir mögen diesen Prozess nicht, er basiert auf Vertrauen. Und das baut man zu den mit Geldbündel bewaffneten und gelangweilten Typen nicht so ohne Weiteres auf. Hinzu kommt, dass wir über veraltete Wecheslkursangaben verfügen, was die Feilscherei verunmöglicht. Aber die Umrechnung von Usbekischen Som auf Turkmenische Manat findet man nicht in jedem Währungsrechner. Wir gehen von einer Wechselrate von beinahe 1:1 aus, er liegt aber bei rund 1000:1. Aber was bleibt einem da übrig, als zähneknirschend die Banknotenbündel zu übergeben? Ein Gutes hat es aber: Das Geld findet wieder im Portemonnaie Platz.
Turkmenistan ist unberechenbar, was die Einreiseformalitäten anbelangt. Es gibt nur kurze Transitvisa oder etwas längere Touristenvisa. Erstere gibt es aber scheinbar nur nach dem Zufallsprinzip und man kann Glück oder Pech haben, das wissen wir nun schon von vielen Reisenden, die wir getroffen haben. Auf's Glück alleine wollten wir uns nicht verlassen, hätte ein verweigertes Visum zur Folge, dass wir den Iran streichen müssten. So half uns eine Agentur, das Touristenvisum zu besorgen, was leider einen Guide bedingt, man dafür aber praktisch sicher über die Grenze kommt. Aziz, unser Guide, ist jung und hat Freude daran, uns sein Land näher zu bringen. Er steuert mit uns ein Restaurant an, das er kennt. Dank Stromausfall geht da drin kein Windchen und die Hitze ist drückend. Das Essen, eine gut gewürzte Suppe mit Brotmocken drin trägt zur Kühlung auch nichts bei, ist aber gut und stillt den Hunger.
Das Törebeg Hanym Mausoleum mit der doppelwandigen Kuppel...
... welche trotz der vielen Erdbeben innen noch gut intakt ist. 365 Segmente in der Kuppel,
24 Spitzbögen und 12 grosse Bögen darunter
bilden Elemente der Zeitrechnung ab:
365 Tage, 24 Stunden pro Tag, 12 Monate...
Beim Verlassen der Stadt fahren wir an einem halb eingestürzten Mausoleum und einem der höchsten Ziegelsteinminarette, dem höchsten historischen Bauwerk von Zentralasien vorbei. Das Törebeg Hanym Mausoleum hat eine doppelstöckige Kuppel, um durch den Hohlraum dazwischen das Innere des Gebäudes kühl zu halten. Sie bildet zudem die Kalenderheinheiten ab: In der Kuppel sind 365 Segmente für die Tage, 24 Spitzbogen (12 davon Fenster) für 24 Stunden und 12 grosse Bögen für die 12 Monate zu erkennen. Die vier Fenster darunter stehen für die vier Jahreszeiten. Das Gutlug Timur Minarett und die umliegenden Ruinen sind noch wenig erforscht und so sieht alles noch ziemlich geheimnisvoll aus.
Gleich daneben, das Gutlug Timur Minarett, das höchste historische Bauwerk
in Zentralasien und die blaue Moschee dahinter
Und dann beginnt das Martyrium. Wir haben schon 200 km von Usbekistan hinter uns und uns stehen nochmals soviele Kilometer bevor, um den Gaskrater zu erreichen. Es ist gegen 15:00 Uhr und die Sonne geht um 19:00 Uhr unter. Man würde erwarten, dass das gut reicht, aber die Strassen sind mieserabel. Es ist überwiegend aufgebrochener Asphalt mit vielen Schlaglöchern, die so richtig ins Fahrwerk hämmern. Unterschwellig macht sich ein Zeitdruck spürbar und das ist Gift für die Ruhe, die man eigentlich für so eine Strecke haben müsste. Der Guide hat uns gesagt, dass wir am Schluss noch rund 30km von der Strasse weg in den Sand fahren müssen und das wollen wir auf keinen Fall bei Dunkelheit machen.
Hier noch guter Dinge werden die Strassen nur noch schlechter. Die rund 600km lange
nördliche Ost-West-Passage des Landes macht keinen Spass
Kurz vor dem Abzweiger in die Pampa stehen zwei unterbeschäftigte und unterbezahlte Polizisten, die von uns ein Taschengeld wollen. Mit einer lässigen Bewegung verweisen wir die Beamten an unseren Guide im Heck und lassen die drei ein bisschen parlieren. Sie sind ziemlich hartnäckig und lassen nicht so schnell locker. Aber schlussendlich sehen sie ein, dass bei uns nichts zu holen ist und lassen uns auch so ziehen. Der Guide erklärte den Beamten, dass wir schon sehr lange reisten und kein Geld mehr hätten...
Der Fairheit halber: Alle anderen Beamten zuvor, und auch hier gibt es viele davon, schenkten uns kaum Beachtung.
Radnaben verriegeln, 4x4 einlegen und los geht der Sandspass. Im Licht der untergehenden Sonne sind die Farben des Sandmeeres vor uns herrlich und wir geniessen die angenehm weiche Piste nach all den wirklich harten Schlägen der letzten Stunden. Aber schon nach 3km sind wir ungläubig am Ziel - war's das schon? Der Guide hat sich um Faktor 10 verschätzt und so war die Sorge umsonst. Einmal mehr: Glaube nie den Streckenangaben eines Guides.
Das Tor zur Hölle liegt vor uns...
Vor uns öffnet sich langsam ein riesiges, glimmendes Loch im Boden und wir rollen langsam an die Öffnung des Gaskraters heran. Mit einem Durchmesser von vielleicht 70 Meter und einer Tiefe von geschätzten 50 Meter ist der Einsturzkrater der ehemaligen Gasbohrstelle mächtig gross. 1971 stiess man bei Bohrungen auf eine mit Methangas gefüllte Kaverne, welche dabei kollabierte. Um das giftige Gas nicht entweichen zu lassen, zündete man es an. Faszinierend daran ist, dass der ganze Krater, sehr zur Überraschung der Geologen, bis heute ununterbrochen brennt und das gibt ein herrliches Festspiel für die Augen, besonders bei Nacht. Kein Wunder, trägt dieses Loch den Namen "Tor zur Hölle".
... und das Bild erklärt, warum es so heisst.
Wir schlagen in unmittelbarer Nähe dazu unsere Zelte auf und bei einem kleinen Lagerfeuer bereiten wir gegrilltes Poulet mit Plov (Reis mit Gemüse) zu und schliessen den Abend mit einer vom Guide gesponserten Flasche Wodka ab.
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