Iran
(01.-23.08.2013)

01.08.2013

Einreise

Quchan

Der Empfang beim ersten Grenzposten ist überaus freundlich und das nimmt uns etwas die Nervosität weg. Das sollte sich schon bald wieder ändern, als uns beim Transportation Office die Kompensation für den verbilligten Diesel ausgerechnet wird. Alles Diskutieren nützt nichts, ohne diese Zahlung kriegen wir den Wagen nicht rein. Erst richtig ärgerlich wird es, als der Offizier Euro von uns will und wir doch nur USD haben. Kein Problem, die hausinterne Bank könne uns das wechseln. Und falsch, sehr wohl ein Problem, die können es eben nicht. Dabei wäre es vermutlich nur ein Drop-Down Feld im Computer-programm gewesen, wo man USD hätte auswählen müssen. Aber nein, Euro müssen her. Nach etwas mehr als drei Stunden ist die Lösung gefunden und natürlich legen wir drauf - die Zeit drängt aber und der Feierabend naht, so nehmen wir das ziemlich genervt hin. Danach geht alles ruck-zuck und keine 15 Minuten später sind wir am letzten Grenz-Gate und geben die Abfertigungscheckliste ab. Wir können den Grenzposten verlassen und müssen nur einen Kilometer später erneut an einem Checkpoint anhalten, das ist aber Routine für uns. Schon komisch: Das Auto wurde an der Grenze nicht inspiziert, das haben wir uns doch anders vorgestellt. Dabei haben wir doch extra alles Bier und alle Schweinefleischprodukte entsorgt...

Es geht los: 50 in persisch - die "5" und "0" kann
man sich am einfachsten merken

Die Anspannung fällt so langsam ab und in Quchan ca. 60km von der Grenze erhoffen wir uns einen Nachtplatz, Geldwechsel, eine Tankstelle und ein gutes Nachtessen. Die erste Iranische Stadt kommt bald in Sicht und wir freuen uns über die Läden entlang der Strasse, die viel von dem bieten, was wir täglich benötigen. Und noch einiges mehr. Nur - wo sollen wir hier einen Nachtplatz finden?! Wir entdecken ein Hotel und starten den ersten Versuch. Prima, Hotel scheint offen zu sein nur verstehen wir wirklich kein Wort. Das mit dem Parkplatz für unseren Wagen ist der erste Stolperstein... schlussendlich nimmt uns einer der Iraner bei der Hand und sitzt auf den Beifahrersitz und bringt uns woanders hin. Seine Idee ist sehr gut: Das Rathaus hat ein hübsches Gate und sehr freundliche Wächter - nur dürfen da keine Frauen rein... dann stellen wir uns einfach davor auf die Strasse. Die sieht ruhig aus und gleich daneben ist einer dieser Parks, welche sich abends mit Leben füllen. Wir haben schon viel davon gehört und so wird es vielleicht nicht ruhig dafür aber sicher sein.

Kaum parkiert geht es los und viele Iraner kommen zu uns oder halten im Vorbeifahren an. Auch wenn wir kein Farsi und die meisten kaum Englisch sprechen, die Offenheit und Neugier ist überwältigend. Ein Vater kommt mit seiner Tochter daher, welche sehr gut Englisch spricht und lässt fragen, ob wir irgend welche Probleme hätten. Wir erklären den Anwesenden durch seine Tochter, dass wir nach über einem Jahr Reisen soeben im Iran angekommen sind und alles in Ordnung ist. Trotzdem will er von uns wissen, ob wir was brauchen und klar, Geldwechsel wäre unser wichtigstes Anliegen. Er bringt uns in seinem Auto zu einem Juwelier und der hat sogar ein Display mit Wechselkursen und eine Notenzählmaschine, so sind die 300 USD rasch gewechselt. Nur eben: 10 Rial entsprechen einem Toman und das ist etwas verwirrend. Der Kurs wird in Toman angegeben, ausbezahlt wird in Rial, alles 100'000er Noten.

Zurück beim Auto lehnen wir dankend weitere Hilfe ab und werden uns wieder dem Thema "Ta'arof" bewusst. Nicht jede Einladung oder jedes Angebot ist wirklich ernst gemeint sondern kann auch nur eine Floskel sein, der Höflichkeit wegen. Man muss erstmals ablehnen und das vielleicht mehrmals, um die Ernsthaftigkeit zu testen. Einfach alles anzunehmen könnte die Betroffenen in Verlegenheit bringen...

Die Wachmannschaft des Ratshauses kommt immer wieder vorbei und sie wollen ernsthaft ihr von der Zentralküche der Stadt geliefertes Essen mit uns teilen. Nur eben dürfen keine Frauen rein, so bringen sie schlussendlich alles raus und wir essen einen leckeren Eintopf mit Allerlei, warmes Brot, Tee und Süssgebäck zur Nachspeise. Die Schweiz geniesst bei den Iranern offenbar ein sehr gutes Ansehen, so werden wir immer wieder darauf angesprochen.

Fine-Dining à la Iran - erstes Gastgeschenk der lokalen Polizei: Eintopf, warmes
Brot, Tee und lokales Süssgebäck, welches man nur während Ramadan bekommen kann

In der Zwischenzeit, es ist so gegen 21:00 Uhr, zirkuliert in der Strasse deutlich mehr Verkehr und überall halten die Autos am Strassenrand, Familien steigen mit dem vermutlich gesamten Hausrat aus und installieren sich rund um uns im Park oder am Strassenrand mit Picknick-Decken und Zelten. Es ist noch immer Ramadan: Die Sonne ist weg, jetzt darf gegessen werden. Wir schlendern durch den Park und beobachten das Treiben und stellen uns das in Zürich vor - kein schlechter Gedanke. Hier im Park gibt es viele Attraktivitäten für Kinder, überall Wasser und recht ansehnliche Toiletten. Der Clou ist aber eine Monorail-Bahn, die ähnlich wie Pedalos mit einer Tretmechanik ausgerüstet ist.

Nach dem Ärger an der Grenze ist dieser erste Abend eine Wohltat und entspricht all den Erzählungen vieler Reisenden, die uns dieses Land beschrieben haben. Wir sind gespannt, wie es weiter geht.

02.-04.08.2013

Mashhad

Haram Shrine

Es ist noch ruhig in der Strasse, als wir aus dem Wagen klettern und wir staunen nicht schlecht, was für eine Menge Zelte um uns herum aufgestellt worden sind. Überall campen die Einheimischen im Park, davor oder auch auf Gehsteigen. Langsam kommt auch Leben in diese Zelte und die Leute gehen mit dem Abwasch zum Brunnen, bevor sie erneut die Decken ausbreiten und weiter dösen oder (sofern nicht am Fasten) Tee aufgiessen und frühstücken. Hier braucht man sich bezüglich Sicherheit also keine Gedanken zu machen, wenn die halbe Stadt um uns herum im Zelt nächtigt.

Zelte auf dem Gehsteig eines Grünstreifens zwischen Haupt- und Nebenstrasse, wo wir stehen.
Überall sind die Faltzelte aufgeploppt über Nacht

Die Fahrt nach Mashhad ist kurzweilig, da viel auf der Autobahn los ist. Wir begegnen auch Radarkontrollen, sind aber dank der Gemütlichkeit, mit der wir unterwegs sind, nicht im Beuteschema. Der Verkehr ist wieder eine Umstellung, fahren die Iraner doch ziemlich zügig und mit spontanen Manövern durch die Gegend. Je mehr wir ins Zentrum der Stadt fahren, desto mehr wird gedrängelt. Aber jeder fürchtet um seinen Lack um uns herum, so haben wir angenehme Platzverhältnisse - einmal mehr bewährt sich der massige Bullbar als Präventivmassnahme. Es wird kaum gehupt, auch wenn wir mal wieder beim Rechtsabbiegen auf eine grüne Ampel warten. Das macht man hier nicht. Auch ein noch so hartes Studium der Regeln im Kreisverkehr lässt nur einen Schluss zu: Es kann jeder machen, wie er's will. Oft schauen uns die Fahrer anderer Autos entgeistert an, dann winken, hupen oder blinken sie und verschwinden wieder im Getümmel. Neugier und Freude an den Besuchern werden wir sehr oft unterwegs begegnen.

Wir suchen die ganze Stadt nach einem passenden Platz ab und enden am Schluss in einem Hotel mit Parkplatz direkt davor, wir ziehen aber ein ruhiges Bett dem Auto vor. Es gibt wieder einiges zu erledigen und eine ruhige Nische ist hier nicht zu finden. Dafür sind wir in Gehdistanz zur Hauptattraktion, dem Haram Shrine. Kaum eingecheckt rufen wir eine Familie an, welche wir auf Umwegen aus Zürich kennen. Wir sollen uns bei Ankunft melden und schon eine halbe Stunde nach dem Anruf werden wir von Mahsa beim Hotel abgeholt und quer durch die Stadt geführt, ein paar hübsche Orte besichtigen. Mit dem Nachtessen wollen wir bis acht Uhr warten, da dann der Imam bei Dämmerung die Gläubigen vom Fasten des Tages erlöst und sie seit 04:00 Uhr am Morgen endlich wieder essen und trinken dürfen. In einer frisch eröffneten Mall kaufen wir mit ihr noch das passende Outfit für Fabia, d.h. einen Manteau mit passendem Kopftuch. Doch eigentlich gibt es dort primär Party-Outfits, trendige Kleider, Schuhe... und wir fragen Mahsa, wann denn die Frauen hier solche Dinge tragen dürfen. Iraner haben zwei Leben - eines davon ist hinter geschlossenen Pforten und da geben sich die jungen Menschen locker wie im Westen, mit engen, kurzen, aufreizenden Klamotten - und Alkohol... gegen Bezahlung drücken die Behörden da mal ein Auge zu. Es geht gegen Essenszeit zu und wir fahren ins Hotel Homa, wo es ein trendiges Lokal mit richtigem Kebab gibt. Man isst den hier mit gegrillten Tomaten, Basilikum, Joghurt und frischem Fladenbrot.

Best Kebab in Town! Mahsa zeigt uns ihre Heimat und führt uns zu einem
sehr guten Nachtessen aus - Kebab hat hier einen anderen Stellenwert
und ist nicht vergleichbar mit was wir in der Schweiz als Kebab kennen

Auf dem Weg ins Hotel werden wir noch kurz bei Mahsas Familie eingeführt, wo wir die nächste Nacht verbringen werden. Danach stecken wir noch einige Zeit im Nachtverkehr fest, der im Zentrum der Stadt ein Vorwärtskommen schier unmöglich macht - wo waren all die Fahrzeuge am Nachmittag?! Da war nix los...

Unsere Präsenz löst im Hotel ungewohnte Reaktionen aus: Wir sind die einzigen westlichen Touristen hier und fallen wieder auf wie bunte Hunde. Ein Saudi fragt uns erstmals verständnislos, was wir denn in Mashhad wollen, wenn wir keine Pilger seien. An der Rezeption fragt uns ein Baluche (Iraner mit pakistanischen Wurzeln), ob wir für's Rote Kreuz hier seien. Wir sind Touristen und besuchen die zweitgrösste Metropole Irans, na und? Wir müssen sehr vorsichtig sein mit dem Wort "Tourist", denn die meisten verstehen "Terrorist" und das irritiert sie selbstverständlich... so auch der letzte Grenzbeamte, der sogleich die Stirne runzelte. Auch das Daumen-Hoch Handzeichen ist ein Ärgernis: Hier bedeutet es das Gegenteil, den Stinkefinger! Es setzt sich hier zwar langsam als "OK" Zeichen durch, trotzdem kann es übel beleidigend sein. Somit fehlt uns eines der wichtigsten Kommunikationssignale aus dem internationalen Handzeichenvokabular.

Am nächsten Morgen ist die Besichtigung des Harams angesagt. Es ist das Grab des Imams Reza, welcher im Jahre 818 ermordet wurde. Die Pilgerstätte ist inzwischen zu einem der wichtigsten Pilgerstätten avanciert und wird dementsprechend ausgebaut. Vor ein paar Jahren wurde rund um die historischen Bauten ein grösszügiger Kreis von mehreren hundert Metern geräumt und eingeebnet, um jetzt darauf diesen durch Erweiterungsbauten noch mächtiger zu machen. Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass als Nicht-Muslime es als eine Ehre betrachtet werden muss, in dieses religiöse Zentrum zu gelangen - das geht aber auch nicht so ohne Weiteres. Die Frau muss den Chador tragen (schwarzer Umhang mit Kopfabdeckung) und es gibt rigorose Eingangschecks. No camera!

Wer sagt denn, dass es nicht modisch geht? Chador mit Oakley und Reebok!
Diese Kleidung ist aber nur für die Besichtigung des Haram Shrines erforderlich,
ansonsten reicht Manteau und Kopftuch im Iran

Der riesige Haram Shrine macht schon von aussen Eindruck, dabei ist das nur der neue Teil.
Dahinter sieht man die Kuppel des historischen Teils, das religiöse Herz des Iran!

Auch drinnen kann man nicht alles besichtigen, es gibt viele den Muslimen vorbehaltene Zonen. Kaum durch die Kontrollen werden wir durch Mitarbeiter des "Foreign Pilgrims Assistance Office" abgefangen und wir werden in ein Empfangsgebäude gebracht, wo uns Literatur zum Haram überreicht wird. Wir haben ein Gespräch mit einem deutschsprachigen Mitarbeiter, welcher uns freundlich und angnehm willkommen heisst und uns nachher mit einem Guide losziehen lässt. Dieser ist weder missionierend noch unangenehm, sondern führt uns mit vielen Erklärungen durch die vielen Courtyards und durch das Museum. Der etwas zu ausführliche Fragebogen zur Verbesserung der Dienstleistung lassen wir schlussendlich über uns ergehen, obschon der Service doch keinen Grund zur Unzufriedenheit bietet. Der Haram selbst ist sehr eindrücklich und die goldene Kuppel des Grabs des Imam Reza (für Nicht-Muslime nicht zugänglich) glänzt herrlich in der Sonne. Allerdings verwässern die Erweiterungsbauten den Eindruck der eindrücklichen historischen Anlage einwenig und wir denken, dass weniger davon etwas mehr gewesen wäre. Übrigens ist fotografieren mit Handy doch erlaubt, jedoch nicht mit Fotokamera - das macht doch kaum mehr einen Unterschied heutzutage...

Die goldene Kuppel ist der Schrein des Imam Reza. Dafür pilgern jedes Jahr
rund 20 Millionen gläubige Muslime hierher - es ist der heiligste Ort im Iran!

Hier im Kausar Courtyard wird gebetet, nachdem man sich am grossen Brunnen in der Mitte
des Platzes nach dem üblichen Zeremoniel gewaschen hat

Eine grosse Moschee innerhalb des Schreins und davor, mit goldener Kuppel,
eine Miniature-Ausführung des "Dome of the Rock" in Jerusalem

Hunger knurrt, doch wo kriegt man während des Ramadans etwas vernünftiges zu essen? Nirgends! ALLE Restaurants sind geschlossen - klar, es gibt ja in diesem Monat auch keine Kundschaft. Fast keine...
Wir verfolgen eine heisse Spur zurück zur Quelle: Einige Iraner gehen mit einem Stapel frischer Brote durch die Strasse und kommen aus derselben Richtung. Da müssen wir hin! Die Bäckerei ist unsere Erlösung und das Brot knusprig und mit wunderbarem Geschmack. Nun sind wir auch wieder bereit, mit dem Auto zu Mahsas Familie zu fahren, um dort mitten in ein grosses Familienfest einzutauchen!

Retter in der Not: Wir werden diese Bäckereien lieben lernen! Das Brot ist direkt
aus dem Ofen fantastisch knusprig - und fast das einzig Essbare tagsüber.
Im Ramadan sind alle Restaurants, Frittenbuden oder ähnliches bis 20:00 Uhr zu.

Wie es der Zufall will, ist in der Nacht einer der Brüder aus der Schweiz angereist und wir werden mit einem "Grüezi" begrüsst. Und dann geht die Post ab und das riesige Wohnzimmer füllt sich mit Onkeln, Tanten, Cousinen und Cousins - wir verlieren den Überblick schon bald und staunen, woher sie alle ankommen. Es müssen zwischen 30 und 40 Personen sein! Für die ältesten der Familie ist der Tisch reserviert, alle anderen sitzen am Boden, rund um einen langen Teppich. Ein köstliches Essen, viele spannende und aufschlussreiche Gespräche, eine unglaublich freundliche Aufnahme von völlig fremden Ausländern - wir sind sehr beeindruckt und dankbar für die Ehre, die uns so erwiesen wird.

Das Familientreffen war sehr eindrücklich, aus Respekt wollen wir davon
aber keine Bilder ins Internet stellen.

Die Iranische Regierung motiviert immer mehr Frauen zur Arbeit, da der überwiegende Anteil von Uniabsolventen eben weiblich sind und sonst die Ressourcen total verschwendet würden. Die anfänglich drei, nun sechs und bald neun Monaten Mutterschaftsurlaub sind ein Weg, das zum Ausdruck zu bringen. Damit müssen sie aber auch die Geburtenkontrolle regeln, eine massive Überalterung wird sonst zu einem Problem. Kommt es übrigens zu einer Scheidung, muss das Kind bis es 7 Jahre alt ist bei der Mutter, danach bis es 9 Jahre alt ist beim Vater leben, bevor es selbst entscheiden kann, wo es schlussendlich leben will. Uneheliche Kinder bekommen offenbar keinen Namen. Kleines Detail so nebenbei: 30% der Ehen werden bereits im ersten Jahr wieder geschieden - nach einer Ehe haben die Frauen mehr Freiheiten, darum nehmen sie das mit dem einen Jahr teilweise bewusst in Kauf...

Üblicherweise wird 6 Tage die Woche morgens bis am frühen Nachmittag gearbeitet. Man kennt hier ebenfalls die 42 Stunden Woche. Pensioniert wird man hier nicht mit einem bestimmten Alter sondern je nach Stress-Level des Berufs: Bankangestellte müssen insgesamt nur 20 Jahre arbeiten, Lehrer hingegen 25 Jahre... danach erfolgt Rente in Höhe des letzten Salärs. Das gilt wohl aber nur für amtliche Stellen - die einfachen Handwerker und Farmer werden wohl ein anderes Soll erfüllen...

Geschafft von den vielen Fragen und Eindrücken fallen wir spätabends ins Bett. Solche Feste gibt es fast jedes Wochenende. Das ist es, was man an einem Wochenend-Abend macht. Es gibt nicht viel Anderes, wie zum Beispiel Theater oder Konzerte oder einfach nur mit Freunden in ein Teehaus gehen.

Heute am 3. August ist übrigens der Tag, an dem der neue Präsident das Ruder offiziell übernimmt. Mahmoud Ahmadinejad übergibt nach 8 Jahren Amtszeit seinem Nachfolger, einem offenbar ziemlich reformorientierten Dr. Rohani die Macht - Ayatollah Khomeini, der geistliche Führer, bleibt aber derselbe und so ist im Gottestaat wohl kein grundsätzlicher Wandel zu erwarten. Da sind sich alle Iraner einig, die sich zu diesem Thema äussern wollen. Ein nach wie vor gültiges Embargo der EU und USA gegen den Iran wird den entsprechenden Beitrag leisten, dass auch wirtschaftlich kaum eine grosse Veränderung zu erhoffen ist. Auch wenn es oberflächlich betrachtet den Iranern besser geht als Bürgern in vielen anderen Ländern, für den Staat mit den offenbar weltweit zweitgrössten Öl- und Gasreserven ist trotzdem ein wirtschaftlicher Abstieg zu erwarten. Es fehlt das Geld, Infrastruktur zu warten oder zu erneuern und so müssen sogar raffinerierte Öl-Produkte (Benzin/Diesel) importiert und subventioniert werden, damit sie für die Bürger des Landes finanzierbar sind.
Autos wurden früher importiert oder in Lizenz gefertigt, heute wird praktisch alles selbst hergestellt (vermutlich ohne Lizenzgebühren) - dementsprechend eintönig ist das Strassenbild. Peugeot oder Renault dominieren, dann kommen ein paar kuriose Eigenmarken und der blaue Lastesel ZAMYAD, der für alles hinhalten muss. Die Farben sind einheitlich weiss, grau oder eben blau (aber oft gesprenkelt), was die Herstellkosten senkt. Man kauft, was die Herstellpalette anbietet und nicht nach Wunschkatalog.

Der ZAMYAD, der immer blaue Alleskönner aus Iranischer Produktion. Als Pick-up,
Kastenwagen, Pritschenwagen, Abschleppwagen, Müllwagen..., Familienwagen - es
gibt ihn in den verschiedensten Aufmachungen und überall.

Nach einem üppigen Frühstück (wie machen sie das bloss? Sie dürfen zwischen Morgen- und Abenddämmerung nichts essen und bewirten uns in aller Selbstverständlichkeit ohne zu Naschen?!) versuchen wir noch zwei Pendenzen zu erledigen: SIM-Karte für's Handy und Versicherung für's Auto.
Beides regelt sich wie von selbst, nachdem wir bei der "Iran Insurance" vorfahren. Dort versichert man uns, dass es kein Problem sei, wir aber die Öffnungszeiten der Zentrale um nur ein paar Minuten verpasst haben und es morgen früh versuchen sollen.

Der Filialenleiter bietet uns alle Unterstützung an und will uns dort beim Lösen der Versicherung unterstützen. In derselben Strasse gibt es auch "Iran Cell", wo es eine Prepaid SIM Karte gegen Passkopie gibt. Wir verstehen zwar kein Wort, es klappt aber alles einwandfrei und so sind zwei der wichtigsten Dinge geregelt und wir müssen nur noch ein Kebab Restaurant fürs Nachtessen finden. Es sind kleine Dinge, die manchmal einfach umständlich und zeitintensiv zu regeln sind. Wir bleiben also noch eine Nacht länger.

 

05.08.2013

Ferdows

Der Filialleiter der Iran Insurance steht pünktlich um 10 in der Eingangshalle der Zentrale und hilft uns, den Prozess abzukürzen. Es dauert keine 30 Minuten und wir haben die obligatorische Versicherung
(1'000'000'000 Rial / 32'000 CHF und 2 Monate Deckung bei Personenschaden, 36'000'000 / 1000CHF bei Kollisionsschäden) und können endlich unbesorgt loscruisen.

Doch zuerst mal sehen, wie das nun mit Tanken läuft. Wir haben wohl rund 300 USD Dieselsteuer im Voraus bezahlen müssen, jedoch keine Tankkarte bekommen. Nur mit der Tankkarte kann man aber für 1500 Rial pro Liter (5 cents) subventionierten Diesel bekommen. Sonst bezahlt man versteuerte 3500 Rial (11 cents). Wie zu befürchten will der Tankwart nichts von der Vorsteuer wissen und den Tank mit dem teureren Diesel befüllen. Es geht ja nicht um viel aber ärgerlich ist der Zirkus schon.

Ohne Worte!

Bis nach Ferdows geht die Fahrt durch karge und trockene Steppenlandschaften, wir freuen uns aber jeden Kilometer über die herrlich ebenen Strassenbeläge, die uns schnell und bequem vorankommen lassen. Typisch in dieser Gegend sind die zahlreichen Lehmhäuser, welche oft auch schon übel zerfallen sind. Die Hitze nimmt erheblich zu und das Thermometer bewegt sich wohl zwischen 40 und 45 Grad im Schatten. Einzig aufregend sind die witzigen Polizeiwagen-Dummies, die am Strassenrand "parkiert" sind. Die Dummies sind zweidimensional, dreidimensional aus Kunststoff oder sie stellen ausrangierte Fahrzeuge entsprechend aufgemacht hin - sie verfehlen aber zumindestens beim ersten Mal die Wirkung nicht und führen zu einem kurzen Blick auf den Tacho. Es gibt auch vereinzelte Checkpoints, keiner der Polizisten zeigt aber Interesse daran, uns zu stoppen.

2D Polizeiwagen Dummie... die gibts auch in 3D-Format aus Kunststoff - sieht
von weitem tatsächlich ziemlich echt aus

Wir finden einen ruhigen Hotelparkplatz, wo uns der Mitarbeiter des Hotels, zugleich auch Lehrer in einer Englisch-Schule, gleich in sein Auto packt und in die Schule bringt. Dort werden wir durch die Klassen geführt und stehen für die Kinder Rede und Antwort. Danach bringt uns der 2 jährige Sohn am Steuer zurück ins Hotel - Daddy lässt ihn auf seinem Schoss den Motor starten, lenken und im Vorbeifahren mal hupen... das ist hier üblich, wenn auch nach unseren Massstäben nicht sehr vernünftig.

 

06.08.2013

Tabas

Khur

Garmeh

 

Um der Hitze des Tages auszuweichen starten wir früh - heute stehen ein paar hundert Kilometer in der zentralen Wüste Irans an. Hier grenzen die Kavir- und Lut-Wüste aneinander. Von der Steppe geht es in Sanddünen über, danach folgen topfebene Flächen, soweit das Auge reicht. Es sind grosse, ausgetrocknete Salzseen, die auch industriell abgebaut und genutzt werden. Schilder am Strassenrand warnen vor Schafen, Kühen und Kamelen. Die letzte Spezies mag man hier vereinzelt sehen, doch das Vieh ist wohl in der Zwischenzeit ausgestorben. Bei den lebensfeindlichen Umständen kein Wunder. Hier öffnen die Truckfahrer sogar die Motorhauben ihrer Laster um die Motoren zu "kühlen", während sie Rast machen. Auch während der Fahrt öffnen sie alle möglichen Deckel, um mehr Luftzirkulation zu erzielen.
In der Lut-Wüste sollen die höchsten Bodentemperaturen gemessen werden, es können bis zu 70° Grad Celsius werden. Da wir uns den Hochsommer für diese Gegend ausgesucht haben, verzichten wir auf die Querung der Lut-Wüste, wir brauchen nicht die körperlichen und technischen Grenzen auszuloten. Temperaturen über 45 Grad machen keinen Spass mehr.

Vereinzelt trifft man Lehmhütten, die meist aber dem Zerfall preisgegeben sind

Das ist der Anfang der Wüste...

... und es wird immer flacher...

... und trockener - hier ein grosser Salzsee bei den aneinander grenzenden
Lut- und Kavir-Wüsten

Bei dieser Hitze werden sogar Trucks mit offener Haube stehen gelassen
um einen Hitzestau zu vermeiden...

Es gibt nur wenige Siedlungen unterwegs, eine davon ist Tabas. Eine hübsche, kleine Oase, wo wir Gemüse, Milchprodukte, frisches Brot und Honig finden - weiss der Teufel, woher die Bienen hier den Blütenstaub herkriegen. Auch hier, wohin man geht, "Hello", "How are you", "Welcome to Iran",... ein Mann kommt herbei geeilt, um ein Motorrad aus dem Weg zu stellen, sodass wir bequemer parkieren können, der Weg zu einem Restaurant (dem einzigen, geöffneten) wird uns erklärt: Soviel spontane Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft überrascht uns aufs Neue.

Khur, die letzte Siedlung vor unserem Tagesziel ist wie ausgestorben. Das trifft eigentlich für alle Dörfer unterwegs zu. Kein Mensch geht hier freiwillig auf die Gasse. Alle Läden sind bis am späten Nachmittag geschlossen, erst dann werden die Temperaturen wieder erträglich. Hinzu kommt noch, dass Ramadan ist und die Leute tagsüber erst recht keine Energie vergeuden wollen. Später erfahren wir, dass Khur seit zwei Tagen ohne Wasserversorgung ist. Keiner weiss offenbar warum, aber man nimmt es so hin.

Das kleine, leblose Khur bietet wie viele der Dörfer kleine
Sehenswürdigkeiten wie diese Moschee

Hinter einer Anhöhe finden wir einen grünen Fleck in der kargen Landschaft: Das ist Garmeh, die idyllische Oase. Wir finden auch das empfohlene Guesthouse, gleich neben einer verfallenden, rund 1300 Jahre alten Festung. Bis vor 30 Jahren wurde sie noch zu Einlagerung von Gerümpel genutzt, dann wurde es aber zu gefährlich in diesem Lehm-Ziegelstein-Gemäuer. Ändernde Wetterbedingungen beschleunigen den Zerfall dieses Zeitzeugen und leider wird nichts zur Erhaltung unternommen. Das Guesthouse Ateshooni ist hübsch erneuert worden und erlaubt eine Vorstellung davon, wie es hier in all den anderen Häusern aussehen mag. Sehr gemütlich und angenehm kühl ist es im Innern und wir flätzen uns in die Sitzkissen, erholen uns von der anstrengenden Fahrt. Ein kurzer Besuch der Quelle in einer Felsspalte zeigt uns das Herz und die Lunge der Oase und die kleinen Fische, die im Quellbecken leben, sorgen für ein Spa-Feeling. Sie kümmern sich freudig um abgestorbene Haut an den Füssen. Der perfekte Abend mit Kamelburger wird nur durch den Imam getrübt, der sich sehr viel Zeit für das Abendgebet nimmt - und danach die versammelte Dorfbevölkerung wohl die Interpretation bis weit nach Mitternacht lautstark diskutieren. Da wir direkt am Ort des Geschehens parkieren, ist vorerst mal kaum zu schlafen. Und um 04:30 Uhr ist der Imam schon wieder munter...

Und dann kommt Garmeh, eine winzig kleine Oase im Sandmeer...

... mit einem rund 1300 Jahre alten Gemäuer...

... welches leider dem Zerfall überlassen ist...

... und Kenner das eigentlich ganz gut einschätzen: "Real Persepolis"
Schade, dass soviel Geld in Persepolis reingebuttert wird und wunderschöne,
geschichtsträchtige Gemäuer wie dieses für zukünftige Generationen verloren gehen

Grün und fruchtbar (Datteln), ...

... Granatäpfel an den Bäumen,...

... Graslandschaft und Palmen - ...

... und das alles wegen einer kleinen, unscheinbaren Quelle im Fels.

Wohnraum im Guesthouse Ateshooni: Hier wird gut gekocht und
nach der Hitze ist dieser kühle Innenhof sehr wohltuend

 

07.08.2013

Yazd

Der besonders fleissige Imam predigt morgens um 04:30 Uhr bereits eine gute halbe Stunde und wir kommen nicht darum herum, ihm zuzuhören - der Lautsprecher ist ganz nah bei uns. Frühstück gibts nach einer "Katzenwäsche" an der Quelle und schon taucht man wieder in die heisse Wüstenlandschaft ein. Dass man hier als Radfahrer auch mit 8 Liter Wasser dehydriert enden kann, erstaunt nicht. Auf unserer Haut bildet sich rasch ein feiner, weisser Staub: Ausgeschiedene Salzkristalle, die ersetzt werden wollen.

Überall in der Wüste trifft man auf solche "Bunker". Ob die Schutz für
Reisende vor Sandstürmen oder der enormen Hitze sind? Wir wissen es nicht

Mal als Abwechslung eine Steppenlandschaft (man beginnt, sich
über kleine Veränderungen zu freuen)

Erstmals im Iran hält uns ein Polizist an und will unsere Dokumente prüfen. Pass, Versicherungskarte und Fahrausweis sind in Ordnung, wir selbst sind angeschnallt - es gibt nichts zu bemängeln, also fahren wir weiter.

In Yazd finden wir mitten im Kuchen einen öffentlichen Parkplatz vor einem Hotel und pilgern sogleich durch die Gassen. Alle Wände sind mit der Lehm-Stroh-Pampe eingekleistert, was gut isoliert.
Es ist kochend heiss und die Strassen sind menschenleer, keine Läden geöffnet. Wir besuchen die Jameh Moschee, nachdem wir uns lange durch die engen und unübersichtlichen Gassen gewunden haben. Länger als zwei Stunden ist das Sightseeing nicht zu schaffen und wir ziehen uns in den kühlen Innenhof des Hotels zurück, vor welchem wir parkieren.

Schattenspendende Gewölbe sind in Yazd leider eher selten und
die Sonne brennt uns erbarmungslos auf den Schädel

Die Jameh Moschee in Yazd - markant sind die rund 45 Meter hohen Minarette

Wow!

Die Yazd'er haben sich genau wegen den Temperaturen etwas spezielles einfallen lassen: Sie bauen Windtürme, sogenannte Badgirs, die über den Dächern aufragen und die kleinsten Brisen auffangen, um sie in die darunter liegenden Räumlichkeiten umzuleiten. Der Luftaustritt erfolgt über einem kühlen Wasserbecken, welches durch den Verdunstungsprozess den Luftstrom abkühlt. Clever, funktionell und kostet kein Geld. Und soll es doch noch kühler werden, so stellt man eine Kiste mit einem Ventilator auf, der Luft durch feine Strohmatten saugt, über welche Wasser tröpfelt, welches so wiederum verdunstet. Die Verdunstungsreaktion kühlt die Luft sehr effektiv. Dasselbe Prinzip (Dissipationsenergie) nutzen wir täglich, um unser Trinkwasser zu kühlen: Ein feuchtes Frottétuch um den Wasserbeutel wickeln und der Fahrtwind lässt die Flüssigkeit schnell verdunsten, was den Beutelinhalt anhaltend kühlt. So kriegt man selbst bei über 40 Grad im Auto Wassertemperaturen von 25-30 Grad hin. Sehr angenehm und erfrischend.

Badgirs (Windtürme) sollen auch nur die kleinsten Luftbewegungen über den Dächern
einfangen und in die darunter liegenden Räume umleiten. Clever und effektiv!

Wir sehen den englischen Tourbus, über welchen wir in Kirgistan schon geschrieben haben. Eine neue Crew ist an Bord und die Route führt diesmal nach Pakistan - wie der Touranbieter dieses Risiko eingehen kann verstehen wir nicht. Und die Touristen erst recht nicht, die das buchen. Worin besteht der Reiz, auf dem goldenen Präsentierteller angerichtet quer durch dieses Land zu reisen? Es gibt nichts Pressewirksameres als einen Touristenbus mit rund 30 Touristen, davon viele Frauen, zu kapern... und gerade haben die Taliban im Pakistanischen Gebirge willkürlich 10 Touristen hingerichtet, Gefängnisse in Afghanistan und Pakistan gestürmt und hunderte Gefangene freigekämpft.

Wer hat Lust, mit einer grossen Gruppe in diesen Laster gepfercht über Wochen
bis Monate im Eilzugstempo durch asiatische Länder gekarrt zu werden?
Ein englischer Touranbieter machts möglich... Bombenstimmung garantiert!

Wir müssen mal was anderes als Kebab essen und finden Indische Küche. Die Currys sind eine köstliche Abwechslung und der Innenhof des Restaurants ist sehr gemütlich und angenehm kühl.
Zum Nachtisch gönnen wir uns auf der Dachterasse "unseres Hotels" die letzten Folgen der Serie "24". Für alle die es kennen: Endlich ist es vorbei! Für alle die es nicht kennen: Gar nicht erst damit anfangen!

Indian food in Persian style

Dessert-Häppchen: Die Jameh Moschee mit Nachtbeleuchtung

 

08.08.2013

Persepolis

Die rund 400 km nach Persepolis sind gut zu schaffen, die Strassen bleiben weiterhin erstklassig. Die Mittagsrast fällt aber länger aus. Wir werden wir zum Picknick mit einer iranischen Familie eingeladen. Es stört sie nicht, dass wir bereits gegessen haben und eigentlich schon weiter wollen. Wer kann denn zu einem Schnitz Melone nein sagen? Es ist eine aufgestellte Runde und besonders die beiden Töchter führen die Unterhaltung mit uns, Mutter und Vater können kaum Englisch.
Wie immer kommt auch diese Familie ohne Berührungsängste auf uns zu und verwickelt uns in ein Gespräch. Warum sie den Essen dürfen, obwohl Ramadan ist? Wenn sie auf Reisen seien, dann gilt das nicht. Beim Verabschieden wollen die Frauen aber doch kein Händeschütteln, sie seien doch Moslems! Nun ja, das ist eben auch nicht die Regel. Oft strecken die Frauen von selbst die Hand entgegen.
Wie soll man da noch den Durchblick haben?!

?!

So lieben und leben es die Iraner: Schattiges Plätzchen unterwegs, Picknick Decke aus
Yazd aufschlagen und herzhaft essen (Falafel, Melone, Tee).
Eine besonders liebenswerte Familie!

Die Fastenzeit geht übrigens heute Abend zu Ende. Wir haben viele Eindrücke und Aussagen dazu gesammelt und finden es nach wie vor krass, wie man bei der Hitze den ganzen Tag weder essen noch trinken darf. Ebenfalls wirft es das ganze Leben über den Haufen, da der Tagesablauf komplett geändert wird. Bis 04:00 darf man Essen, also stopft man schweres Essen in sich rein. Dann legt man sich wieder zum Schlafen hin, was aber sicher wenig erholsam sein dürfte. Ab Sonnenuntergang darf man dann ebenfalls wieder zuschlagen und im Heisshunger isst man auch wieder viel und schwer. Ungeachtet unserer Erwartungen ist offenbar eine Gewichtszunahme eher die Regel als dass man abnehmen würde. Fazit: Gut dürfen wir weiterhin Essen und Trinken, was und wann wir mögen.

Persepolis ist eine rund 2500 Jahre alte Stadt, einst mächtig und glorreich, die aber lange unter Sand begraben und in Vergessenheit geraten ist. Erst 1930 wurde sie in umfangreichen Ausgrabungsarbeiten freigelegt und zeugt nun von einer beeindruckenden Architektur und Handwerksarbeit. Man sagt Persepolis sei grösser und mächtiger als Akropolis in Griechenland und man kann es sich bei diesen Dimensionen durchaus vorstellen. Die Steinreliefs sind feingliedrig und detailreich, die Fundamente der verschiedenen Paläste, Tempel und der Schatzkammer mächtig gross. Um die Schatzkammer zu räumen wurden damals 3000 Kamele benötigt, es sei eine der wertvollsten dieser Zeit gewesen. Am Abend zieht über der Anlage ein Gewitter auf, was eine besonders spannende Stimmung erzeugt - aber der erfrischende Regen bleibt leider aus. Nur ein paar Tropfen gelangen bis zur Erde...

Ticketpreise erhöht, nun müssen die alten weg. Man rechne:
Es braucht 6 alte für den Gegenwert des neuen Preises... das
treffen wir leider nur zu oft an. Ob die Iraner wohl Inder im
Touristdepartment angeheuert haben?

Persepolis, eine rund 2500 Stätte welche bis vor kurzem noch unter Sand geruht hat

Das macht Appetit...

Die Geschichte Persiens ist reich und geht sehr weit zurück, bis 5000 Jahre. Die grösste Ausdehnung erreichte es vor rund 2500 Jahren durch Darius, wo sich das Reich von Ägypten bis hoch an die heutige russische Grenze und von Griechenland bis nach Indien hinein erstreckte. Die Geschichte ist bewegt und Alexander der Grosse wie auch die Römer, Russen und Tschingis Khans Mongolen rissen sich immer wieder grosse Stücke unter den Nagel.

Wir campieren auf dem Parkplatz - vorerst mal alleine. Aber sobald es eindunkelt kommen haufenweise Autos angefahren, drehen ihre Runden über den riesigen Parkplatz und versammeln sich dann wie Motten ums Licht der Platzbeleuchtung - zum Picknick und Zelten. Decke auslegen, Kissen drauf, Kochtöpfe, Lebensmittel und Gasbrenner ausgepackt und los geht der Schmaus. Die Zelte stehen in Windeseile und so wird aus dem leeren Parkplatz ein Campingplatz. Es ist einfach immer wieder faszinierend. Und natürlich ist es so auch sicher für uns, da campieren das Normalste ist, was man sich vorstellen kann.

 

09.08.2013

Shiraz

Die rund 50km nach Shiraz sind ein gemütlicher Trip und es hat nur wenig Verkehr. Bei der Einfahrt in die Stadt hält sich ein PW auf gleicher Höhe mit uns und bietet uns durchs Fenster Alkohol zum Verkauf an... so läuft das hier also. Wir finden auf Anhieb ein hübsches Boutique Hotel im Zentrum, welches auch einen ruhigen Parkplatz hat. Wir kriegen sogar Strom, WC und Dusche umsonst. Das ist doch eher selten der Fall.

Shiraz ist schon 2000 BC erwähnt und hat eine bewegte Geschichte und stand einst im Zentrum des persischen Reichs. Wir klappern die Sehenswürdigkeiten der Stadt ab und kommen so an der Festung Arg-e Karim Kham vorbei. Dahinter ist ein grosser Basar in alten Gewölben und dort erleben wir etwas, was uns doch zu denken gibt: Wir biegen in eine der Seitengassen ab um dort zu einem anderen Flügel zu gelangen wobei uns zwei Händler am Boden sitznd zurufen, wir sollen da nicht hinein gehen. Wir seien alleine und das ist gefährlich!

Festung Arg-e Karim Kham: Schräges gibts nicht nur in Pisa

Schummriger Basar

Wie zu befürchten war sind einige der Sehenswürdigkeiten geschlossen, weil heute ein Feiertag ist: Gestern Abend hat der Ramadan geendet und die folgenden Tage geht gar nichts in dieser Stadt. Es ist wie ausgestorben und bei dieser Hitze durch die leblosen Gassen zu schlendern hat wenig Reizvolles. Vor der ehemaligen Therme, welche heute ein Museum ist, setzt sich eine Iranische Familie zu uns und beginnt wie üblich, mit uns zu plaudern. Einmal mehr eine Einladung zu ihnen nach Hause (Ta'arof?), aber wir lehnen dankend ab. Der Vater spricht recht gut Englisch, war schon ein paar Jahre in Europa beruflich als Agronom tätig und ist wie immer sehr an unseren Eindrücken interessiert. Die Fragen sind zwar oft dieselben und man kommt sich manchmal etwas ausgehorcht vor, das Englisch erlaubt aber oft keine tiefgreifenden Konversationen. Trotzdem ist es einfach die pure Neugier und über mögliche Gemeinsamkeiten kann man sich freuen. Wir schliessen den Rundgang mit der Aramgah-e Shah-e Cheragh Moschee ab, drehen aber auf dem Absatz um, als von Fabia erwartet wird, den Chador zu tragen. Bei dieser Temperatur ein No-Go für uns. Die Moschee ist ähnlich wie in Mashhad im Zentrum einer grossen Erweiterungsbaustelle, so gibt es keine besonders attraktiven Fotos.

Mit gutem Beispiel voran - Iraner sind immer für ein Spässchen zu haben, auch
wenn sie "nur" die Strassen sauber halten. Schön dass es sie hier gibt,
das macht soo einen grossen Unterschied!

Die Temperatur schafft einem ziemlich und so ist der kühle Innenhof des Hotels mit den Ventilatoren eine willkommene Gelegenheit, etwas zu chillen. Es gibt hier sogar richtigen Kaffee aus der Espressomaschine und leckeres Essen. Wir probieren erstmal das Gericht "Dizi", ein Eintopf mit Bohnen, Fleisch und weiteren Zutaten. Früher war das eine Speise für Arme, heute ist es aber wieder salonfähig. Zuerst löffelt man die Flüssigkeit ab, danach giesst man den Rest des Inhalts über Fladenbrotstückchen und dann mantscht man das mit einem Mörser zu einer breiförmigen Masse. Dazu gibt es noch Mirzaghasemi (Auberginen, Tomaten, Ei und Gewürze - sieht aus wie Tartar). Zwei typische iranische Mahlzeiten, sehr bekömmlich und sehr lecker.

Mirzaghasemi (links) und Dizi (rechts), das ehemalige Armen-Gericht.
Bohnen, Fleischreste, Suppe und Brot werden mit Mörser zermantscht.
Sehr lecker!

 

10.08.2013

Margoon Waterfall

Endlich geht auch das WiFi wieder in diesem Hotel und so können wir die fällige Korrespondenz erledigen. Schnell ist es Mittag und nach einem Mirzaghasemi fahren wir dann doch noch los. Es ist immer ein Genuss, in der grössten Hitze am Mittag Auto zu fahren...

Die Stadt ist noch wie ausgestorben und es war ein wirklich unglückliches Timing, ausgerechnet an zwei Feiertagen in Shiraz zu Besuch zu sein. Alles ist geschlossen.

Wir steuern wieder gegen Norden, in Richtung Yasuj. Etwa 150km von Shiraz soll es in den Bergen einen schönen Wasserfall geben, den wir besuchen müssen. Der Empfehlung eines iranischen Gastes im Hotel folgen wir gerne - zumindest bis uns klar wird, worauf wir uns da einlassen. Zuerst kurven wir aber an einem "Skiresort" vorbei und auf rund 2800m hoch, bevor es dann auf der anderen Seite des Passes auf eine Nebenstrasse in Richtung Wasserfall geht. Überall entlang der Strasse sind Autos geparkt und die Familien sitzen auf der auch nur kleinsten schattigen Fläche unter Bäumen. Manchmal sitzen sie sogar auf dem Grünstreifen zwischen den Strassen. Überall! Vermutlich ist das ja auch nur so, weil gerade Feiertage sind aber es ist schon faszinierend, wie mit einer Selbstverständlichkeit die Decke am Boden ausgerollt wird um zu Speisen. Jetzt ist ja der Ramadan vorbei, sie dürfen endlich wieder.

Der Verkehr verdichtet sich und kommt zum Stehen... kein gutes Zeichen. Wir kriechen meterweise voran und beobachten das Geschehen - der übliche Wahnsinn zeichnet sich ab: Es will jeder bis zuvorderst mit seinem Auto fahren um bloss nicht zu Fuss gehen zu müssen. Die Strasse ist eh schon eng und kreuzen wird schwierig bis unmöglich, bis dass die ersten Schlaumeier ihre Autos auch noch im Engnis abstellen und der Infarkt vorprogrammiert ist. So stellen wir unser Ungetüm irgendwo entfernt von der Strasse ab und gehen zu Fuss rund 1km der Strasse entlang, bis dann nur noch ein Fussweg zum besagten Wasserfall führt. Es ist wie immer unfassbar, mit welcher Selbstverständlichkeit man sich gegenseitig auf der Strasse blockiert und nichts mehr geht. Aber keiner kommt auf die Idee, dasselbe wie wir zu tun und so viel schneller voran zu kommen. Der Fussweg ist keine Spur besser und es herrscht ein riesiger Andrang. Das muss ein Hammer-Wasserfall sein, wenn so viele Iraner ihn besuchen kommen. Tatsächlich ist östlich von hier nur Wüste und kaum Wasser, so mag der Reiz verständlich sein. Überall schlagen sich die Menschen in die Büsche und ja, legen ihre Decke aus, stellen Zelte auf oder Tanzen auch ausgelassen. Der Wasserfall selbst ist wirklich schön und vorallem die Stimmung mit all den Menschen, die da im Wasser herumstapfen oder sich von der Gischt benetzen lassen ist einmalig.

Verkehrsinfakrt auf den letzten Kilometern zum Margoon Wasserfall - bloss nicht zu
Fuss gehen ist die Devise und niemand kümmerts richtig lang zu warten

Einmal am Ziel sind wir beeindruckt von den Menschen, wie
sie unbeschwert durch das Wasser stapfen, sich in die Gischt stellen
und das Wasser geniessen

Der Rückweg ist ebenso beschwerlich mit dem Stau, wir können uns aber rasch in den Verkehr eingliedern und in Richtung Tal ruckeln, bis der Verkehr wieder fliesst. Wir quartieren uns an einem Rastplatz beim Fluss ein und schon bald danach folgen mehr Pick-ups mit Familien und Hausrat beladen, die ebenfalls ihr Nachtlager hier aufschlagen. Ein Auto kommt an und der Fahrer steigt aus, öffnet den Kofferraum und schmeisst ein angefangenes Pack Chips in weitem Bogen mitten auf den Parkplatz. Er kümmert sich nicht weiter darum, sein Abfall ist entsorgt.

Müll ist wie in vielen anderen Ländern ein leidiges Thema und wir schütteln oft nur verständnislos den Kopf, wenn ganze Abfallsäcke, Flaschen, Taschentücher, Dosen, etc. aus dem fahrenden Auto oder einfach während des Gehens ins Gebüsch geworfen werden. Selbst kleine Kinder werfen einfach alles, was sie nicht mehr brauchen auf den Boden. Klar, von ihren Eltern lernen sie das ja nicht anders.

Der Parkplatz leert sich erst von Picknickern um sich später mit Campern zu füllen. Die einen Bauen gleich sowas wie eine Wagenburg und Zeltstadt auf, andere zerlegen erstmals die Bremsen und reiben die Bremsbeläge auf den Steinen, um sie etwas griffiger zu machen. Die sind wohl alle glasig weil überhitzt. Die lieben Iraner sitzen zu fünft bis siebt im Auto inkl. allem Campingequipment und brettern die steile Passstrassen hinunter, das hält keine normale Bremsanlage lange aus. Dementsprechend hängt auch der typische Gestank von überhitzten Bremsen in der Luft.

 

11.08.2013

Zagros Mountains

Chelgerd
Ski Resort

Gemütlich gefrühstückt, gepackt und wir rollen in Richtung Strasse. Ein Iraner winkt uns und versucht uns was zu sagen, wir verstehen auch kurz danach was: Der Besitzer dieses Grundstücks hat den Zugang mit einer Kette versperrt. Keiner der anderen Camper weiss, wann er kommen wird und so waschen wir halt in der Zwischenzeit das Auto. Um 9 Uhr kreuzt er auf und kaum ist die Kette weg, sind wir auf der Strasse.

Gemütlicher Nachtplatz

Die Strasse windet sich entlang der Zagros Berge, die sich von der Türkischen Grenze rund 1500km bis an den Persischen Golf ziehen. Hier bewegen wir uns fernab der touristischen Pfade und die Menschen sprechen nur Farsi. Die Berge gehen auf bis zu 2500m hoch und die Landschaft ist abwechslungsreich mal karg und kaum bewachsen, dazwischen Felder mit Korn oder Mais, kleine Dörfer und entlang von Flüssen verlaufen saftig grüne Streifen mit Bäumen und üppiger Vegetation. Überall stehen Zeltbehausungen von Nomaden, vereinzelt oder in richtigen Siedlungen und am Strassenrand wird Honig in rauhen Mengen angeboten.

In den Zagros Mountains...

... wechselt das Landschaftsbild öfters aber immer hat es farbige Vegetation

Eine Siedlung von Nomaden am Ufer eines Sees

In den Dörfern wird wie üblich entlang der Strasse Handel betrieben und Einkaufen ist eigentlich ziemlich einfach. Es gibt viel frisches Gemüse zur Auswahl, ofenfrisches Brot, Früchte, etc. Nur mit den Preisen muss man halt etwas feilschen oder halt mal ein Auge zudrücken. Es geht ja nie um viel Geld.

Chelgerd ist am Ende eines Tales gelegen und im Winter liegt hier soviel Schnee, dass ein 800m langer Skilift betrieben werden kann. Auch besonders ist der Wassertunnel, der einen Fluss kurzerhand durch einen Berg in dieses Tal umleitet. Nur deswegen ist es so grün hier in diesem Tal. Wir werden von einem Polizisten gestoppt, der irgendwas von uns sehen will. Wir reden kein Farsi und er kein Englisch, so beginnt das Rätselraten. Fahrzeugausweis ist es nicht, vielleicht die Versicherungskarte? Ja, die will er sehen. Und dann noch was? Wir finden es nicht heraus bis er uns resigniert weiter winkt. Kontrolle Nummer zwei in Iran.

Chelgerd liegt am Ende des Tales, hat einen Skilift und einen Wassertunnel,
Kletterberge und Wanderrouten zu bieten

Der Wassertunnel als Quelle des Lebens für dieses Tal

So wird gecampt - diese Popup-Zelte sieht man einfach überall

 

12/13.08.2013

Esfahan

Kaum von Chelgerd losgefahren kommt uns ein Polizei Pick-up entgegen und irgendwie kann man anhand der Blicke der Insassen erkennen, dass wir uns bald wieder sehen. In der Tat geht es kaum 5 Minuten und wir haben ihn wieder in Sichtweite, diesmal im Rückspiegel. Wir halten dann schon mal langsam an.
Drei in Militäruniform gekleidete junge Männer entspringen dem Pick-up und kommen zu uns - das wird wohl ein Momentchen dauern bis wir weiterkommen. Keiner kann Englisch und sie wissen offensichtlich nicht, was sie mit uns anfangen sollen... offensichtlich sind sie enttäuscht, dass wir eine iranische Versicherungskarte haben. So probieren sie es mit den Pässen und telefonieren irgendwo hin um zu prüfen, ob alles rechtens ist. 15 Minuten später winken sie uns erfolglos weiter, sie können nichts finden was sie berechtigt uns weiterhin aufzuhalten. Irgendwo später unterwegs sollten wir nochmals das Vergnügen einer Kontrolle haben, allerdings die Kurzfassung davon.

Eine Nomadenfamilie unterwegs mit Sack und Pack

Honigfarmen

Eine Herde von Fettschwanzschafen

Fruchtbares Ackerland...

... und Gemüseplantagen in den Zagros Mountains

Wir versuchen unser Glück an einer etwas abgelegeneren Tankstelle um aufzutanken und gut so, der Tankwart hat keine Tankkarte für Diesel. Er gibt uns zu verstehen, wir sollen auf den nächsten Lastwagen warten. Er organisiert dann vom Fahrer die Karte, der allerdings etwas grummelig darauf reagiert. Aber 5 oder 11 Rappen pro Liter macht ja schon was aus. Wir füllen rund 60 Liter für um die 3 CHF nach.

Esfahan ist eine grosse Stadt wie wir schon bald merken müssen und wir haben keine Adresse von unserer Kontaktperson, die wir in Nepal flüchtig kennen gelernt haben. Ein Anruf und einige Minuten auf der Pannenspur erlauben uns einen Zielpunkt auf dem GPS zu finden und wir fahren in das Getümmel. Nima fällt mit seinem gelben T-Shirt am Strassenrand auf und er weist uns in einen Werkhof ein, wo wir das Auto parkieren können. Wir ziehen in die Wohnung seines Freundes ein und nutzen da die Gelegenheit, ein paar Dinge übers Internet zu regeln (endlich können wir die Facebooksperre mit "Freegate" umgehen).

Grüne Schneise ins Zentrum der Stadt Esfahan

Gegen Abend ist Power-Sightseeing angesagt und wir wandern durch die Stadt zum Jolfa Platz, wo erstmals seit wir im Iran sind junge Menschen sich zum Kaffee trinken und plaudern versammeln. Wir klappern die schönsten Brücken über den ausgetrockneten Fluss ab (es gibt dazu viel Kurioses!), flanieren durch den endlosen Park, gehen in eines der angesagtesten Fastfoodlokale (Kentucky House) essen, ziehen uns bei einem Fruit-Shake-Anbieter einen Shake rein (der darf als Einziger bis nach Mitternacht öffnen) und fahren mit Freunden von Nimas Freunden zum Naqsh-e Jahan Imam Platz, der gemäss Lonely Planet nach dem Tiananmen Platz in Peking der zweitgrösste Platz der Welt sei. Die Beleuchtung bei Nacht macht den Platz noch beeindruckender und wir sind begeistert! Der Hammer, 100 Punkte für Esfahan! Wir fühlen uns auf Anhieb wohl hier.

Der Jolfa Platz, Treffpunkt für junge Leute - hier gibts viele armenische Coffee-Shops!

Eine der 11 spektakulär beleuchteten Brücken

The place to be: Kentucky House

Pit-Stop im Fruit Shake Corner...

...bevor der Höhepunkt des Abends ansteht:...

... Der Naqsh-e Jahan Imam Platz!

Nima, unser Gastgeber und Power-Sightseeing-Guide

Am Tag darauf dann weiteres Sightseeing bis zur Erschöpfung: Kelisa-ye Vank, eine christliche Kirche mit muslimischen Elementen (erstmals müssen wir als Christen Eintritt in eine Kirche bezahlen), am Jolfa Platz einen echten armenischen Kaffee trinken (Kaffee gibts hier nur wegen den vielen Armeniern), den Naqsh-e Jahan Platz bei Tag und nochmals bestaunen, durch den schönsten Basar, den wir in Iran bisher besucht haben (aber Achtung: Souvenirs Made in China) schlendern, die Jameh Moschee besuchen, welche die grösste im Iran sein soll... und am Schluss noch mit dem Taxifahrer um 30 cents fighten, weil er uns viel zu viel verrechnen will - aber was sein muss, muss sein.

Zum Jolfa Platz: Ein Schah hat in der Vegangenheit einen Grossteil der armenischen Bevölkerung aus Jolfa im Nordenwesten von Iran nach Esfahan zwangsumgesiedelt, weil er gute Handwerker brauchte - eine bekannte Eigenschaft der Armenier. Daher kommt es, dass es hier in Esfahan viele Christen und eben auch Kaffee gibt.

Traumhafte Dekoration in der christlichen Kirche Kelisa-ye Vank

Und hier noch einmal bei Tag: Der zweitgrösste Platz der Welt, der Naqsh-e Jahan Imam Platz!

Die Hauptgänge des Basars sind schon sehr einladend, doch...

... die Abstecher in Seitengänge und Innenhöfe lassen...

... einen erst richtig staunen!

Die imposante Jameh Moschee, mit 20'000qm die grösste im Iran

Schwimmen verboten...?!

Dieselbe Brücke bei Tag

Im Restaurant Amer sollen wir Beryani essen, eine Spezialität und das einzige Menü im Angebot. Hier macht uns aber der Lonely Planet einen Strich durch die Rechnung denn das Restaurant ist ca. 300m in der falschen Richtung eingezeichnet. Ausgehungert wie wir sind eine mittlere Katastrophe. Aber keine Sorge, ein Iranisches Paar fährt uns kurzerhand hin, als wir danach fragen. Die Leute stehen Schlange und warten, bis ihre Nummer aufgerufen wird um das Essen zu holen. Es sind noch rund 20 Kunden vor uns dran. Doch auch hier haben die Iraner ein Herz für ausgemergelte Touristen und wir kriegen Vorzugsbehandlung. Wow, es schmeckt hervorragend und ein Tischnachbar fragt, ob es uns nicht zu fettig sei? Fettig ist, was wir in Kashgar bei den Uiguren bekommen haben - reines Fett von den Fettschwanzschafen. Das hier ist aber normal dosiert und sehr bekömmlich.

Beryani im Restaurant Amer - sieht hier weniger appetitlich aus, als es ist

Frisch mit Energie versorgt schreiben wir unsere Postkarten in einem anderen Coffee-Shop am Jolfa Platz und holen dann unser Gepäck bei Nima ab, der auch gleich los muss - er zieht für die nächsten zwei Jahre nach Singapur und sein Gepäck ist ein einfacher Rucksack. That's all! Er macht dort einen Bubble-Tea Shop auf. Sein Freund bringt uns noch zu einer guten Wechselstube, holt mit uns die Wäsche ab und so gegen 7 Uhr abends starten wir den Motor... unser nächstes Ziel liegt aber zu weit weg und wir fahren nur noch zum Soffeh-Berg am südlichen Rand der Stadt, besteigen eine Schweizer-Gondelbahn und geniessen einen herrlich ruhigen Abend mit gutem Essen auf der Bergspitze. Die Aussicht übers Lichtermeer der Stadt lohnt sich, auch wenn wir wieder den siebenfachen Preis der Einheimischen bezahlen. Die Jungs hinter den Tresen tun ihr Möglichstes, um uns mit Händen, Füssen und Töpfen die Menus zu erklären, abzurechnen und einen Sitzplatz zu finden - einmal mehr unglaublich, wie hilfsbereit man uns gegenüber ist. Vom Nachbartisch steht extra eine junge Frau auf um zu fragen, woher wir kommen und sagt: "Welcome to Iran"! Wir Schweizer werden aber doch sehr oft mit Schweden verwechselt...

Das muss einfach noch sein: Der Ausflug auf den Soffeh bei Sonnenuntergang...

... und das Lichtermeer

Aus den vielen Gesprächen wollen wir nur eines wirklich hier wiedergeben: Alle jungen Leute die intelligent sind und eine gute Ausbildung haben versuchen ins Ausland zu gehen. Sei es Österreich, Deutschland, Singapur,... oder auch die USA - einfach woanders Leben. Unter Anderem haben die Sanktionen direkten Einfluss und viele verlieren oder verloren ihre Jobs dadurch. Das gibt uns zu denken - und sollte es auch für die Regierung.

Die Talstation ist übrigens eingebettet in eine grosse Parkanlage, die zum bersten voll ist mit Pick-Nickern, Shisha-Rauchern oder jungen, flirtenden Pärchen. Im Untergeschoss der Gondelbahn wird gekegelt und gleich daneben ist ein kleiner Lunapark für Adrenalinhungrige. Super Konzept, da läuft es bis spät in die Nacht rund. Wir stellen uns irgendwo an den Rand, machen Feierabend und können die Nacht mitten im Trubel ungestört verbringen. Das ist eben auch der Iran... (fast) keine Drogen, kein Alkohol, kein Ärger.

 

14.08.2013

Abyaneh

Plutonium Produktionsstätte

Kashan

Der Ausblick über Esfahan ist selbst vom Parkplatz aus ganz beachtlich und am Morgen hängen lose Fetzen von Dunstschwaden über der Stadt. Die Angestellten der Parkanlage trudeln so langsam ein und da wir direkt neben ihrem Garderobencontainer parkieren, sind sie wie zu erwarten neugierig, was denn das für ein Gefährt ist. Nach dem üblichen Hallo verstehen sie, wer wir sind und was wir machen und sie heissen uns natürlich willkommen in ihrem Land. Die Parktoiletten sind noch geschlossen, einer der Mitarbeiter zeigt uns aber ein anderes stilles Örtchen und löst so ein grosses Problem für uns.
Bevor es losgeht muss noch die Arbeit des Mechanikers von gestern gecheckt werden. Eine Dieselpumpe machte Ärger. Wie zu befürchten war, muss da nochmals Hand angelegt werden, um alles ordentlich zu fixieren und das kostet uns nochmals fast eine Stunde.

Good morning Esfahan! Anders als in anderen Parks campiert man hier aber
offenbar nicht... so haben wir die ganze Anlage für uns alleine

So stechen wir also viel zu spät ins Stadtgetümmel und kommen in die Rushhour, es geht nur langsam vorwärts. Es gibt so einige Manöver, die bei uns nur Kopfschütteln auslösen und das will nach all der Zeit im Ausland doch etwas heissen. Aufpassen ist angesagt, obschon unser Wagen auch hier abschreckend wirkt. Wir wollen noch schnell am Jolfa Platz einen Kaffee trinken und erleben das nächste Highlight fahrerischen Könnens: Erst verpasst der Fahrer vor uns die Einfahrt in die Seitenstrasse, in welche auch wir müssen und setzt unerschrocken gegen den Verkehr zurück. In der Gasse angekommen verpasst er die Einfahrt in die Tiefgarage und realisiert, dass wir im dicht folgen. Er wartet bis uns klar wird, was er will. Wir geben ihm genug Raum, dass er die Einfahrt schaffen kann. Er setzt also erneut beherzt zurück nur schaut er scheinbar nicht nach hinten und rammt uns ordentlich von vorn. Wir sind sprachlos über die Unfähigkeit des Vordermannes, bleiben aber sitzen und warten, was denn nun geschieht.
Der Fahrer zögert lange, bevor er aussteigt und den Schaden an SEINEM Wagen betrachtet. Der Kofferraum ist eingedrückt und er runzelt die Stirn - unser Bullbar hat unbeschadet ganze Arbeit geleistet. Wir zucken nur die Schultern und verklemmen uns das Schmunzeln, er steigt wieder ein und verschwindet in der Tiefgarage. Das wars.

Auch beim Kaffee schmunzeln wir noch über das Erlebte und beobachten dabei zwei junge Frauen, wie sie den Kaffeesatz des armenischen Kaffees auf die Untertasse kippen und lange daraus zu lesen beginnen, die Interpretation eifrig diskutierend. Das ist wohl keine Seltenheit hier. Ob der Satz ihnen wohl Glück verspricht? Die Interpretationsmöglichkeiten lassen ja bestimmt eine positive Auslegung zu.

Am Naqsh-e Jahan Imam Platz gibt es natürlich nur Halte- und Parkverbotsschilder und wir fragen einen Polizisten, ob wir uns nur 5 Minuten hinstellen dürften. Wir wollen noch Souvenirs kaufen. Nach der obligaten Frage, woher wir kommen dürfen wir. Einmal mehr ein Hoch auf die Iraner, man stelle sich das in Zürich vor...

Aus dieser Stadt zu kommen kostet etwas Nerven, denn selbst die Polizei kann an der Kreuzung den haarsträubendsten Manövern einfach nur zuschauen, ohne dabei rot anzulaufen oder sich die Finger wund zu schreiben. Man muss es einfach selber erleben um es zu glauben. Endlich geschafft kommt man auf der Autobahn unbeschwerter voran, das heisst aber nicht, dass es weniger spannend ist. Eine dieser alten Kisten überholt uns mit einem Hoch beladenen Dach - alles sorgfältig mit genau einer Schnur (kein Strick) quer übers Dach gesichert. Respekt! Erstmals in Iran kommen wir auch wieder auf eine Mautstrasse, der Kassier will aber kein Geld von uns, er heisst uns nur willkommen in seinem Land. Wow!

Abyaneh ist ein kurzer Abstecher vom Freeway wert. Es ist ein rund 1500 Jahre altes Städtchen, welches aber nur noch von wenigen überwiegend sehr alten Menschen bewohnt wird. Die alten Häuser sind am zerfallen. Es gibt aber viele Details aus längst vergangener Zeit zu bestaunen. Auch hier gibt es einen wunderschönen Park wo viele Tagestausflügler picknicken, Shisha rauchen oder einfach nur relaxen. Nur verdirbt uns ein junger Mann mit seiner Aufdringlichkeit die Freude und wir ziehen weiter.

Abyaneh, ein kleiner Abstecher der sich lohnt

In der 1500 Jahre alten Stadt gibt es unzählige, spannende Details zu entdecken:...

...so zum Beispiel die Türen mit den zwei Klopfern. Der linke wird von Männern
verwendet, der rechte von Frauen - so wissen die Frauen drinnen immer, wie man
sich verhalten muss wenn es klopft: Bei Männern die klopfen dürfen sie nicht öffnen,
ein Mann muss Einlass gewähren. Die Frauen müssen sich dann verhüllen.

Die Hitze ist ziemlich arg heute und natürlich gibt es kaum Bäume unterwegs, wo wir uns für eine kurze Mittagspause in den Schatten stellen können. Gut hat sich die Polizei unterwegs Unterstände für ihre Fahrzeuge eingerichtet, von denen wir uns einen in Beschlag nehmen. Nur mögen Termiten offenbar auch etwas Abkühlung und sie scheinen Besucher nicht zu mögen... fiese kleine Biester!

Wenn's einfach zu heiss wird, dann sind alle Mittel recht: Auch
ein Unterstand für die Polizeifahrzeuge

Auf dem Weg nach Kashan fahren wir an sehr vielen einsatzbereiten Fliegerabwehrwaffen und Militärstützpunkten vorbei was darauf hindeutet, dass hier was Wichtiges sein muss. Tatsächlich fahren wir an der international heftig kritisierten Urananreicherungsanlage vorbei. Diese Anlage ist mitunter ein Grund für das Embargo, welches seit schon vielen Jahren das Land belastet. Ob die iranischen Fliegerabwehrkanonen gegen die Stealthbomber der USA was ausrichten können?

Fotos von den Stützpunkten? Wir sind doch nicht lebensmüde...

Wir treffen schliesslich in Kashan ein und fahren direkt zum Fin Garten, welcher von der UNESCO ins Weltkulturerbe aufgenommen worden ist. Schon seit vielen Jahrhunderten haben Könige hier Erholung und Ruhe gesucht und die grüne Oase ist durchzogen von geometrisch angelegten, mit blauen Kacheln ausgelegten Wasserrinnen, Brunnen und Becken, durch welche Quellwasser fliesst. Der Garten ist nach den zoroastrischen Glaubensvorstellungen des Paradieses mit den vier Elementen Erde, Wasser, Himmel und Pflanzen aufgebaut worden. Der Zoroastrianismus ist lange vor dem islamistischen Glauben in Persien verbreitet gewesen.

Auch hier bleiben wir als rare Spezies der westlichen Touristen nicht unerkannt und so schart sich am Schluss eine Gruppe Neugieriger um uns und ein junger Mann übernimmt die Übersetzung um all die Fragen beantworten zu können... puah, das war dann fast ein bisschen viel für heute!

Der Fin Garten von Kashan, seit Jahrhunderten der Rückzugsort für die persischen Könige

Es gibt viele Restaurants hier aber keine Kunden. Wenig später bestätigt sich auch unser Verdacht, warum das so ist. Kebab ist ausverkauft, bevor überhaupt Gäste da sind und die Preise sind unverschämt und für Touristen bestimmt überzogen. Aber wir hätten es uns ja denken können.


15.08.2013

Marenjab

Nushabad

Qom

Die historischen Häuser in Kashan sind eine Augenweide. Gut ausgeschildert sind sie einfach zu finden und der Besuch mindestens des Hamams und des Tabatabaei Hauses, ggf. auch das Abbasian muss sein. Die Häuser sind schön hergerichtet und zeigen persische Architektur wie man es sich nur vorstellen kann. Schade nehmen die Ticketpreise auch hier langsam indische Züge an, so bezahlt man als Ausländer rund 7.5x mehr als Einheimische. Und für jede Site ist ein separates Ticket erforderlich, so summiert sich der Besuch auf eine (un-)anständige Summe.

Hinter unscheinbaren Ziegelsteinfassaden verbergen sich...

... feine architektonische Perlen...

... mit verwinkelten Innenhöfen, Nischen, unzähligen Räumen...

... mit herrlich farbenprächtigen Fenstern und Wandbemalungen...

... - man kommt aus dem Staunen nicht heraus.

Das Badehaus setzt dem Ganzen ...

... den wunderschönen Schlusspunkt unserer Besichtigung auf.
Märchenhaft!

Den Basar kürzen wir ab, wir kommen gerade von Esfahan und da ist der für uns bisher Schönste zu finden. Da gibt es aber so einen kleinen Laden mit lokalem Süssgebäck und da lassen wir uns eine Tüte mit den Leckereien zusammenstellen, die im Auto rasch vernichtet werden. Sehr lecker!

Todesanzeigen sind hier ganz ungewöhnlich gestaltet: Wenn jemand stirbt, dann stellt man so ein Gestell mit Lämpchen und Glitzer dran an den Strassenrand, ggf. mit Inschriften oder Bilder des Verstorbenen. Was genau der Gedanke dahinter ist wissen wir nicht, aber wir finden den Brauch irgendwie noch schön.

Todesanzeigen mal anders: Nur in der Gegend von Kashan haben wir diese Art von
Bekanntmachung beobachtet - plötzlich wird offensichtlich, wieviele Todesfälle
in so einer kleinen Stadt die Menschen eigentlich bewegen

Ein Händler entlang der Strasse empfiehlt uns den Salzsee und die grossen Sanddünen zu besuchen. So entscheiden wir spontan den Abstecher nach Marenjab, ein frisch renoviertes Fort in der Wüste und von da eine kurze Ausfahrt auf den ausgetrockneten Salzsee Daryacheh-ye-Namak. Flach ist er, wie zu erwarten war und rund 2000 qkm gross. Die Sanddünen müssen wir aber auslassen, von anderen Reisenden wissen wir, dass man dort Ärger mit den Behörden bekommen kann. Zudem ist es nicht besonders ratsam, ganz alleine in dieses mächtige Sandmeer zu fahren, wenn man sich nicht auskennt.

Die frisch sanierte Festung Marenjab 50km tief in der Wüste...

... als Ausgangspunkt für einen Besuch in die grossen Sanddünen
(Achtung: hier kann man in Probleme mit den Behörden geraten,
Besuch im Gebiet östlich vom Salzsee auf eigene Faust vermeiden)
oder den grossen Salzsee Daryacheh-ye-Namak

Teheran ist nun zeitlich nicht mehr erreichbar und so liegt noch ein Besuch der unterirdischen Stadt in Nushabad drin. Das soll die grösste unterirdische Stadt sein, die es gibt und sie wurde erst vor rund 10 Jahren rein zufällig wieder entdeckt - eine Familie wollte im Haus einen Brunnen graben und stiess so auf das ausgedehnte und ausgeklügelte Höhlensystem. Jedes der alten Häuser über dem Boden hatte einen Zugang dazu und unterirdisch war auf drei übereinander angeordneten Ebenen genug Platz, das ganze Städtchen sicher unter zu bringen und gegen Feinde zu verteidigen. Die Methoden waren simpel: Weil es dunkel ist, sehen die Eindringlinge nicht, wo sie hintreten und so sind tiefe Fallgruben einfach und effektiv. Sie haben aber auch sonst so einige fiese Tricks angewendet, damit man Eindringlinge abschrecken kann. Das zugänglich gemachte Stück des Höhlensystems erstreckt sich mindestens 15 Meter unter der Erdoberfläche rund 4km durch das Gestein, es sollen aber Dörfer in bis zu 25km Entfernung unterirdisch erschlossen sein. Was früher in Geschichten überliefert wurde fand also vor rund 10 Jahren Bestätigung: Es gibt sie tatsächlich diese geheimnisvolle Unterwelt. Die Regierung will aber nicht mehr Geld investieren, um das ganze System zu erforschen und für Besucher zugänglich zu machen.

Eine ganze Stadt tief unter der Erde mit vielen richtig fiesen
Einrichtungen um Feinde vor dem Eindringen abzuhalten - da
wäre selbst Indiana Jones in Verlegenheit geraten

Nun haben wir wohl die falsche Strasse gegen Norden erwischt: Der Asphalt wird plötzlich von einer Sandpiste abgelöst die immer schmaler wird und wir entscheiden zu wenden. Doch eine andere Piste, die erstmals ganz gut ausschaut, endet irgendwo in einer riesigen Plantage und wir irren nach Kompass durch die Ebene, bis wir schliesslich einzelnen Wagenspuren folgen und der sandige Boden immer noch weicher wird. Nach rund 2 Stunden Zickzackfahrt stossen wir auf die Bahnlinie - doch die Strasse ist auf der anderen Seite des Bahndamms und es gibt keinen Weg, diesen zu überqueren. Ob das wohl die Route war, die uns ein Bauer zu erklären versucht hat? Er ist uns extra noch ein Stück voraus gefahren aber wir hatten wirklich keine Chance, aus all seinen Worten etwas heraus zu filtern, was wir verstehen können. Wir folgen also wie früher die Cowboys den Geleisen bis wir ein paar Kilometer später einen Übergang finden. Leider haben wir vergessen, die hinteren Seitenscheiben zu schliessen - wir haben so erfolgreich unseren Wagen komplett eingestaubt. Grossartig! Als ob wir das zum ersten Mal machen würden...

Grosse, uralte Festungsanlagen stehen hier überall verwittert und vergessen in der Landschaft

Qom ist nach Mashhad die zweitheiligste und die konservativste Stadt im Land. Hier sind alle Frauen mit Chador, Burka oder Vollschleier verhüllt. Ohne Ausnahme! Diese Stadt ist das klerische Zentrum, welches für die "Revolution" 1979 und damit die Islamisierung und das Ausrufen des Gottestaates verantwortlich ist und auch bis heute das religiöse, damit aber auch politische Ruder in der Hand hat.

Das Hotel ist leicht zu finden und als der Receptionist unsere Nationalität erfährt und wir auf die zweite Flagge von rechts hinter ihm zeigen (CH-Flagge) nimmt er sie und stellt sie gleich an die erste Stelle... danach lädt er uns zum Chai ein und bietet uns seine Hilfe an, wenn wir irgend etwas bräuchten. Ein Saudi erkundigt sich in der Lobby ebenfalls nach unserer Herkunft und fragt, was uns hierher führt. Der Schrein!
Er hofft, dass Allah dort seine Gebete erhöre. Auch wenn wir nicht denselben Gott anbeten, so hoffen wir auf dasselbe, sagen wir. Darauf erwidert er, das ein weiser Prophet einst sagte, dass wenn der Glaube nicht verbrüdert, so ist es die Menschlichkeit. Wenn das nur alle seine Glaubensbrüder so sehen würden, dann wäre die Welt ein friedlicherer Ort.

In dieser Stadt liegt die Schwester Fatemeh des Imam Rezas im Hazrat-e Masumeh Schrein begraben. Vom Hotel Olympic aus kann man die schön beleuchtete Kuppel der Moschee, wo ihre Grabkammer, ist erkennen. Für heute ist es aber genug mit Sightseeing.


16.08.2013

Teheran

Der kleine Hupf von Qom nach Teheran ist gemütlich und einzig aufregend ist, dass wirklich die meisten Schilder in persischer Schrift den Weg weisen und das Zentrum eigentlich eine riesige Baustelle mit vielen Umleitungen ist. Da kommt unser Navi nicht mehr mit... Unterwegs können wir wieder mal bei einem Buschauffeur schnorren, indem wir seine Tankkarte borgen. Wieder füllen wir 50 Liter Diesel für 90'000 Rial, also rund 3 CHF, in den Tank! Das ist ein SAGENHAFTES GEFÜHL! In der Schweiz kriegt man keine 2 Liter dafür. Leider war der Bus voller Passagiere, so konnten wir nicht gleich 200 Liter tanken. Das wären dann mindestens 1800km Reichweite für 12 CHF (ok, die Dieselvorsteuer an der Grenze nicht mitgerechnet).

Entgegen aller Befürchtungen verläuft die Einfahrt in die 13 Mio Metropole wenig aufregend und wir finden unser Hotel einfach und ohne Hektik. Schlechtes Timing kann manchmal auch sein Gutes haben: Freitag ist Sonntag und hier ist wirklich alles dicht, so bleibt uns nur ein kurzer Ausflug in den Golestan Palace und pilgern durch den gepflegten Garten vorbei an den verschiedenen Museen. Ein Marmor Thron in einer komplett mit Spiegeln ausgestatteten, offenen Audienzhalle empfängt die Besucher. Wir statten der Spiegelhalle in einem anderen Gebäude einen Besuch ab. Darin ist der Peacock Thron (ein Replikat davon) ausgestellt. Der Thron ist mir knapp 27'000 bunten Steinen und hochwertigen Edelsteinen bestückt ein schönes Kunstwerk. In der riesigen mit Spiegeln verkleideten Halle stehen aber noch weitere Schmuckstücke, alles Mitbringsel von Napoleon, Queen Elisabeth und vielen anderen ausländischen Regierungsvertreter. Eine ansehnliche Sammlung von kostbaren Vasen, Uhren, Möbelstücken, Bilder und vielem mehr.
Schade auch hier, dass seit Neuestem die ausländischen Touristen das 5 bis 7-fache der Eintrittspreise der Einheimischen bezahlen müssen. Wir sind schon wieder aus dem Ticketoffice raus, da kommt uns der Kassier nachgerannt und offeriert uns zwei zum Preis von einem Ticket.

Eines der Gebäude des Golestan Palastes in Teheran

Ein eindrücklicher Anblick mit all diesen verspiegelten Flächen und dem Thron,
welcher aus 65 Marmorelementen zusammen gesetzt ist

Bazar? Heute geschlossen? Vor vergitterten Schaufenstern und in unbelebten Strassen zu Flanieren ist auch kein Genuss und architektonisch finden wir es auch nicht so prickelnd. Das Juwelen Museum mit allen Schätzen der damaligen Herrscher? Nur von 2-4 Uhr Nachmittags, heute aber geschlossen. Gut haben wir ein hübsches Hotelzimmer und genug zu tun, sodass der Nachmittag auch nicht langweilig wird. Wir könnten ja ins hoteleigene Schwimmbad gehen, wir, d.h. nur die Männer dürfen dahin.

Teheran ist übrigens eine Hochburg für Schönheitsoperationen, was auch einen richtigen OP-Tourismus aus Arabischen Ländern auslöst. Rund 3000 Chirurgen gibt es alleine in Teheran und dementsprechend viele Menschen sind mit den charakteristischen Pflästerchen im Gesicht unterwegs - hier trägt man sie stolz (entweder echt oder möchte-gern), zunehmend auch Männer. Rund 90'000 Nasen werden pro Jahr operiert bei Kosten von 1000 bis 4000 USD - oftmals mehr als ein Jahreseinkommen.

Mit einer der drei Metrolinien gelangt man bequem zur ehemaligen US-Botschaft, welche 1978 durch iranische Studenten gestürmt wurde. Dabei wurden 52 Diplomaten für 444 Tage als Geiseln genommen. Spannend ist der Hintergrund der Geschichte: In diesem Gebäude ist ein Bunker, welcher vom CIA genutzt wurde um den aktuellen und ersten demokratisch gewählten Präsidenten 1953 aus dem Amt zu kippen. Dieser verstaatlichte kurzerhand die Ölförderunternehmen, nachdem die Kolonialmacht England sich weigerte, mehr für das Öl zu bezahlen. Er warf ihre Diplomaten aus dem Land. England hat das nicht schlucken wollen und holte sich die USA ins Boot und so entstand der erste Putsch. 25 Jahre lang wurde der danach installierte Schah durch die USA finanziert und orchestriert, bevor dieser ebenfalls gestürzt wurde. Und dann kamen eben die Studenten ins Spiel, die um eine Wiederholung von 1953 fürchteten. Darum sind die Wände der ehemaligen Botschaft hübsch dekoriert.

Eines der ziemlich unmissverständlichen Bilder aus dem Jahr 1978
auf der Mauer der ehemaligen US-Botschaft in Teheran

Hier passt auch das Thema Embargo ganz gut dazu, ist es doch 1979 erstmals von den USA als Reaktion auf den Regierungsumstoss und die klerikale Linie verhängt und in der Zwischenzeit von der EU und anderen Staaten ebenfalls übernommen und laufend, letztmals im Oktober 2012, verschärft worden. Anstoss dafür war aber das Thema "iranische Urananreicherung", was gemäss Iran nur für medizinische und stromerzeugende Zwecke, nicht aber für Nuklearwaffen genutzt werden soll. Den Rest kann man sich denken. Das Embargo hat sehr viele Iraner direkt getroffen, sei es nur, dass die medizinische Versorgung wegen Mangel an westlichen Medikamenten deutlich eingeschränkt ist. Die Wirtschaft leidet massiv darunter, aber ob das ausreicht, einen Kurswechsel herbeizuführen?

Ganz in der Nähe davon gibt es das Tandoor Restaurant im Safir Hotel, welche Indische Küche anbietet. Nach der Begrüssung durch den Papageien mit "SALAM" (oder war es die Küchenhilfe hinter der Ecke?) gibt es Chicken Curry und Palak Paneer. "Namaste" sitzt noch locker auf der Zunge doch wie sagt man schon wieder "danke" auf Indisch? Es liegen doch schon wieder sechs Länder dazwischen...
Auf dem Rückweg werden in der Metro Schuheinlagen, Zahnbürsten und weiterer Kleinkram verkauft - ob das wohl der richtige Produktmix ist oder ob Getränke, Snacks und dergleichen nicht eher verkauft werden? Die Händler müssens ja wissen...

 

17.08.2013

Chalus
Kaspisches Meer

Teheran hätte sicher noch mehr zu bieten, aber irgendwie haben wir beide keine Lust auf Sightseeing und so verlassen wir die Stadt wie geplant in Richtung Kaspisches Meer. Auf "Sonntag" folgt Samstag und die Strassen sind geschäftig und mit deutlich dichterem Verkehr. So erleben wir also doch noch Teherans richtigen Verkehr, von welchem sich alle fürchten... und das nicht unberechtigt. Wir lernen den Alltagssport "Cross-Darting" kennen. Man nehme eine Kreuzung mit funktionierenden Lichtsignalen und einem Polizisten daneben (nur Statist) und Autos, die sich ans Signal halten. Das ist das Set up. Das Spiel nun besteht darin, dass Motorräder mit hoher Geschwindigkeit praktisch aus allen Richtungen kreuz und quer über die Kreuzung und durch die Autos der Grünphase rasen und sich dabei gefährlich nahe kommen. Welche Farbe die Ampel anzeigt ist für sie nicht relevant, nur ob es eine Lücke gibt, die passt.
Die sind verrückt. Aber alle übrigen Verkehrsteilnehmer auch, alle haben ihren "Alltagssport", ob Fussgänger, Taxi-, Auto- oder Busfahrer. Man muss höllisch aufpassen.

Die Strasse gegen Norden führt schnell in die Berge und man erklimmt in dichtem Kolonnenverkehr den rund 2500m hohen Pass. Die Struktur der Alpenfaltung ist schön zu erkennen und auch sonst gefällt der Aufstieg ganz gut. Es wird angenehm kühl. Es hat aber sehr dichten Verkehr und so muss man auf der Hut sein. Wir fahren wenigstens gegen Norden, von da hingegen ist die Blechlawine noch dichter. Und nach der Passhöhe kriecht oder steht sie für die nächsten 40km bergaufwärts. Klar, das Wochenende ist vorbei und alle wollen nach Teheran. Aber wieso man sich das im vollen Bewusstsein antut?! Das ist wie Osterverkehr in den Tessin durch den Gotthard - nur doppelt so lange und jedes Wochenende.

Überall am Strassenrand werden Räder gewechselt, Bremsen geflickt oder gekühlt, Kühlerwasser nachgefüllt aber auch ganze Antriebswellen und Hinterachsen ausgebaut. Alles wird mit einer Selbstverständlichkeit gemacht, dass es dafür nur eine logische Erklärung geben kann: In der Fahrschule lernt man wohl eher, wie man die grosse Zerlegung des Autos macht als wie man es fährt... das bezeugen stinkende Bremsen, quietschende Reifen, unberechenbare Fahrmanöver oder haarsträubende Überholvorgänge.

Aber irgendwie bringt das die Reisenden wirklich nicht aus der Ruh und wie üblich rasten sie mit ausgiebigem Picknick und Shisha an allen denkbaren und undenkbaren Orten. Shisha ist übrigens allgegenwärtig obschon eigentlich nicht restlos legal. Aber eben, von morgens bis abends wird überall die Kohle heiss geschwungen und dann genüsslich geraucht - Mann und Frau zusammen. Nicht ganz im Sinne der Regierung, aber die Menschen im Iran haben einen zu starken Drang nach Freiheit und sind voller Lebenslust und Tatendrang, sodass die Grenzen ständig ausgelotet werden.

Die Küste des Kaspischen Meers - rund 1200km südlich von dem Punkt, wo
wir vor etwas mehr als einem Jahr die Nordküste entdeckt haben.
Die Küste ist zubetoniert mit Villen und Hotels und nur wenig Strand ist
öffentlich zugänglich

Nach langsamen 170km Fahrt kommen wir zum zweiten Mal auf unserer Reise am Kaspischen Meer vorbei, diesmal aber am Südufer. Vor einem Jahr war es in Kasachstan das Nordufer (wo wir beinahe den Wagen im matschigen Ufersand eingesumpft haben). Wir sind wieder im feucht-heissen Klima angekommen. Es ist ein heilloses Verkehrschaos und die Nachtplatzsuche wir etwas nervenaufreibend, bis wir schlussendlich neben einer Villa einen ruhigen Stellplatz bekommen. Die Villa ist von einer Gruppe Irakern und einer Gruppe Iraner gemietet. Wir werden mit Einladungen (Ta'arof?) überhäuft, werden mit Tomaten, Gurken und Zwiebeln für's Nachtessen beschenkt und kriegen einen Teller mit Melonenstücken offeriert. Sie sorgen sich darum, dass wir Mücken im Auto haben könnten und wir sollen doch bei ihnen schlafen. Es ist wirklich rührend, denn sie meinen es ernst. Nach dem Nachtessen wäre eigentlich Blogschreiben am Ufer angesagt, der PC ist aber noch nicht mal richtig aufgestartet schon gesellt sich der Trupp von Irakern dazu und es gibt eine spannende wenn auch wenig ergiebiges Gespräch - wir können keine gemeinsame Sprache sprechen. Wir wissen nun aber, dass alle drei bis sechs Kinder daheim haben und sie hier sechs Tage Urlaub machen - ohne Frauen. Sie fragen zum Scherz, warum wir nicht nach Irak zu Besuch kommen... ein Andermal vielleicht?

Ein Streitpunkt ist, ob das Kaspische ein Meer oder ein See ist. Es ist der grösste See der Welt und mit rund 1100km Länge 5x so gross wie der Lake Superior in den USA. Die Entscheidung hat vorallem für die immensen Schätze im und unterhalb des Wassers Folgen: Als See müssen die gewonnen Ressourcen gleichermassen geteilt werden, als Meer gibt es plötzlich Probleme mit den Besitzansprüchen. Der Seespiegel ist 26m unter dem Meeresspiegel und so gibt es keinen Ausfluss, sprich der See kann sich nicht selbst reinigen. All die Öl- und Gasgewinungsarbeiten hinterlassen Spuren, die sich über die Zeit kumulieren. Wer hat's gewusst? Offenbar sind 95% des Kaviar-Weltbedarfs aus dem Kaspischen Meer gefischt, lokal aber kaum was davon erhältlich. Alles geht in den Export.

 

18.08.2013

Masuleh

Mit Meeresrauschen aufwachen hat schon Qualität. Nach dem Frühstück am noch unbelebten Ufer packen wir unsere sieben Sachen und fahren los. Es klebt schon wieder alles am Leib vor lauter Schwitzen. Die Küstenstrasse ist wenig prickelnd und man sieht das Wasser kaum. Und wenn man es sieht, darf man nicht einfach reinspringen und herzhaft planschen, Mann und Frau macht das normalerweise an getrennten Stränden und Frauen in Vollbekleidung. Darum geht's rasch weiter - was sollen wir mit dem Meer sonst anfangen?!

Der Verkehr ist anstrengend da auf drei Spuren allerhand Blödsinn gemacht werden kann und man eigentlich auf keiner davon wirklich vorankommt. Links muss man unvermittelt abbremsen, weil sich der Vordermann nun doch für einen U-turn entschieden hat und rechts parken die Fahrzeuge auf ein bis zwei Spuren, halten zögerlich an oder wollen sich doch ohne auf eine Lücke zu warten in den Verkehr eingliedern - oder sie entscheiden sich von rechts über zwei Spuren doch noch einen U-turn in den Gegenverkehr zu machen.

Der Gemüsehändler versucht wie üblich zu hohe Preise zu verlangen und die Cookies aus der Bäckerei sind auch kein Erfolgserlebnis. Unterwegs hat sich mal wieder ein Auto aufs Dach gelegt und es sieht übel aus, der Fahrer muss wohl noch drin eingeklemmt sein. Das erinnert uns daran, dass Iran in der Unfallstatistik ganz weit oben zu finden ist. Also wieder Fokus auf den Verkehr. Es gibt keinen einzigen Coffee-Shop oder ähnliches, wie man diese in Touristenorten üblicherweise vorfindet. Nur Teehäuser, die doch nicht so zum gemütlichen Verweilen einladen.

Wenigstens finden wir in einem kleinen Markt Aceto Balsamico aus Modena, Rittersport und sonst noch so ein paar Raritäten und der Tag nimmt eine gute Wende. In Fuman gibt es noch die speziellen Cookies mit Baumnussfüllung und wir finden sogar noch ein Teehaus, welches uns extra einen Kaffee herbeizaubert (Schande über uns, aber als Muntermacher funktioniert das immer noch am Besten). Der Wirt geht extra in den Markt nebenan, um uns zwei Nescafe-Beutel zu organisieren. Das ist Service!

Die lokale Spezialität von Fuman: Biskuit mit noch warmer
Baumnussfüllung

Von der gesehenen Sorte Küste haben wir noch ein paar hundert Kilometer vor uns, so schauen wir uns lieber Dinge an, die es dort nicht gibt: Masuleh, ein uraltes Bergdorf, so steil an die Hänge gebaut, dass die Dächer zu Fusswegen für die nächst höhere Gasse werden. Dieses Dorf ist gut in Schuss und dementsprechend attraktiv zu besuchen. Wir sind aber nicht alleine... Es gibt viele Touristen, Souvenirshops, hübsche Restaurants mit herrlich duftenden Kebabspiessen im Angebot und einige Fotostudios, die Kunden in traditionelle Kleidung stecken und entsprechend ablichten.

An die steilen Berghänge gebaut: Masuleh's enge Bauweise erfordert, dass
alle Hausdächer auch zugleich als Gehwege und Terrassen für die dahinterliegenden
Hausreihen ausgelegt sind

Des einen Dach überm Kopf ist des Andern Gehsteig oder Terrasse -
eine gewagte Bauweise für die jahrhundert alte Stadt

In dieser Gegend wird auch rund 90% des Teebedarfs des Irans produziert. Erstaunlich daran ist, dass die Teeproduktion nicht älter als 100 Jahre ist und erst nach mehreren Versuchen angesiedelt werden konnte. Persien das Teeland?!

Unscheinbare aber sorgfältig gepflegte Teeplantagen

Gut Ding will Weile haben: Wir müssen zwar lange aufs Essen warten, werden
dafür aber mit sehr guter Küche und einem unbezwingbaren Berg von Essen eingedeckt.
Der Kebab ist das beste Fleisch, was wir seit Monaten vorgesetzt bekommen haben.
Preis für alles: 7.5 CHF

 

19.-21.08.2013

Tabriz

Das ist einer der besseren Nachtplätze im Iran und wir kosten dieses Fleckchen aus - wir wissen noch nicht, wie weit wir heute fahren werden...

Schattiger Nachtplatz für uns alleine, so ist es uns recht

Ein Taxifahrer hat uns gestern eine Route erklärt, die uns weg von der Küstenstrasse über eine wenig befahrene aber frisch sanierte Route in die Berge und zurück ins Flachland bringen wird. Von unter dem Meeresspiegel fahren wir so auf über 2500m hoch durch eine hübsch bewaldete und kaum besiedelte Gegend. Unglaublich aber wahr: Es gibt hier oben so dichten Nebel, dass man die Kurve erst erkennt wenn man drin ist. Die Autofahrer fahren alle mit Pannenblinker (und oft ohne Licht) durch die Suppe in der Hoffnung, man sieht sie so besser.

...wer hätte gedacht, dass wir einmal "Nebel" fotografieren würden?!

Wir lernen hier auch den dümmsten aller Trucker kennen: Im Nebel tauchen plötzlich vier Lastwagen-scheinwerfer vor uns auf - nebeneinander! Da überholt doch tatsächlich so eine Niete bergwärts fahrend in einer unübersichtlichen Kurve und bei kaum 10 Meter Sichtweite einen anderen Brummi! Mit einem beherzten Schwenker an den Strassenrand bringen wir uns in Sicherheit, der Brummi macht eine Vollbremsung. Dümmer gehts wirklich nicht... es schafft immer wieder einer, gedachte Grenzen herabzusetzen und sich mit einem Inder den Platz des allerdümmsten Truckers in Asien streitig zu machen.

Über mehrere langgezogene Passstrassen fahren wir durch die Kornkammer Irans, wie wir annehmen. Effektiv stundenlang begleiten uns riesige Kornfelder über geschwungene Hügelketten und es wird wieder trocken und heiss.

Kornkammer Irans auf dem Weg nach Tabriz

Irgendwie haben wir was verpasst unterwegs und wir kommen zu weit südlich heraus - Grund genug nochmals 200km anzuhängen und direkt nach Tabriz zu fahren. Die Autobahn bringt uns schnell und sicher an die Stadtgrenze. Bei allen Mautstationen werden wir mit einem freundlichen "where do you come from?" und "go!" umsonst durchgewunken! Man freut sich über Kleinigkeiten an so einem Fahrtag, das macht rund 20'000 Rial unter der Rubrik "unerwartete Einnahmen".
Unfallprävention macht die Polizei hier mit realen Beispielen: Sie stellen zerfledderte Fahrzeuge auf einen Sockel am Strassenrand, manchmal hängen sie sogar noch eine blutverschmierte Puppe aus dem Fahrzeug so, wie der bedauernswerte Fahrer an der Unfallstelle vorgefunden wurde. Wer mehr wissen will: Manchmal gibt es sogar noch kleine Bildlegenden dazu. Ob's was bringt? Wir wagen es zu bezweifeln...

Tabriz ist dann die böse Überraschung! Nach 460km und bei Abenddämmerung erwartet uns das schlimmste Verkehrschaos, das wir wohl zuletzt in Ulaan Baatar erlebt haben: Stau, Gedrängel um Zentimeter, Abkürzungen links um den Kreisverkehr,... Tarbiz hat ein Verkehrsproblem! Dann die zweite böse Überraschung: Unser Hotel ist ausgebucht und wir müssen weiter suchen. Der Parkwächter gleich daneben will nicht, dass wir auf seinem Parkplatz im Auto übernachten und es gibt kaum Alternativen ausser den Hinweis von anderen Reisenden, dass die "Blue Mosque" einen schönen Park für Overlander hat. Dritte böse Überraschung: Da ist nichts mehr ausser eine riesen Baustelle - die Info ist ein Jahr alt. Trotzdem stellen wir uns neben die Hütte des Nachtwächters, genug gefahren für heute. Später realisieren wir dann auch, dass es die Blue Mosque in Istanbul war... die gibt's ja überall hier!!

Und so sieht ein wenig beliebter Nachtplatz aus - aber irgendwann
hat man in diesem Verkehr keine Lust mehr zu suchen

Ein junger Mann spricht uns an, er arbeitet gleich nebenan und bietet uns seine Hilfe an. Er übersetzt dem Parkwächter, was wir hier machen und so können wir Toilette und Wasser benutzen, wir werden zu einem Chai in seiner bescheidenen Hütte eingeladen und für morgen ist bereits für Türkischen Kaffee gesorgt. Das ist doch was!

Die Baustelle brummt schon lange um uns herum, als wir Frühstücken. Pünktlich kommt uns der Besucher von gestern Abend abholen und wir gehen in sein Büro, plaudern ein bisschen. Wir lernen jetzt nach erst drei Wochen die Frage zu verstehen: "Why are you visiting Iran?" Übersetzt: Warum kommt ihr aus anarchischen Ländern, wo man ohne Probleme Alkohol und Drogen konsumieren, Frauen unverschleiert betrachten, am Strand unverhüllt baden oder ohne Repression unter Androhung der Todesstrafe der Regierung leben kann? Hmm, so gesehen müssen wir wohl unsere Antwort überdenken. Vielleicht um die "Anarchie" mehr zu schätzen? "Do you have police in Switzerland?" "Ähm... guess so?!"
(Anmerkung: In Iran werden nach China offenbar immer noch am meisten Todesstrafen vollzogen...)

Auch lernen wir, dass im Iran wie an vielen Orten zuvor eine starke Urbanisierung stattfindet und so viele wenig oder ungebildete Leute in die Stadt kommen. Das erklärt teilweise auch die Fahrweise der Automobilisten - sie haben es schlicht nie anders gelernt auf dem Land. Hinzu kommt eine grosse Welle von Gesundheits-Touristen aus den angrenzenden Nachbarländern, die die günstigen und hochwertigen Leistungen des hiesigen Gesundheitswesens nutzen. Für das Geld, was sie daheim nur schon für die Konsultation mit dem Arzt auf den Tisch legen, kriegen sie hier die Reise, Unterkunft, Konsultation und klinische Versorgung gedeckt.

Tabriz ist eine äusserst geschäftige Stadt und die Strassen sind voll von Menschen, die ihren Dingen nachgehen. Wir besuchen erstmals die Überreste der Blauen Moschee und der dahinter liegenden Grabstätte, welche beim Beginn der Bauarbeiten entdeckt und sorgfältig freigelegt wurde. Sie ist rund 3000 Jahre alt und hat in 4 Meter Sedimentsschichten eindrückliche Zeitzeugen hinterlassen. Es wird gesagt, dass hier das erste "Liebende" Paar begraben ist. Die Skelette umarmen sich - und haben es so 3000 Jahre nach dem vermutlich tragischen Unglück ins Nationalmuseum geschafft.

Blue Mosque - oder das was davon noch übrig ist

3000 Jahre alte Grabstätte gleich hinter der blauen Moschee - erstaunlicherweise
gratis zu besichtigen... wo gibt's denn noch sowas?

Nach dem Einquartieren ins Hotel ziehen wir dann los um den Basar aufzusuchen. Er ist der weltweit grösste, überdachte Basar und deckt eine Fläche von rund 7 Quadratkilometern ab - ein Labyrinth! Es werden primär Teppiche, Knüpfarbeiten, Stoffe, Garne, Schmuck und Kupferarbeiten angeboten. Es hat zwischen den Gängen immer wieder Gebetsräume, Innenhöfe, Nischen, ... hier kann man sich gut verweilen - oder eben verlaufen. Die Träger mit ihren Trolleys stechen zügig durchs Getümmel um die Waren an andere Orte zu bringen. Es wird überall gefeilscht, Ware mit Argusaugen betrachtet, Tee getrunken. Das ist der schönste Basar und löst den von Esfahan ab - aber hier einkaufen wäre für uns eine Qual - zuviel Auswahl!

"Fashion is for Man" - We disagree!

Der Tabriz Basar - der mit rund 7qkm grösste überdachte Basar der Welt ist
ein Wunderland für sich...

... wo man alle Arten von Teppich- und Knüpferzeugnissen, Ausgangstoffen...

... dafür und natürlich auch Schmuck und Kupferarbeiten finden kann.

Ob die Restaurierung von über hundert Jahre alten Teppichen wirklich
nur mit Buntstiften und Feueranzünder gemacht werden kann?
Hoffentlich wissen das die amerikanischen Besitzer, die dieses Stück
hier restaurieren lassen...

Es ist ein eigenes Universum und man kann sich lang drin
verweilen...

...und zum Beispiel die hart arbeitenden Träger beobachten.
Es ist kein Vergnügen, durch die engen, holperigen und überfüllten
Basargänge Waren auf den Karren zu transportieren

Die Suche nach einem guten Nachtessen ist hier schwierig. Nachdem die Ratschläge des Lonely Planet aufgebraucht oder nicht mehr existent sind bleibt die Wahl zwischen Kebab und Kebab, Pizza oder Burger. Ist das wirklich alles, was die persische Küche zu bieten hat? Ein Passant meint dazu nur, dass das wirklich gute Essen nur daheim zu finden ist. Ob wir mitkommen wollen? Wir lehnen dankend ab.

In dieser Gasse gibts alles, was Fastfood zu bieten hat - und zwei Shisha-Stuben, wo die
Männer dicht gedrängt selig an ihren Pfeiffen saugen. Sieht recht komisch aus und erinnert
irgendwie an Gassenstuben...

Früh übt sich, was ein gu... - ein Autofahrer werden will. Es gibt
mehrere Geschäfte, die nichts als diesen Plastikschrott (inkl. Fernbedienung
für Papi, der soll auch seine Freude daran haben) verkaufen.

 

Wir geben Verlängerung ein, es gibt zuviel Büroarbeit, die erledigt werden muss. Aber Dokumente Drucken und Scannen müssen wir trotzdem ausser Haus und da ist man schon wieder mitten im Trubel und erlebt so Episödchen:

Heute machen wir Probe auf's Expempel: Kann ein Coiffure Fabias Haare schneiden? Die Antwort ist nein, der Coiffure kriegt Ärger mit der Polizei, wenn er ihre Haare anfasst. Dafür muss man einen speziellen Ort finden, hinter geschlossenen Türen - so können die Haare dann auch ohne zu verdecken von Frauen geschnitten werden...

Im gross angeschriebenen Coffeeshop wollen wir ncoh einen richtigen Kaffee aus Brasilien trinken doch die erstaunliche Antwort des Kellners ist, dass sie wohl kalte Getränke, Eiscreme und Snacks hätten aber Kaffee gibts im Sommer nicht - es ist nicht Saison. Hmm - alle Iraner trinken heissen Tee?! Wir werdens nicht verstehen und verlassen den ???shop und machen uns auf ins Hotel...

Dafür hat der junge Mann im Printshop uns den Ausdruck der Steuererklärung umsonst erledigt und auch das mit dem Scannen lieft ganz fix. Und der Geheimtipp Gorbie Cookies zu probieren lohnt sich auch, die sind wirklich die besten Backwaren, die wir in Tabriz gekostet haben.

 

23.08.2013

Jolfa

Ausreise

Der letzte Tag im Iran ist wieder ein Freitag, also Sonntag. Die Strassen sind angenehm unbelebt und wir kommen ohnen Hektik aus der Stadt. Gestern haben wir im Facebook gepostet, dass die Menschen im Iran unglaublich freundlich und hilfsbereit sind. So sieht also ein ganz normaler Tag aus:

Während Dino den Wagen startklar macht geht Fabia vis-à-vis Brot kaufen. Dort stehen nur Männer an und der Nachschub mit fertig gebackenem Brot ist zu langsam. Die nächsten fünf Brote sind ready und der Mann zuvorderst in der Kolonne winkt Fabia an den anderen Männern vorbei um ihr den Vortritt zu gewähren.

Noch in der Stadt fahrend schliesst ein Stadtbuss bei einem Rotlicht auf und der Chaffeur fragt durchs Fenster: "Do you might need help?" Es ist schon grün geworden und wir blockieren zusammen die Kreuzung aber das schert ihn nicht. Nein, wir alles ok. Merci!

Wir verlassen die Stadt und ein Trucker schliesst auf, überholt, wir überholen, dann wieder er - am Schluss verlangsamt er auf der innersten der drei Spuren (wir sind auf einer Autobahn) und wir halten direkt neben ihm auf der zweiten Spur. Er freut sich und gibt uns seine Visitenkarte, für den Fall der Fälle.

Kurze Zeit später auf der Autobahn fährt ein PW an uns vorbei und der Fahrer winkt uns auf den Pannenstreifen. Offenbar selbst überrascht von seinem Mut fragt er uns aufgeregt, ob wir Hilfe bräuchten, ob alles ok sei.

Irgenwann hat uns ein schmucker Nissan Patrol überholt und der wartet rund 50km ausserhalb der Stadt auf uns, winkt uns auf den Parkplatz. Sie möchten, dass wir mit ihnen Mittagessen. Und zu ihnen nach Hause kommen, ... wir können uns schliesslich durchsetzen und lassen uns "nur" auf einen Tee einladen. Wir fahren von der Strasse ab und landen ein paar Minuten später auf ihrem kleinen Grundstück und sogleich wird Decke ausgelegt, Gaskocher angeworfen, Fruchtschale, Snacks, Lunch und weiss der Kucker was noch alles aus dem Auto ausgeladen und bereitgestellt. Sie haben so grosse Freude, dass wir bei Ihnen zu Gast sind! Er ist Automechaniker und will natürlich viel über unsere alte Lady erfahren, putzt schlussendlich sogar noch die Frontscheibe für uns. Bevor wir uns loseisen können packt sie gleich noch unsere Lunchportion zusammen - Wiederstand ist zwecklos, es kommt einfach von Herzen. Wir fahren nach eineinhalb Stunden los und gerade kreuzen uns ein paar Fahrzeuge, das wird wohl der Rest der Sippe sein, der sich mit den beiden verabredet hat. Glück gehabt, 10 Minuten später und wir wären nie losgekommen.

Mahtab and Hossein machen unseren letzten Tag im Iran wieder zu einem besonderen Tag

Wir kommen in Jolfa vorbei wo wieder hunderte von Fahrzeugen am Strassenrand stehen und die Insassen - na was wohl? - picknicken. So tun wir es ihnen gleich und essen uns duchs Lunchmenu von Hossein und Mahtab. Je zwei Semmel mit Pouletschenkel und einer anderen Füllung, Pfirsiche, Pflaumen, Äpfel, Sonnenblumenkernen und eine Flasche Cola. Wir können es wieder kaum fassen...
Und wieder hält ein Wagen und der Fahrer fragt uns, ob alles ok ist oder ob wir was brauchen.

So sieht hier eine Raststätte aus: Kleine Hüttchen überall verteilt, oft kann mand direkt mit
dem Auto davor parkieren. Die hier ist neu und noch ziemlich dünn bevölkert...

Jolfa liegt bereits an der Grenze zu Azerbaijan, wir müssen aber noch rund 60 km nach Westen fahren, um dort nach Armenien zu gelangen. Die Landschaft ist wieder bergig und fast etwas vom Schönsten, was wir im Iran gesehen haben. Aber es ist eine starke Armeepräsenz zu spüren und Fotografieren unerwünscht. Der Grenzkonflikt ist nicht mehr Nord-Süd wie früher sondern Ost-West, also zwischen Armenien und Azerbaijan. Es ist aber seit einigen Jahren Ruhe, auch wenn nur an der Oberfläche.
Von hier wurden übrigens all die Armenier durch den Schah nach Esfahan verschleppt, um dort gutes Handwerk zu etablieren. Wir fahren auch am Gebirge vorbei, wo einstmals die Arche Noah angeschrammt habe...

Nach Jolfa fährt man dem Aras Fluss entlang, welcher den Iran von Azerbajian und
Armenien trennt. Armenien trennt wiederum Azerbajian höchst sonderbar in eine
kleine Enklave westlich und das Land selbst östlich davon auf... darum sind die Länder
bis heute heftig Verfeindet.

Linker Fels ist Azerbajian, rechter Fels ist Iran - und Fotografieren ist auf der
ganzen Grenzflussstrecke unerwünscht

Irgendwo unterwegs staut sich der Verkehr kurz und die meisten Autos biegen rechts ab - hier geht es zu einem Wasserfall. Alte Hasen wie wir nun sind wissen wir: Es ist Sonntag (Freitag), die Iraner haben frei und alle gehen zu einem Wasserfall. Vor dem Wasserfall gibts Blechstau und Staublunge, worauf wir problemlos verzichten können.

20km vor dem letzten Grenzübergang ist die letzte Tankstelle und wir dieseln voll auf - wir werden damit bis in die Türkei kommen und viel Geld sparen - wir bezahlen 17 CHF für 160 Liter!

Der Grenzübergang ist sehr ruhig. Da Sonntag ist, ist kaum was los und beim Pförtner pennen sie schon mal im Häuschen drin. Es braucht vier Nasen um herauszufinden, dass das Carnet nicht ihr Ding ist. Wir sollen ins Zollgebäude. Dort sagt man uns, wir müssen erst die Pässe ausstempeln und die Stempelnase macht gerade Siesta. Danach dreht er ziemlich Ahnungslos die Pässe in seiner Hand, schafft es aber doch noch sie abzustempeln. Dann führt man uns ins Zollgebäude wo dann auch fachmännisch das Carnet abgeschlossen wird. Beim Exit hängen auch drei Gesichter rum und wollen noch so eine Fackel und beim letzten Gate müssen nochmals die Pässe gezeigt werden. WIR SIND DRAUSSEN und fahren über die Brücke nach Armenien.