Indien
(14.03.2013 bis 12.05.2013)

14.-22.03.2013

Chennai

(Staat Tamil Nadu)

Vier Stunden nachdem wir in Singapur abheben überfliegen wir die ostindische Küste und landen kurze Zeit später morgens um halb acht in Chennai. Hier sind wir nun also. In Indien. Wir haben gemischte Gefühle, da wir noch nicht so recht wissen, wie wir auf dieses Land reagieren werden. Indien ist mit 1.2 Mrd. Einwohner nach China das zweitbevölkerungsreichste Land und bezüglich Einwohnerdichte sogar das dichtestbevölkerte Land. Auf einem Quadratkilometer tummeln sich 380 Inder, während es in der Mongolei 2 sind (würde man die Kühe und Schafe zählen, sähe die Billanz dort allerdings anders aus. Aber man will ja nicht Äpfel mit Birnen vergleichen). Das sind also 190 mal soviele Menschen wie in der Mongolei und gut doppelt soviele wie in der Schweiz. Es sind sehr VIELE! Heute zählt das Land alleine rund 26 mio. Geburten pro Jahr und damit 1/5 der weiltweit rund 130 mio. Geburten.

Safety Instructions an Bord des Fliegers von IndiGo - das Bild
unten rechts irritiert... Lippenstift? Wofür?!

Hoch über dem Golf von Bengalen

Wir verlassen den Flieger, welcher mit unterschiedlichsten Gerüchen angereichert ist. Das Flughafen- gebäude ist schmuddelig und ziemlich karg ausgestattet. Die Passkontrolle geht aber ohne grosse Probleme vonstatten und das obligate Foto ist schnell gemacht. Das Gepäck lässt auch nicht lange auf sich warten und auch der Zoll passieren wir problemlos. Wechselstuben gibt's zwar, aber niemand ist am Schalter. Wir sollen uns an einem Aussenschalter anstellen, so ein Anwesender. Wir wackeln also aus dem Flughafengebäude und staunen über die Massen von Menschen, die da auf irgendjemanden oder irgendetwas oder einfach so da warten. Nur keiner mit einem Schild wo unsere Namen draufstehen. Der Transfer wird wohl nicht klappen. Never mind, wir müssen sowieso erst Geld wechseln. Doch erst beim dritten Exchange-Aussenschalter finden wir auch jemanden vor, der uns die letzten Singapur Dollars wechselt. Da noch immer niemand nach uns Ausschau hält suchen wir den Prepaid-Taxi-Schalter auf und erhalten dort ein Ticket. Er will natürlich auch etwas für die Benutzung seines Telefons, welches wir zur Rückfrage im Hotel benutzt haben: Wir sind in Indien, ein erwartungsvoller Blick mit leicht seitlich wackelndem Kopf gehört hier zu jeder "Dienstleistung".

Das Taxi hat viele Jahre auf dem Buckel und sticht mit uns in den Verkehr. Die Türen lottern, und der Motor ruckelt. Hier fahren zu lernen ist einfach: Hupen und drängeln und mit der Hand aus dem Fenster winken, wenn man mal abbiegen will und primär gilt: Blick geradeaus. Es ist viel los und man kommt kaum vorwärts. Aber alle rund um uns herum sind voll bei der Sache und wir haben Spass beim Beobachten der Verkehrsmasse - jetzt sind wir noch nur Beobachter.

Weit und breit keine Touristen, so mögen wir es. Nur zeitweise kommt so das ungewohnte Gefühl der Hilfslosigkeit auf- diese Stadt, dieses Land fordert von uns wieder komplett neue Orientierungsansätze. Das äussert sich zum Beispiel mit der Erledigung nur der wichtigsten 4 Tagesziele: Genug Wasser trinken, Hunger stillen (und Nährstoffe auch behalten), lokale SIM-Karte für Mobiltelefon besorgen, Shipping Companies anrufen.
Wir wandern von einem Telefonshop zum andern, werden weiterverwiesen mit der Aussage, dass "Foreigner" eine Referenzadresse im Land benötigen, Passkopien und Visa-Kopie im Doppel, blablabla.
Am Schluss haben wir keine Lust mehr und ein Tuktuk bringt uns zurück zum Hotel. Und siehe da, gerade neben dem Eingang gibt's auch so einen Laden. Und oh Wunder, ohne zu zögern kriegen wir die SIM Karte und es braucht nicht einmal Referenzdokumente oder die drei Tage Aufschaltfrist. Müssen wir das verstehen? Wir erreichen noch einige der Shipping Companies und müssen uns an das i-Englisch gewöhnen. "i" für Indisch-Englisch. Wir brauchen wohl noch bis Nepal, um auch das verstehen zu
können - und wir sehen am Telefon nicht einmal die wackelnden Köpfe, die uns nur ablenken.

Gut haben wir in George Town, Malaysia schon die ersten Indischen Restaurants besucht und haben so schon ein höheres Einstiegslevel in der Wahl des Menüs. Wir essen gut und fragen auch Inder um uns herum, wie denn das heisst, was auf ihrem Teller liegt und bestellen dann das gleiche zum probieren. Wir fassen aber weder das aufgetischte Trinkwasser im Chromstahlbecher an, noch das Besteck und essen pflichtbewusst mit der rechten Hand. Nicht denken, nur machen. Und was kommen muss wird kommen.

Mixed Vegetable Parotha und Masala Dosai. Besteck ist Dekoration in solchen Restaurants.
Nicht alle Inder essen aber von Hand

Der Abendspaziergang ist schon eine Erfahrung für sich: Überall liegen Menschen ungeschützt am Boden und schlafen dort, wühlen im Abfall, kaufen oder trinken Alkohol - die Armut ist ein Problem und wie nirgendwo zuvor präsent. Diese Leute haben einfach NICHTS.

Sie müssen einen vorzüglichen Schlaf haben, die Inder. Sie können wirklich direkt
an der Strasse neben den hupenden Autos liegen und schlafen.

Für den ersten Tag ist unsere Energie aufgebraucht und wir ziehen uns ins Hotel zurück. Wie erwartet ist Chennai sehr laut, hektisch, dreckig und chaotisch - der Wechsel von Monaten in Thailand, Malaysia und Singapur hierher ist frappant und wir sind sozusagen verweichlicht davon. Fürs nächste Mal wollen wir auch mit etwas mehr als nur 2-3 Stunden Schlaf so ein Abenteuer in Angriff nehmen. Das ist sicher gut für die Stimmung.

Egmore Station kurz vor dem Eindunkeln - die erste Nacht in Indien steht bevor.

(15.03.2013) Die Nacht ist gut überstanden und die Batterien wieder voll, so machen wir uns übers Frühstücksbuffet her. Es gibt Pancake, Früchte, Toast und Kaffee neben den indischen Gerichten, die aber auch probiert sein wollen. Im Anschluss wechseln wir das Hotel, weil wir während dem gestrigen Irrlauf was hübscheres entdeckt haben. Wir handeln den Tuktukfahrer auf die Hälfte des angebotenen Preises herunter und steigen schlussendlich ein. Das YWCA International Guesthouse hat auch zufällig einen Mitarbeiter, der Tuktuk fährt und erst am Nachmittag Dienst hat. Sam (heissen die alle gleich?) ist freundlich, will aber erst nach der Rückkehr einen Preis vereinbaren. Fair enough, wir wissen ja selbst noch nicht, wo wir überal hinfahren.

Wir wollen heute drei Agenturen abklappern und vor Ort mit ihnen sprechen. Mit unserem GPS und dem Tukituki-Man finden wir diese eigentlich alle auf Anhieb. Hier wackeln überall die Köpfe, wo wir hinkommen und es macht Spass, mit den Indern über den Auslad des Fahrzeugs zu verhandeln. Zwar gefallen uns die Preisvorstellungen noch nicht, aber zumindest kriegen wir ein gutes Gefühl für die Agenten. Eine Agentin wollen wir spontan irgendwo unterwegs treffen und daheim sagt man einfach, wann man sich in welchem Hotel oder Restaurant treffen will. Nur geht das hier ohne die Ortskenntnisse nicht so einfach - aber dafür haben wir ja das iPad mit Karte und Restaurants drauf und wir finden auf der Karte eines, welches gut gelegen scheint. Das Treffen klappt und wir haben nun Angebote im Range von 800 bis 2200 USD. Spannend, alle reden von demselben Container.

Mit dem Tag zwei sind wir wesentlich zufriedener, nur unsere Ladung kommt leider nicht wie erwartet am 16. sondern erst am 18. März an - das ursprüngliche Schiff musste in Port Klang, Malaysia, ersetzt werden, da es "Stabilitätsprobleme" gab... wir wollen nicht genauer wissen, was das bedeuten kann. Es wird uns aber später erklärt, dass dies eine gängige Floskel für eine Überbuchung ist. Danke schön, so genau wollten wir das gar nicht wissen.

Die Fahrt im Tuktuk ist schon ein Erlebnis. Erstens hat man Zeit, all die vorbeirauschenden ... oder eher langsam tuckernden Bilder aufzusaugen. Es ist, um es vorweg zu nehmen, keine Augenweide. Abfall, Randexistenzen und bröselnde Gebäude werden nur durch Schlaglöcher oder spontane Fahrmanöver unterbrochen. Trotzdem ist es spannend, die Menschen zu beobachten, die sich in diesem System hier bewegen.

Tuktuk zu tausenden - alle in Gelb. Und viele davon von Piaggo, dem
italienischen Hersteller der Vespa.

Hübscher Dekorationsgegenstand, den alle Tuktuks
haben - einen Taxometer. Aber wirklich keiner braucht den...

(16.03.2013) Wir fahren wieder ins "Parrys", das Quartier nahe dem Hafen. Die letzten zwei Agenten stehen auf dem Plan und danach müssen wir uns für einen entscheiden. Wir fahren wieder mit Sam, der dieselbe Strecke fährt. Er wartet jeweils auf uns und wir rechnen Pauschal ab. Die Fahrt enthüllt mehr Details und wird sicher nicht langweilig. Entlang der Hauptstrasse sind Hütten armer Leute, die sich kein festes Dach über dem Kopf leisten können. Randexistenzen bekommen hier plötzlich einen traurigen Realitätsbezug: Sie leben am Strassenrand, weil es für sie keinen anderen Ort gibt.
In den engen Strassen des Parrys fahren laut hupend und drängelnd Ochsenkarren, Kleinlaster, Autos, Tuktuks, Motorräder... einfach alles was Räder hat. Der Verkehr bewegt sich kaum. Auf Troittoirs stehen Holzkarren, wo Menschen drauf sitzen, schlafen, Körperpflege machen oder Kinder, welche spielen. Dazwischen sind auch immer wieder "Kleinstwohnungen", sprich Hütten aus Abfall, worin sie leben. Trotzdem fühlen wir uns nicht unsicher, wir beobachten einfach aufmerksam.

Einfachste Hütten entlang der Strasse

Pinkelpause - einfach jede Wand muss hinhalten

Warten auf den Bus

Muskelkraft ist immer noch sehr präsent

Tag der "Ruhe" - das müssen wir wohl
überhört haben (ganzer Artikel)

Die Tuktuk Logik funktioniert ganz einfach. Man fährt grob in die Gegend, wo man die gesuchte Strasse vermutet und fragt dann lokale TukTuks, wo denn das gesuchte Ziel genau liegt. Die Kreise werden so immer enger. Nur muss man eines berücksichtigen: Die Strassen werden offenbar öfter umbenannt oder umnumeriert, was entsprechend den Komplexitätsgrad der Suche erhöht. So lautet dann die Frage: "neue oder alte Nummer?" Darauf weiss weder das iPad, noch die Webseiteninformation noch der Tuktukfahrer eine Antwort - der Telefonjoker muss gezogen werden, wenn nötig mehrmals.

Spannend an dieser Art der Reise ist, dass man Dinge erledigen muss, die kein normaler Tourist benötigt. Aber gerade der Einblick ins Arbeitsleben dieser Menschen, die Büros in denen sie arbeiten oder eben wie sie arbeiten ist schon sehr eindrücklich. Stromausfälle sind täglich zu erwarten, Computer stehen auf den wenigsten Arbeitsplätzen und das Tempo ist rasant - nein, nicht das Arbeitstempo sondern das der Deckenventilatoren. Die Arbeitskräfte können auch einfach dasitzen oder einander beim Nichtstun zusehen. Ob sie dabei denken oder im Sleep-Modus sind ist nicht zu erkennen. Wo kann man hier wieder auf normale Abspielgeschwindigkeit umstellen? Der Fairness halber müssen wir aber auch die anderen erwähnen, die sehr wohl geschäftig sind, nur einfach mit anderen Hilfsmitteln, als wir sie kennen. Unvorstellbar für die meisten Europäer, unter solchen Bedingungen zu arbeiten...

Das Shipping-Office Nummer vier ist trotz viel Blabla ein no-go. Und nur mit Überwindung wollen wir Nummer fünf auch noch aufsuchen. Govias & Sons im Catholic Centre Annexe. Mr. Govias lässt zwar etwas auf sich warten, der Empfang war dann aber sehr freundlich und sein Englisch ist einwandfrei. Er macht eine kurze Handkalkulation und gibt uns seinen Preis an. Zwei Posten sind fremdbestimmt, er muss dafür erst noch die Frachtführer kontaktieren. Alles in allem haben wir einen guten Eindruck, wollen aber noch bis am Abend abwarten, welche schriftlichen Angebote von den übrigen 4 eingereicht werden. Dann entscheiden wir.

Handschriftliche Offerte - wir sind gespannt, ob
das so klappt.

Wir wollen uns mal bezüglich Lebensmitteleinkauf schlau machen und suchen einen Supermarkt. Wir finden heute aber nur einen kleineren Markt, wo wir aber schon vieles für unseren Grundstock finden können. Das ist gut zu wissen. Aufbereitetes Wasser haben wir auch schon auf Karren durch die Strasse fahren sehen, die brauchen wir also nur zu stoppen und den Tank aufzufüllen.
Restaurants sind hier nicht so dicht gesät, und so steuern wir ein "Woodlands" an, welches wir schon von George Town, Malaysia kennen. Das liegt übrigens gerade neben dem Domino's Pizza... nur für den Fall, dass wir das hier mal probieren wollen. Auf dem Heimweg beobachten wir einen kleinen Jungen, der mit grossem Respekt in einen kleinen Gebetsschrein geht um dort vom Hüter dieses Schreins einen Segen und viel wichtiger, etwas zum Naschen zu holen. Er strahlte danach stolz übers ganze Gesicht.

(17.03.2013) Sonntag ist auch bei den Logistikern Ruhetag und so können wir uns voll und ganz dem Thema Chardiasis zuwenden. Über Nacht haben sich bei Fabia die Parasiten bemerkbar gemacht, welche man auch durch Staub aufnehmen kann. Sie machen sich mit starken Bauchkrämpfen und Durchfall unverkennbar bemerkbar. Gut, wissen wir schon von anderen Reisenden, mit welchen Medikamenten wir auffahren müssen und die kriegen wir auch problemlos in der nächsten Strassenapotheke. Pillen kauft man hier übrigens nicht in Schachteln, sondern in den Blisterchen, die in der Schachtel drin sind. Man kann genau so viele Pillen kaufen, wie man braucht. Eigentlich praktisch... bloss kaum im Sinne der Pharmaindustrie.

Das Flanieren auf dem Gehsteig ist alles andere als romantisch. Die überwiegende Zeit geht man auf der Strasse, da der Gehsteig kaputt, zugemüllt oder anderweitig zweckentfremdet und auf jeden Fall sehr uneben ist. Beim auf der Strasse gehen muss man ziemlich bei der Sache sein, von allen Seiten schwirren die Vehikel um einen herum. Passanten sind hier die letzten in der Nahrungsmittelkette und so will jeder Schritt bedacht sein. Wir finden doch noch ein Supermarkt und gehen ins UG zu den Lebensmitteln... man muss der Versuchung widerstehen, auf dem Absatz zu wenden und gleich wieder raus zu gehen. Der Laden ist rammelvoll und es wuselt nur so. Aber rein ins Getümmel, scannen des Sortiments ist angesagt. Auch hier werden wir fündig und kaufen ein paar Dinge. Die Kasse ist eine breite Theke, wo die Kassiererinnen die Ware drüber hieven und, wenn gescannt, in einen neuen Korb hinter sich legen. Hat man erstmals bezahlt, muss man durch das Getümmel hinter sich rückwärts raus, um die Theke herum, und da dann erneut anstehen, um den Korb mit der Quittung abzuholen. Aber der Clou kommt erst - bevor man ihn kriegt und die Ware selber einpacken muss, prüft eine zweite Person den gesamten Inhalt gegen den Beleg und hakt jeden Posten ab. Erst wenn alles in Ordnung ist, bekommt man den Korb und darf einpacken. Effizient? Nein. Aber so wird sicher nichts geklaut.

Zuckerrohrsaft frisch ab der Presse

Traurig aber wahr, praktisch in jeder Ausgabe der Tageszeitung haben wir bisher etwas über Vergewaltigungen gelesen - allerdings werden auch Fälle aus ganz Indien publiziert. Gut daran ist, dass die Warnehmung in der Presse besonders seit dem schlimmen Zwischenfall in Dehli zunimmt und dadurch auch der Druck zu handeln erhöht wird. Nichts desto trotz haben wir keine Lust auf Erlebnisse dieser Art und werden uns entsprechend verhalten.
Im Moment wird gerade über eine konkrete Verschärfung der gesetzlichen Grundlagen zu Bestrafung von Übergriffen auf Frauen verhandelt und schwere Strafen stehen zur Debatte. Das beinhaltet auch Säureangriffe, welche mit bis zu lebenslanger Haft bestraft werden kann.

Traurg aber wahr... Artikel in "Times of India"

Heute um 20:00 Uhr legt das Schiff im Hafen an.

(18.03.2013) Wir haben uns entschieden, mit Govias & Sons unsere Ladung aus dem Container zu holen. Sam bringt uns dahin und wir übergeben die Dokumente und die Vorauszahlung, damit Herr Govias loslegen kann. Das ist aber nur ein kurzer Teil des Besuchs und danach schweift das Gespräch ab. Herr Govias hat 3 Jahre in Deutschland gelebt, besitzt in Frankreich ein hübsches Segelboot, fährt mit seinem Bianchi Fahrrad jeden Tag ins Büro, liebt sein "Royal Enfield" Motorrad aber er weiss auch sehr viel mehr über die Geschichte des Landes und die Leute hier zu erzählen. Wir erhalten Ratschläge für Medizin gegen Magenprobleme (wird getestet) und auch wie wir uns am sichersten durchs Land bewegen können. Wir sind gespannt, wie die Abwicklung mit ihm klappt aber haben ein entspanntes Gefühl im Bauch. Der Preis stimmt (wenn keine versteckten Kosten kommen) und bezüglich der Qualität machen wir uns auch keine Sorgen. Er kennt die Dokumente und macht das nicht zum ersten Mal.

Gut versteckt finden wir das Büro in einem Hinterhof, das
Unternehmen ist aber eines der ältesten im Frachtbusiness.

Beim Mittagessen erhalten wir eine kleine Einführung, wie man dieses Chennai-Meal richtig isst. Man hat Reis vor sich, und vier Schalen mit Saucen, die man der Reihe nach von scharf bis mild über den Reis kippt und diesen dann isst. Dazu gibt's Gemüse, das isst man aber separat. Zum Abkühlen (Feuer im Rachen) kommt dann Joghurt mit etwas Salz auf den Reis und ganz am Schluss wird die Schale mit süssen Inhalt getrunken (Zuckerrohrsaft). Dann kommt Kaffee. Und dann die Rechnung.
Ein Inder, der sich zu uns an den Tisch gesetzt hat, schaut fasziniert den zwei Europäern zu und gibt gestikulierend Anweisungen, wie wir das machen sollen. Und dann stellt sich auch noch der Kellner dazu, der ebenfalls gute Ratschläge hat. Natürlich beobachtet uns auch der Nebentisch - aber wir scheinen die Sache gut zu machen, das deutet uns ein bestätigendes Lächeln der beiden an. Das war purer Spass.

Wie sieht hier übrigens ein öffentliches Telefon aus? Gar nicht so dumm: Ein GSM Münzgerät. Ob Swisscom das mit ihren Luxuskabinen auch so elegant lösen? Sieht zwar aus wie ein Spielzeug aber es funktioniert.

GSM Münzgerät für die Öffentlichkeit. Super simpel und portabel.

Auf dem Rückweg gehen wir durch die Egmore Station - eine der grösseren Bahnstationen hier. Das Reisegepäck besteht aus Holzkisten, es werden aber auch ganze Motorräder zum Verladen bereitgestellt. Mit stoischer Ruhe wird gewartet. Traurig ist das Anschlagsbrett mit vermissten Personen - einige davon sind Kinder, die wohl kaum je wieder auftauchen werden. Das sagt uns der Receptionist unserer Unterkunft, den wir darauf ansprechen.

Anschlagsbrett für vermisste Personen - einige davon sind Kinder.
Man wird sie kaum je finden

Warten am Bahnhof Egmore. Keine Koffer sondern Holzkisten werden als Gepäckstücke verwendet.

Der Receptionist erklärt uns auch die schockierenden Plakate, von welchen wir ihm Fotos zeigen. Darauf abgeblidet ist der 12 jährige Sohn eines hochrangigen Führers der tamilischen Rebellenorganisation, welcher kürzlich aus nächster Nähe in Sri Lanka erschossen wurde. Diese Plakate sind ein Teil der aktuellen und umfassenden Proteste von Studenten gegen die systematische Verletzung der Menschenrechte in Sri Lanka, welche gegen die tamilische Minderheit verübt werden.


Friedliche Studentenproteste in ganz Tamil Nadu im Vorfeld zur Abstimmung
zu einer UN-Resolution gegen Sri Lanka (Quelle: Times of India ganzer Artikel)

Berichten von Human Rights zufolge, sollen allein im Abschlussgefecht gegen die Tamil Tigers in 2009 vermutlich mehr als 40'000 Zivilisten teilweise brutals umgebracht worden sein. Diese Aufnahmen haben die Wut wieder wachgerüttelt, dass Sri Lanka ungestraft einen Genozid vollziehe, dies jedoch verleugne. Gerade am 21. März soll über eine UN Resolution gegen Sri Lanka abgestimmt werden, wobei die Proteste eine klare Position der Indischen Regierung für die Resolution und somit gegen den eigenen Nachbarn fordert. Die Proteste sind bisher zwar laut aber friedlich verlaufen, trotzdem müssen wir die Stimmung im Auge behalten, solange wir in der Provinz Tamil Nadu reisen. (Bericht: New York Times)

Am Nachmittag unterhalten wir uns noch mit einem hiesigen Architekten, der uns etwas über das politische System der grössten Demokratie auf der Welt erklären kann und etwas resigniert feststellt, dass in diesem Land zu geschäften sehr, sehr viel Nerven kostet. Die Bürokratie, die da aufgebaut wurde, blockiert alles in diesem Land, was auch Fortschritt bedeuten könnte. Seine Tochter studiert in Chicago "Urbanplanning", was sicher ein Segen wäre für das, was wir bisher von Indien gesehen haben. Noch sei Chennai aber nicht bereit, über sowas wie "Urbanplanning" nachzudenken - der Leidensdruck sei noch nicht gross genug, die bürokratischen Hürden niederzureissen und einen grossen Wurf zu landen.

Der Container ist abgeladen, befindet sich aber noch im Frachtbereich des Frachtführers.

(19.03.2013) Heute morgen steht das Thema Versicherung auf dem Plan. Wir haben zwei der vier staatlichen Gesellschaften telefonisch versucht zu erreichen, das ging gestern schon nicht und auch heute können wir nur mit dem Fax reden. E-Mail geht auch nicht, eine Fehlermeldung kommt vom Server zurück. Wie zu erwarten war, können wir das nur Face-to-Face regeln. Also rein ins Tuktuk und los zur "Anna Salai", der Strasse wo sicher drei der vier staatlichen Konzerne ihre Büros haben. Wir werden fündig und müssen aber zweimal das Gebäude wechseln, bis wir wirklich jemanden finden, der uns eine Versicherung anbieten kann. Und Arvind, ein junger und sehr motivierter Angestellter navigiert uns schlussendlich durchs Formular. Er spricht sogar Deutsch, was schon beinahe Luxus ist.


Einziges Problem: Ihr System akzeptiert unser ZH-Kennzeichen nicht. Sie biegen es irgendwie zurecht, wir bezahlen Cash und bekommen einen Beleg - mehr im Moment noch nicht. Das Ganze hat noch einen Haken: Die Versicherung besteht darauf, den Wagen zu inspizieren, ob er verkehrstauglich ist. Und es braucht mehrere Anläufe ihnen klar zu machen, dass der im Hafen steht, in einem Container versiegelt ist und nicht einfach ein Versicherungsbeamter da reinwatscheln kann um eine Inspektion zu machen. Da ist ein Siegel dran. Ja, ein Siegel. Nein, wir wissen noch nicht, wann er das machen kann weil der Zoll zuerst inspizieren muss. Aha, sie können unter keinen Umständen darauf verzichten - kaum zu glauben, wenn man sieht was hier auf der Strasse rumfährt...

Vespa mit Seitenspänner Marke Eigenbau

Beobachtung am Rande: Dieses wie auch viele andere Büros haben Waterpoints, wie wir sie auch in Europa kennen. Nur gibt es hier einen kleinen Unterschied in der Anwendung: Es gibt nur einen Chromstahlbecher und alle benutzen denselben - sie trinken daraus zwar zumeist berührungslos aber eben nur zumeist... wir bleiben bei unseren PET Flaschen.

Weitere Beobachtung: Ein Teil des Büros ist ohne Ventilatoren und Licht - der tägliche Stromunterbruch dauert jeweils ca. zwei Stunden. Er ist aber wenigstens angekündigt...

Hr. Govias ruft an, wir müssen uns beim Customs Officer vorstellen, damit dieser das Dossier eröffnen kann. Mit dem Tuktuk geht es wieder quer durch die Stadt. Vom Büro aus geht es dann zu Fuss durch das Parrys Quartier in Richtung Zollamt. Warum auch immer das genau nötig ist - kurzes Händeschütteln, zwei, drei Fragen, kurzes Händeschütteln - bleibt uns unverständlich. Keine 5 Minuten später sind wir wieder aus dem Büro raus mit der Zusicherung, dass sie umgehend nach der Zoll-Inspektion des Wagens die Papiere bearbeiten und freigeben wollen. Immerhin, das klingt recht ermutigend.

Wir wissen nicht, wo unser Container gerade steht.

(20.03.2013) Wir warten darauf, dass es endlich losgehen kann mit dem Auslad und beschäftigen uns mit Büroarbeiten. Aber anstatt, dass wir zur Container Station fahren können müssen wir wieder ins Shipping-Büro fahren, um dort eine fehlende Unterschrift auf das "Bill of Lading" zu machen (das ist ein heiliges Dokument!). Dann ziehen die Govias Jungs los zum Zoll, um das alles da einzureichen - nur um festzustellen, dass dieses Bill of Lading offenbar nicht korrekt "surrended" worden ist. Entweder, wir bringen das Originaldokument bei (ist in Malaysia) oder unser Cakra Shipping Mann muss das mit dem Frachtführer regeln... nervig, warum auch immer das passiert ist. Kaum hat sich aber Mr. Yeap von Cakra
an die Arbeit machen wollen ruft der Frachtführer an und sagt, er hätte die e-mails nicht gelesen und da sei alles ordnungsgemäss kommuniziert worden. Also doch kein Problem. Also Cakra stoppen und weiter gehts hier am Zoll. Am späteren Nachmittag ist dann endlich der Order erteilt, den Container dahin zu verschieben, wo wir ihn öffnen dürfen. Das dann aber erst morgen... hmm!

Hr. Govias bietet uns aber an, mit ihm chinesische essen zu gehen, was wir natürlich noch so gerne annehmen. Bis dahin müssen wir aber noch was kleines Essen, da wir ohne Lunch unterwegs sind.
Im Sangeetha kümmern sich zwei Kellner um unser Wohl und die Speisekarten hier in Chennai sind wirklich lustig. Einzelne Menüs gibts nur an bestimmten Tagen oder an allen Tagen aber auch nur zu bestimmten Zeiten. Die Menüs wären eigentlich zeitlich gruppiert, so als Vereinfachung für die Kunden, nur bei der Gruppe "immer erhältlich" stehen hinter einzelnen Menüs doch wieder nur eingeschränkte Zeiten. Heute jedenfalls gibt es genau zu der Zeit Puttu, eine Süssspeise, die uns die beiden Kellner anpreisen wollen. Wir sollen es doch probieren. Tun wir auch und ist lecker. Und die zwei strahlen vor Freude.

Die beiden Kellner, die sich wirklich sehr freundlich um uns gekümmert haben

Puttu - Nur am Mittwoch erhältlich
(Kokossplitter / Reis / Cashew Nuts / Gewürze und Banane)

Auf dem Rückweg stellen wir uns noch kurz in eine christliche Andacht und beobachten das Geschehen.
Irgendwie sieht das noch ganz friedlich aus, wie auch vor dem Haupteingang die Menschen sitzen und durch die offenen Pforten der Predigt folgen.

Andacht im innern und vor der Kirche

Wir verbringen einen herrlichen Abend mit Hr. Govias bei Freunden von ihm und im Anschluss im chinesischen Restaurant. Chilli Beef - eine angenehme Abwechslung zu den Naans, Dals, Rotis, Dosais, Parothas und wie die Speisen der Inder alle heissen, die wir schon probiert haben.

Chinese Dinner mit Hrn. Govias

Randnotiz: Hier fahren wir SICHER NICHT in der Nacht! Auf dem Heimweg fahren wir gemütlich in einer vier spurigen Einbahnstrasse und plötzlich kommen uns 2x 2 Scheinwerfer direkt entgegen. Da ist sogar er als Einheimischer irritiert.

Unser Wagen wird in die Virugambakkam Container Frachtstation des Zolls überführt.

(21.03.2013) So gegen elf beginnt der nächste Akt im Zollauslöseverfahren. Wir werden dort wieder von Büro zu Büro gereicht und schmunzeln diskret, weil wir die Bürokratie einfach mit anderen Augen anschauen als die Mitarbeiter von Govias & Sons. Sie machen einen prima Job und managen das Dossier nach allen Regeln der lokalen Kunst - vieles bleibt uns aber verborgen. Zuerst gehen wir zum Super Intendent / Inspector Preventive Seaport, den wir beim Kennenlerngespräch trafen. Da wird dann ein Formular aus dem Carnet abgeschrieben. Ein paar Testfragen, ob auch wir das Dossier kennen und danach gehen wir ins Büro des Commissioner of Customs. Ehrfürchtig bittet uns der Mitarbeiter von Govias in dieses Büro. Der Beamte würdigt uns kaum eines Blickes, als wir an seinen Schreibtisch sitzen. Wir warten und sprechen nur, wenn aufgefordert. Also eigentlich fast gar nicht. So ein Carnet hat er nicht jeden Tag in der Hand, das ist offensichtlich. Aber wir kriegen seine Unterschrift unter den Stempel. Beim Verlassen erlauben wir uns ohne aufgefordert zu werden, uns bei ihm zu verabschieden. Das war wohl etwas verwirrend... Wieder ins erste Büro zurück und dann noch in eines des D.I.U. (?). Und dann ist Mittagspause und wir pflanzen uns in die Kantine für die Mitarbeiter... sehr spannend. Danach warten wir ewig und sehen uns schon wieder ohne Wagen ins Hotel zurückkehren. Immerhin, es kommt kurz vor vier Uhr Bewegung in die Sache und wir können tatsächlich aufbrechen, um die Fracht zu inspizieren - d.h. 15km durch die Stadt im Feierabendverkehr. Auch der Versicherungsexperte scheint etwa zeitgleich dort anzukommen.

Ein schön erhaltenes Stück des "Ambassadors" steht vor dem Zollhaus (und
noch nicht im Museum). Der indische "Volkswagen" ist überall zu sehen und
hat seinen Reiz. Heute hat aber TATA die führende Rolle übernommen.

Und dann sehen wir endlich den Container! Der Siegel ist unversehrt und wird in Anwesenheit des Zöllners aufgebrochen. Der Wagen ist schnell entzurrt und aus dem Container gefahren. Die Zurrgurten haben arg gelitten. Nach der Fahrzeugidentifikation geht es an die gründliche Durchsuchung durch den Zöllner, der jede Box und Kiste anschauen will - das ist das erste Mal in 8 Monaten, dass jemand eine ernsthafte aber faire Durchsuchung vornimmt. Danach gibt es noch ein paar Fragen des Versicherungs-experten aber vorallem ein freundliches Feedback: "The car is in very good condition. I like this car very much!". Danach stellen wir den Wagen wieder in den Container, da wir die schriftliche Freigabe leider erst morgen erhalten. Neues Siegel dran und ein Padlock von uns und wir sind sichtlich erleichtert. Die Versicherungspolice und das grande Finale im Zoll ist nur noch Formsache.

ENDLICH!

Brechen des originalen Zollsiegels

Alles in Ordnung, keine Schäden und noch alles da

Versicherungs- und Zollexperten, die gerade die Motornummer überprüfen
(ohne sich selbst dabei die Finger schmutzig machen zu müssen - da
könnte alles auf dem Motorblock stehen...)

Nun können wir im Tuktuk die Strecke zum Hotel fahren, die uns morgen als Warmup für den indischen Verkehr bevorsteht... 90 Minuten Rushhour - ein Jump-Start!

(22.03.2013)

Ob es heute wohl klappt? Wir schlendern noch einwenig durchs Quartier auf der Suche nach Leintüchern (Schlafsäcke sind hier etwas fehlt am Platz) und Gas für den Kocher. Unterwegs machen wir immer wieder halt und bestaunen Kleinunternehmer, Läden, Verkehr,... es gibt genug von allem. Wir steuern ein grosses Kaufhaus an, welches um die Zeit noch fast leer ist. Wahnsinn, was es da an Auswahl von Stoffen, Damen und Herrenbekleidung und sonst noch so alles gibt. Nur keine Leintücher. Wir kaufen uns dafür 2x 220cm feinsten Baumwollstoff mit hübschem Muster. Das fühlt sich sicher auch gut an... überall wird gekichert, wo wir durch den Laden gehen. Hier sehen sie nicht viele Touristen. Danach müssen wir den Stoffzuschnitt noch kurz umnähen, damit nicht alles ausfranst. In einer dunklen Gasse (da war doch letztes Mal Licht) sitzt beim Licht von Autobatterien gespeist ein kleiner Mann an einer Nähmaschine.
Er gibt uns zu verstehen "Kein Strom", kann aber die Nähmaschine manuell betreiben und erledigt das für uns im Nu. Er hat dabei mindestens so viel Freude wir.

Nähatellier gewappnet mit Muskelkraft oder elektrisch
betriebenen Nähmaschinen, je nachdem, ob es gerade Strom hat oder nicht

Die Strassen sind gesäumt von bunten Früchte- und Gemüseständen, Tucktuck, bunt gekleidete Menschen und es ist sehr viel los hier. Wir verziehen uns in eine Seitengasse, wo es ruhig ist. Wo eine grosse Gasflasche steht, findet man vielleicht auch kleine und tatsächlich - das Format passt auf unseren Anschluss. Eine Sorge weniger, wir können mit Gas kochen. Natürlich macht er einen Touristenpreis und natürlich fragen wir ihn, was den der normale Preis sei. Breites Grinsen: "One hundret ruppieees only!" Klar doch - wir schmunzeln und geben ihm den Betrag. Vorbei an schlafenden Rikschafahrern, Bauarbeitern und Kleinstbetrieben kommen wir zu der wohl erstaunlichsten aller Entdeckungen - im mobilen Bügelshop bügelt der doch tatsächlich mit einem kohlebefeuerten Bügeleisen die Wäsche!! Wir können es kaum fassen... es wird wirklich mit unglaublich einfachen Mitteln gearbeitet. Auch der Fahrradmechaniker hat seine "Werkstatt" direkt an der Strasse unter einem Blechdach. Die Werkzeuge passen in einen Schuhkarton.

... gerade nicht soviel los hier - gut um etwas Zeitung zu lesen

Sehr vertrautes Bild - am Strassenrand, bei Busstationen, einfach überall wo die
Dinger auf Verweigerung machen

Auch ein Rikschafahrer benötigt seinen gestzlich vorgeschriebenen Schlaf...

Ein mit Holzkohle erhitztes Bügeleisen des mobilen Bügelshops...!

Der lokale Fahrradmechaniker in seiner Werkstatt

Unser zweites Zuhause in Chennai - Custom House
(Spruch des Tages direkt beim Eingang:
"Some people bring happiness where ever they go;
Some people when ever they go;
It's your choice to be in the 1st gategory",
für wen gilt jetzt das genau?)

Dann der Anruf: Es fehlen noch ein paar Unterschriften. Also wieder ins Zollhaus (13:00 Uhr), zwei Unterschriften auf einem irgendwoher tausendfach verkopierten Formular und dann wieder warten. Wir sollen vorab schon mal ins Container Areal fahren, um 15:30 kommen dann die Freigabepapiere nach. Da die Versicherungsdokumente in der Zwischenzeit auch schon fertig sind, machen wir noch einen Umweg und holen die auch gleich ab - in weniger als 10 Minuten haben wir die Police und können damit nun in ganz Indien und Nepal herumfahren. Im Zollager gesellen wir uns zu den Containernachbarn, die je einen voll mit teurem Tax-Free Whiskey und einem mit Zigaretten im Freigabelauf haben. Wir warten. 15:30 Uhr: Nichts. Wir warten nicht mehr weil hungrig und kommen nach einem Happen zurück. 16:30 Uhr: Wir warten. 17:30 Uhr wir warten.

Arvind (Erwin) bei der Übergabe der Versicherungspolice in
einwandfreiem Deutsch (United India Insurance)

 

Immer wieder huschen die zwei Mitarbeiter von Govias durch die Gegend und dann endlich, kurz vor 6 Uhr kommt die Sache ins Rollen, der Siegel wird zerschlagen und der Wagen kann ins Freie gefahren werden. Dann nochmals 15 Minuten später können wir sogar bis zur Barriere fahren. Und dann, 10 Minuten später dürfen wir das Zollgelände verlassen und "frei" in den Feierabendverkehr einfädeln! Die Dämmerung hat bereits eingesetzt und man erinnert sich and die Randnotiz vom 20. März? Bereits am ersten Tag machen wir eine Ausnahme. Fahren in Chennai in und nach der Dämmerung ist ein guter Anfang für Einsteiger in Indien... aber es geht ganz flott und wir haben sogar noch genug Kapazität übrig, mit Motorradfahrern zu plaudern, die mit uns mitziehen und uns ausfragen wollen. Wir erreichen das Hotel ohne Probleme und sind plötzlich ziemlich geschafft.

Die Aufforderung zum hirnlosen hornen: SOUND HORN, steht auf jedem
zweiten Fahrzeugheck sorgfältig aufgemalt

Leyland Trucks - Indische Erzeugnisse deutlich in die Jahre gekommen:
Die Trucks sind alle handbemalt...

... wobei der Künstler natürlich nicht unerwähnt bleiben will

Warten - so idyllisch es aussehen mag: Es ist nicht idyllisch bei der Temperatur

Die zwei Mitarbeiter bei Govias, die für Tage praktisch ununterbrochen
an der Front um die nötigen Stempel, Unterschriften und Dokumente
gekämpft haben - mit bewundernswerter Ruhe.

Alles hat ein Ende sogar die Bürokratie in Indien - zum Vergleich: Kommt man auf dem Landweg über die Grenze, erledigt man Zoll, Versicherung und Immigration in ein paar Stunden. Ziemlich sicher ohne Fahrzeuginspektion. Auf dem Wasserweg über Chennai sind es von der Anmeldung im Zoll bis zum Anheben der Barriere rund 5 Tage - die Vorarbeit nicht miteingerechnet. Und wir wollen nicht wissen, wieviel wir den Beamten indirekt in die Tasche geschoben haben.

Die ersten Kilometer in Indien zu fahren macht mehr Spass nach der
Dämmerung und in einer Grosstadt - was man hier wohl in einer
Fahrschule genau lernt?!



23.03.2013

Uthiramerur
(Mettupalayam)

Charity Projekt

Nach der Containerverschiffung muss erstmals das Auto wieder reisebereit gemacht und der revidierte Kompressor eingebaut werden. Dieser läuft jetzt wieder schön rund und wir haben rechtzeitig für Indien wieder Druckluft für unser Horn. Kurz vor Mittag werden wir im Büro der Govia & Sons Shipping Company die letzten Posten bezahlen und im Gegenzug dafür erhalten wir unsere Dokumente zurück. Wir werden vom Eigentümer auch gleich noch zum Mittagessen in das besonders beliebte "Nair Mess" Sea Food Restaurant eingeladen. Wir essen Fischcurry, Prawns und Schafshirn mit vielen weiteren Beilagen serviert. Die Küche ist wirklich sehr gut und daher der Laden auch proppenvoll.

Die Entscheidung, mit dieser Firma zu arbeiten hätte besser nicht sein können. Das handschriftliche Angebot war in 5 Minuten erstellt und wurde korrekt eingehalten - es war auch das günstigste aller Angebote. Hr. Govias' "Boys" wie er sie selber nennt haben viel Einsatz und Ausdauer gezeigt - was uns sehr beeindruckt hat. Tagtäglich mit diesen korrupten Zollfuzzies arbeiten zu müssen wäre für uns unerträglich. Aber all die Gespräche mit Herrn Govias in seinem Büro oder beim Essen waren sehr interessant. Rundherum ein Volltreffer.

Endlich kann es losgehen und wir verlassen das Gate unserer Unterkunft in Chennai. Wir freuen uns, diese Stadt verlassen zu können - was aber seine Zeit braucht. Hier zu fahren geht besser als befürchtet, ist es doch ziemlich einfach: Alles was uns interessieren muss liegt im Sichtfeld der Windschutzscheibe. Steht kein Polizist im Weg, so kann man eigentlich beliebig fahren da auch viele Ampeln kaputt sind. Beliebig aber auch nur in dem Sinn, dass der Verkehr ein Vorwärtskommen zulässt. Nur das mit dem Hupen ist so eine Sache, für die wir wohl einfach zu dumm sind. Während es rundherum wie üblich hornt und hupt kommen wir ohne eigentlich genauso zügig voran. Ehrlich, daran werden wir uns nicht gewöhnen, denn die Ohren tun einem manchmal weh von dem Lärm.

Endlich! Naturlandschaft und frische Luft

Ein kleiner Dorftempel

Wir kommen weg vom Stadtverkehr. Es wird ruhiger und wir können auch mal wieder bis in den 5. Gang schalten. Tagesschnitt auf 100km sage und schreibe 31km/h. Die Luft wird frischer und die Dörfer immer bescheidener. Unterwegs halten wir noch einen Kleintransporter mit Wasser an, um unseren Tank aufzufüllen - gut zu wissen, dass es dieses System auch hier gibt. 20 Liter Trinkwasser kosten hier
0,45 CHF. Bald schon sehen wir Martin Sands mit seinem Scooter am Strassenrand auf uns warten und er führt uns zur Schule, einem Charity Projekt, welches er und seine Frau Susan schon viele Jahren aktiv unterstützen. Wir trafen die beiden Sands im Guesthouse in Chennai, wo sie uns auch auf einen Besuch eingeladen haben.

Die Crakehall Primary School mit dem Hauptgönner aus England, der das Projekt
schon seit seinen Anfangsjahren unterstützt

Die Crakehall Primary School (FB: Friends of Mettupalayam Trust) existiert bereits seit 1987 und wurde durch Venkat ins Leben gerufen. Er ist auch heute nach bald 30 Jahren noch mit Leib, Seele und allem, was er besitzt dabei. Ein ausser-gewöhnlicher Mann, der viel für seine Kinder aber auch das ganze Dorf leistet. Neben der Schule betreibt er einen kleinen Agrarbetrieb, eine Rehabilitationsstelle für Behinderte und eine Nähschule. Die Schule wird von bis zu 160 Kindern besucht, wo sie auch eine minimale Gesundheitsversorgung sowie drei Mahlzeiten pro Tag erhalten. Kinder, die diese Schule besuchten, haben es bis zu einer Ingenieursschule geschafft oder sind selber Lehrer geworden.
Alles wird zum grossen Teil aus einem englischen Trustfond finanziert und nur um eine Vorstellung zu erhalten: Ein Lehrer kostet etwa 50 Dollar pro Monat. Die Kinder sind aus dem Dorf oder umliegenden Dörfern sowie von Zigeunerfamilien. Der Vater eines dieser Mädchen will sie betteln schicken und sie weigert sich, weil sie in die Schule will. Sie will Doktor werden und sie hat das Zeug dazu. Die Kinder sind unglaublich aufgestellt und springen sofort auf unser Trittbrett und begrüssen uns voller Freude. Wir sind gleich eingespannt und der Abend vergeht wie im Flug, bis Venkat die Kinder zu Fuss nach Hause begleitet.

Kids

Kids

Kids (wer bringt den Ball zuerst durchs Labyrinth?)

Stolze Präsentation der eigenen Arbeiten

Kids

Spielen mit den Kindern bei Gaslaternenlicht - der Strom ist wieder weg

Das Atelier für die Nähausbildung mit einem eigenen Schneider

 

24.03.2013

Muttukadu

Am Morgen sammelt sich wieder eine Kinderschaar um uns und wir können uns kaum losreissen. Es ist wirklich schade, können wir nicht noch einen Tag anhängen. Wir müssen aber los.

Hr. Govias hat uns zu sich eingeladen und wir wollen dieses Angebot nicht ausschlagen. Wir sind gespannt, wie er lebt und auch darauf, seine Familie kennen zu lernen. Kaum angekommen fahren wir schon wieder mit ihm los zum Mittagessen - am Sonntag habe seine Frau frei und man gehe ausswärts essen. Wir landen in einem Fischrestaurant und kriegen Calamares frittiert oder mit Masala Sauce, frische Krabben und einen grossen Fisch aufgetischt. Wir können uns danach kaum noch vom Stuhl erheben...

Qualitätsprüfung

Das Anwesen liegt praktisch direkt am Meer und die Aussicht von der Terrasse ist beneidenswert. Allerdings der Salzgehalt in der Luft nicht und so ist es sehr aufwändig, alles im Schuss zu halten. Elektrische Geräte geben im Handumdrehen den Geist auf und die Tasten am Telefon oder Lichtschalter kleben fest. Spannend auch, dass das nahegelegene Fischerdorf durch den Tsunami komplett zerstört wurde und die Flut um sein Anwesen herum alles kaputt gemacht hat - nur seines blieb verschont, weil es auf einer kleinen Anhöhe liegt. Er und seine Familie hatte mächtig Glück. Er liebt übrigens seine alte 500er Enfield, welche die Harley der Inder ist, mit einem gusseisernen Motorblock. Die Maschine klingt eindrücklich aber ist mit gegen 500kg unglaublich schwer.

"DIE" Royal Enfield mit echtem Gusseisenmotorblock

Die Nacht verbringen wir vor seinem Haus und können ungestört schlafen. Wir hören nur das Rauschen des Meeres sowie der Palmen im Hintergrund.


25.03.2013

Mahabalipuram

Pondycherry,
Kurnankuppam

Es ist Zeit, von Mr. Govias und seiner Familie Abschied zu nehmen und wir bedanken uns für die angenehme Zusammenarbeit und all die spannenden Gespräche, sowie seine Gastfreundschaft.

Mahabalipuram ist bekannt für seine Tempelanlagen direkt am Meer (7Jhdt.) und die Felsreliefs im Dorf.
Aus einem grossen Felsen wurden vor langer Zeit ganze Tempelanlage herausgearbeitet, Reliefs eingemeisselt und alles ist bis heute sehr gut erhalten geblieben. Vermutlich auch deshalb, weil alles lange Zeit vollständig unter Sand begraben war. Die Briten haben sie später freigelegt. Besonders augenfällig ist "Krishna's Butter Ball", ein grosser auf einer Spitze balancierender Stein.

Der Strandtempel in Mahabalipuram

Das Becken auf dem Weg zwischen den Tempelanlagen

Steinreliefs, alles aus dem Felsen herausgearbeitet

"Krishna's Butter Ball"

Tempelruine vor dem Leuchtturm

Im Anschluss fahren wir weiter nach und durch Pondycherry hindurch. Im Vorbeifahren sehen wir weitere Tempelanlagen sowie die riesigen Tempelwagen, auf denen zu Festanlässen die Statuen von den Tempelheiligen von Menschen durch die Strassen gezogen werden. Auch gibt es in jeder Stadt und jedem Dorf ein Becken, wo sich die Menschen drin abkühlen, waschen oder auch Kleider gewaschen werden - sofern es Wasser drin hat.

Wir suchen uns südlich davon in Kurnankuppam ein Resort, von welchem wir uns einen Nachtplatz erhoffen. Wir biegen von der Hauptstrasse ab und fahren an eine Beerdigungsprozession heran. Auf einem schön geschmückten Holzgestell wird eine verstorbene Person aufgebahrt zum Einäscherungsplatz geleitet. Der Umzug wird von Musik begleitet und vor dem Wagen werden Blumen auf die Strasse geworfen. Die Menschen tragen hier nicht schwarz und der Umzug ist irgendwie ruhig und berührend feierlich.

Auf dem letzten Weg zur Einäscherungstätte

Wir gelangen zum Resort und können da tatsächlich problemlos auf dem Parkplatz nächtigen. Die Wachmänner sind informiert und leider ist die Benützung der Poolanlage so teuer, wie andernorts ein gepflegtes Zimmer, sodass wir uns schweren Herzens gegen diesen Luxus entscheiden. Wir rösten Erdnüsse zum Apéro und werden von neugierigen Hotelangestellten besucht, die hinter den Parkplätzen einquartiert sind. Sie kosten gerne ein paar der Salznüsschen - sofern sie sie beissen können. Die Zähne einer Frau sind aber in einem derart schlechten Zustand, dass sie ablehnen muss. Wir werden freundlich aufgenommen und auch die Wachmänner kommen alle einzeln kurz vorbei.

Die Nacht wird erwartungsgemäss ruhig.

 

26.03.2013

Chidambaram

Darasuram

Die Security Leute sind alle aus Nepal und freuen sich darüber, dass wir da auch noch hinfahren werden. Sie erwähnen auch, dass hier vor gut einem Monat fast das gleiche Auto wie unseres dastand und als er uns das Kennzeichen zeigt ist klar: Nicky & Roy (siehe frühere Berichte) waren am 9. Februar auf demselben Parkplatz anzutreffen.

Nachtplatz hinter dem Resort

Schon als wir losfahren hören wir kräftige Böller knallen und geraten mitten in eine bunte Zeremonie, wofür sich einige Männer am ganzen Körper Nadeln setzen und Zitronen an deren Enden anhängen oder aufspiessen. Andere haben lange Speere quer durch die Backen gestossen oder tanzen wild. Alles wird von Trommeln und Petartenschlangen begleitet. Sowas in der Art werden wir während des ganzen Tages immer und immer wieder antreffen und die beteiligten freuen sich über unser Interesse. Und da steht in einem der Tempel auch noch diese Butterkuh, die so langsam vor sich hinschmilzt... was für ein Start in den neuen Tag?! Mit diesem Feiertag wird dem Lord Murugan, dem Sohn Shivas Ehre erboten.

Chidambaram erwartet uns mit dem offenbar grössten Nataraja Tempel in Indien. Nur schon die vier Portale sind wunderschön, farbenprächtig und sehr fein ausgearbeitet. Wir lassen unsere Schuhe in einem bewachten Schuhdepot draussen und mischen uns unters Volk, welches in grosser Anzahl hier zugegen ist. Wir haben Glück, dass gerade ein Feiertag ist und so finden in allen grösseren und kleineren Schreinen Zeremonien statt. Der Tempel allein ist schon eine Augenweide, die Menschen, wie sie angezogen und für die Feier geschminkt und frisiert sind, werten den Gesamteindruck aber noch erheblich auf. Die Tücher um die Hüfte geschwungen, nackter Oberkörper, Farbstreifen im Gesicht, Haare zu Knollen auf den Kopf gewickelt - das sieht für uns mindestens so ungewohnt aus wie wir für sie. Die Kinder jedenfalls kichern ungeniert, wenn sie uns sehen und rufen schon von weitem: "Hello, how are you?".

Ein bärtiges Unikat!

Wir fahren an hunderten von Pilgern vorbei, die in drei bis vier Tagen zu Fuss rund 100km machen, um unterwegs in verschiedenen Tempeln zu beten. Die Fahrt ist neben dem ständigen Rallye mit den Motorradfahrern, Bussen und Trucks sehr abwechslungs- und erlebnisreich. Die Leute winken uns oft zu und Motorradfahrer suchen das Gespräch durchs offene Fenster, während man sich durch den Verkehr schlängelt. Nicht, dass es uns überrascht hätte, aber soviel Bewegung auf den teilweise schmalen Strassen erfordert viel Konzentration - die einem entgegen schlingernden Busse sind gnadenlos und fordern ihren Platz.

Der nun tägliche Wahnsinn - wenn keine Fahrzeuge, so sind sicher
Fussgänger auf der Gasse

Für die Mittagsrast haben wir einen ruhigen Flecken gefunden und entgegen vieler Vorwarnungen die Pause auch ohne Menschenauflauf geniessen können. Als dann eine Gruppe Pilger unter einem Baum neben uns Rast macht, bekommen wir dann aber doch noch Besuch. Einmal mehr wird das Schweizerkreuz mit einem Ambulanzkreuz verwechselt und wir werden nach Schmerztabletten gefragt, da ein Mann Schmerzen in den Beinen hat. Wir geben von unserem Paracetamol ab und hoffen, dass es zumindest während der Pilgerzeit seinen Schmerz lindert. Dunkles Brot kennen sie hier übrigens auch nicht - und mögen den Sauerteig auch nicht besonders, als sie ein Stück probieren.

Pilger bei der Mittagsrast

Die Suche nach einem Nachtplatz in Kumbakonam ist aussichtslos und wir fahren aus dem Zentrum heraus um in Darasuram fündig zu werden. Hotels gibts hier generell weniger, geschweige denn solche mit einem brauchbaren Parkplatz. Alternativen dazu sind auch sehr rar. Das Resort, auf welchem wir uns schlussendlich einrichten dürfen ist aber dafür umso besser und wir bekommen von der halben Belegschaft Besuch. Die Menschen hier sind definitiv sehr neugierig und haben wenig Berührungsängste, was jetzt aber nicht falsch verstanden werden darf: Sie halten bisher sehrwohl einen diskreten Abstand und kommen eigentlich erst näher, wenn man sie dazu einlädt. Solange beobachten sie nur. Schön ist hier, dass die meisten Inder etwas Englisch können und so kann man auch viele Reisetipps oder andere Informationen aufnehmen. Der IT Verantwortliche lädt uns spontan zum Frühstück bei sich Zuhause ein was wir natürlich nicht ablehnen wollen.

Eindrücklicher Tempelwagen in Kumbakonam

Grosses Becken in Kumbakonam

Auf den Hotelparkplätzen lebt jeweils eine eigene Community, abgeschirmt von den Touris, die hier gerade Busweise einfahren. Diese Welt hier ist echt, nicht inszeniert und wir leben mittendrin.

Da wir umsonst übernachten und die Dusche benützen dürfen leisten wir uns dafür im Hotelrestaurant ein gelungenes Nachtessen. "Which room number please?" "ZH747261!" "?"

 

27.03.2013

Sundaraperumal Kovil

Thanyavur

Trichy

Chetinadu

 

Pünktlich um 8 Uhr erhalten wir genauere Instruktionen, wohin wir fahren müssen und es dauert keine 5 Minuten und Kalyan, der IT-Fachmann des Hotels kommt in Sicht. Er führt uns die letzten paar hundert Meter in sein Dorf, wo wir das Auto vor dem Haus seiner Mutter abstellen. Er freut sich sichtlich über unseren Besuch und führt uns ins Esszimmer, wo Che Guevara (Spitzname) auf uns wartet. Er stellt uns auch kurz seinem Vater vor und später auch noch seiner Mutter. Der Vater schenkt uns gleich zu Beginn je einen Kranz mit "Blumen" und ein Tuch, welches man sich so bequem um die Schulter legt.
Dann servieren sie uns auf Palmblätter Ragi, Pongal, Idly, Dosa, Sambar und Kokosnusschutney, Wasser und Kaffee. Etwas ungewohnt für uns ist, dass nur wir beide essen und die übrige Familie daneben steht. Aber das Essen ist sehr gut und wir erfahren so einiges über das Dorf und erzählen von Beobachtungen, die sie uns dann erklären.

Einladung zum Frühstück

So zum Beispiel die Zeichnung vor jeder Tür und jedem Tor: Sie ist aus Reispulver und dient nicht etwa dem Vertreiben böser Geister sondern ist zum Füttern von Insekten gedacht. Ja wirklich! Morgens und Abends wird das Kolam (die Zeichnung) erneuert und das kann auch schon mal in einem kleinen Competition enden - wer hat das schönste im ganzen Dorf? Den Insekten wurde das Leben geschenkt und die Menschen danken so dem Schöpfer für die Existenz dieser Wesen. Wir erfahren auch mehr über die Bestattungszeremonie von Verstorbenen oder eben über die Prozession des Vortages.

Kolam: Kunstvolle oder spielerische Zeichnungen vor jedem Gate

Danach zeigen wir ihnen noch unsere "Wohnung" und dabei läuft gleich das halbe Dorf zusammen und wir müssen viele Fragen beantworten. Dann gehen wir den Vater in seinem Laden besuchen, den er nach der Pensionierung eröffnet hat, so um die Zeit tot zu schlagen. Ein hübscher kleiner Kiosk, von wo aus er uns stolz einen kleinen "Ganesha" überreicht, der uns beim Reisen begleiten soll. Praktisch die ganze Strasse gehört der Familie - man findet diese in Google Maps auch nur mit dem Familiennamen - und wir lernen zwei Brüder, seinen Grossvater und Cousins kennen - allesamt sehr freundlich und interessiert. Wir statten auch gleich noch einen Besuch beim über 300 Jahre alten Dorfschrein ab, wo auch Kalyans Urgrossvater schon gebetet hat.

Fahrzeugbesichtigung mit vielen Interessierten

300 jähriger Dorfschrein

Der Vater von Kalyan in seinem kleinen Shop

Im Hintergrund spielt irgendwo ein Orchester fröhliche Musik und wir gehen auch noch dahin und sehen den Musikanten beim Spiel zu - während wir von vielen Dorfbewohnern aufmerksam beobachtet werden. Die Kinder stellen sich, kaum sehen sie unsere Kamera, gleich zum Fotografieren auf und auch die Musikanten freuen sich über unseren Besuch. Beim Eingang stehen wieder viele Dorfbewohner und einer offeriert uns je ein Fanta. Nach vielem Händeschütteln verabschieden wir uns und fahren etwas benommen los. Diese Gastfreundlichkeit, Offenheit und Neugier dieser tamilischen Familie aus Tamil Nadu war sehr berührend und wir schweigen vorerst während der Fahrt, um über das nachzudenken, was wir gerade erleben durften.

Fröhliche Musik, ...

... fröhliche Menschen,...

... schöne Menschen

Unterwegs fahren wir immer wieder an Tempeln vorbei, die farbenprächtig und formenschön gebaut sind. Wir wollen aber den Brihadishwara Tempel in Thanyavur anschauen, welcher den Höhepunkt der Chloa-Tempelarchitektur vor rund 1000 Jahren darstellt. Er ist zwar nicht wie die meisten hier bunt bemalt, die Sandsteinfarbenen Portale und die Säulenhallen sind aber sehr schön, auch wenn wir nicht jedes einzelne Detail verstehen können. Der heilige Stier Shivas, Nandi, ist aus einem einzigen Steinblock gehauen und wiegt 25 Tonnen. Unüblich ist auch, dass nicht die Gopurams (Gates) sondern der Zentralturm mit 66m Höhe dominiert.

Brihadishwara Tempel in Thanyavur

Wir sind auch vor ein neues Problem gestellt: Die Schuhe müssen vor dem Tempel abgegeben werden und so ist man mit nackten Füssen auf den Steinböden unterwegs. Nur die sind von der Sonne so aufgeheizt, dass man sich echt nicht darauf bewegen kann - und es ist noch nicht einmal richtig Sommer hier. Da müssen wir uns für weitere Besuche etwas einfallen lassen, die Füsse schmerzen von der Hitze und wir können von Glück reden, wenn wir keine Brandblasen kriegen. Auch hier wird Fabia plötzlich am Ärmel gezupft und steht umringt von indischen Studenten in einem Gruppenfoto... das ist so normal hier, das ist wirklich erfrischend.

Immer wieder werden wir gebeten, für ein paar Fotos hinzuhalten...

Weiter geht's nach Trichy, wo wir den Sri Ranganathaswami Tempel anschauen wollen, den eindrücklichsten einer Vielzahl von Tempel in dieser Stadt. Um in die Anlage, welche die Ebenen der Existenz und des Bewustseins darstellen soll zu gelangen muss man durch 7 Gopurams durchgehen, wobei der äusserste 77 Meter hoch ist.

Sri Ranganathaswami Tempel in Trichy - mit 77 Meter hohem
Gopuram (Gate) sehr eindrücklich

Unsere Fotokoamera bezahlt Eintritt (50 Rupies), wir können gratis rein. Auch hier sind die Steinböden sengend heiss und wir schleichen uns den Schattenflächen entlang durch die Anlage. Leider ist der heiligste Teil nur Hindus vorbehalten, was sicher schade ist. Aber so ist das nun mal und zu sehen gibt es auch sonst genug - und wenn es nur die überall herumliegenden Inder sind, die sich von der Pilgerei oder einfach nur der Hitze erholen. Vor der Tempelanlage stehen wie auch an anderen Orten zuvor riesige Holzwagen, die mit umfangreichen Schnitzereien verziert sind. Darüber müssen wir noch mehr erfahren.

Viele erschöpfte Pilger schlafen hier in jeder erdenklichen Lage ...

... was die Anlage auf eine eigene Art reizvoll macht

Auch in Trichy dürfte es schwierig werden, eine Unterkunft zu suchen und so fahren wir weiter nach Chetinadu, ein kleines Dorf mit einem grossen Palast und vielen herrschaftlichen Gebäuden eines reichen Familienclans. Da finden wir dann im zweiten Anlauf nach Einbruch der Dunkelheit ein sehr ruhiges, schönes Gästehaus, das Chetinadu Inn. Wir sind die einzigen Gäste und dementsprechend ist uns die Aufmerksamkeit des Personals sicher. Nach dem zweiten Stromausfall ist dann Feierabend, es muss nicht extra wegen uns ein grosses Notstromaggregat betrieben werden.

 

28.03.2013

Madurai

Auf Empfehlung des Hoteliers fahren wir ins nahegelegene Attangudi, um dort einen der alten Paläste anzuschauen. Wir müssen dort seinen Vater anrufen, welcher für uns eine kurze Führung machen wird. Tatsächlich ist der Palast knapp hundert Jahre alt und sehr hübsch mit Baumaterialien aus Europa und Burma dekoriert. Die Spiegel kommen aus Belgien, die Fliesen aus Italien (Marmor) und Deutschland, sowie die Wandfliesen und die Steinsäulen aus Burma. Die Decke ist mit Echtgold verziert und die farbigen Fester werfen ein besonders schönes Licht in die Hallen. Natürlich bezahlen wir als Ausländer wieder mehr als Inder, die nichts bezahlen. Touristen werden hier immer mit mindestens dem 10-fachen Betrag-only für ihr Interesse an diesem Land gebüsst.

Palaststadt Chetinadu

Tägliche Besorgungen

Aufgestellte Bande, kurz bevor der Schulbus sie mitnimmt

Herrschaftlicher Palast in Attangudi, mit Marmorböden aus italiensichem
Marmor oder deutschen Fliesen, Spiegel aus Belgien, vergoldeter Decke...

Gleich nebenan in einer kleinen Bude werden frische Parottas gebacken, von welchen wir gleich ein paar für unterwegs mitnehmen. Wir kommen uns wie Aliens vor - es gibt hier wohl kaum sehr viele Europäer, die bei ihm einkaufen.

Frisch zubereitete Parottas

Frauen bei der Feldarbeit

In Madurai angekommen versuchen wir in der Nähe des Sri-Minakshi-Tempels einen Standplatz zu finden aber chancenlos, die Stadt ist so dicht gebaut, dass wir keine Chance haben. Wir fahren darum wieder aus dem Zentrum heraus und am Madura College vorbei und sehen den verheissungsvollen Landumschwung. Fragen kostet nichts und während wir auf den Principal warten, können wir auch gleich den Lunch auspacken. Natürlich erregt das Aufmerksamkeit und wir werden gefragt, warum wir den Kohl nicht kochen. Und die Tomaten ebenfalls. Das ist ein Salat, mit Italiandressing. Das kann man essen.

Der Prinzipal, Dr. Murali ist sehr freundlich und interessiert sich gleich für unsere Reise. Nach einigen Abklärungen steht dann auch fest, dass wir auf dem Campus bleiben dürfen und die Toiletten zu unserer Verfügung stehen. Das College ist wie alle übrigen Unis im Bezirk Tamil Nadu seit 10 Tagen geschlossen - die Proteste bezüglich dem Genozid in Sri Lanka sind die Ursache dafür. Wann sie wieder öffnen dürfen ist noch ungewiss. Er stellt uns auch gleich zwei Studenten vor, die im NSS (National Service Scheme) Volontärarbeit leisten und schon stehen die beiden zu unserer Verfügung. Wir treffen uns nachdem wir den Wagen parkiert und uns eingerichtet haben, um gemeinsam den Tempel zu besuchen. Darin befindet sich die dreibrüstige Minakshi Amman, welche die vollkommensten Augen haben soll. Sie ist die Gemahlin Shivas, daher etwas vom Heiligsten und somit für Nicht-Hindus nicht zugänglich. Die Sicherheits-vorkehrungen sind massiv und leider dürfen wir keine Fotokameras mitnehmen. Schade, ist es doch ein wunderschöner Tempelkomplex (6ha, 12 reich verzierten Gopurams mit bis zu 52m Höhe). Die Goldkuppel, aber auch die Tempelgänge sowie die 1000 Säulenhalle (Inder: 5 Rupies, Foreigners: 50 Rupies) sind sehr eindrücklich. Der Tempel beherrbergt auch eigene Elefanten, Kamele und natürlich viele Kühe.

Danach werden wir von unseren zwei "Guides" quer durch die Quartiere zum Simashan Institute of Martial Arts geführt - zwischendurch in völliger Dunkelheit weil gerade mal wieder ein Stromausfall das Licht löscht, nicht aber das Leben zum Stillstand bringt. Die Leute sind sich das von den täglichen Unterbrüchen her gewohnt.

Hier weiss man sich zu helfen: Trotz regelmässiger Stromunterbrüche
geht es nicht lange und in den Läden surrren Generatoren

Im Institut (www.simashan.org) angekommen treffen wir Dr. M. Shahul Hameed, einer der Professoren des College, der nebenbei diese Ausbildungsstätte für die indische Kampfsportart Silambam, Yoga und Bodybuilding betreibt. Er hat sich international einen Namen geschaffen und unterstützte eine Serie von wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema indische Kampfsportarten. Sein Büro ist voll von Trophäen und wir bekommen auch noch eine kleine Performance eines Schülers, wie der Kampf mit dem Stock aussehen kann. Sogar der kleinste in der Familie übt sich schon am Stock, was halt einfach süss aussieht. Er begleitet uns danach zu einem seiner bevorzugten Restaurants, wo wir uns von ihm verabschieden.

Das sind Muckis!

Früh übt sich, was wie sein Vater ein Meister werden will
(der kleinere ist 18 Monate alt)

Zurück nehmen wir ein Sammeltaxi und dabei muss ein Gast, der schon drin sass wegen uns aussteigen. Das ist ein besseres Geschäft, so der Fahrer. Allerdings sind wir froh beim Campus anzukommen, da die übrigen drei Insassen (Fahrer und zwei Fahrgäste) allesamt betrunken waren. Wir schaffen es aber pünktlich zum vereinbarten Interviewtermin mit dem Chief Reporter vom "The New Indian Express". Der Termin wurde mit unserer Erlaubnis vom Principal arrangiert, da er findet es müssten mehr von unserer Reise erfahren.

Das Interview war ganz unverkrampft und dauerte bis nach Mitternacht, wo es auch Zeit wurde abzubrechen. Der Reporter sowie ein Fotograf wollten am nächsten Morgen nochmals kommen und die Dokumentation abschliessen.

Die Wachmänner sind besonders instruiert, die beiden Guides vom NSS in unserer Nähe einquartiert und eigentlich haben wir ein schlechtes Gewissen wegen all der Umtriebe für die Betroffenen. Da aber Widerstand zwecklos ist, sind wir einfach nur dankbar und freuen uns auf eine ruhige Nacht, wo der Verkehrslärm nur gedämpft zu uns dringt.

 

29.03.2013

Kanyakumari

Südspitze Indiens

Früh machen wir Tagwacht, wir wollen ja nicht mitten auf dem Pausenplatz des doch belebten Colleges unser Morgenzeremoniel ausüben. Wir kriegen laufend Besuch und müssen viele Fragen beantworten. Wir fühlen uns aber keineswegs bedrängt und können ja auch nebenher unseren Wagen für den Fototermin vorbereiten.

Einer der drei Nachtwächter auf seiner Patroullie

Wir stellen uns auf Wunsch des Prinzipals direkt vor das College und warten die Ankunft des Fotografen und des Reporters ab. In der Zwischenzeit machen wir noch ein paar Bilder.

Grossmutter beim Hütedienst, während die Tochter in Ausbildung ist

Überall hängen Tücher herum und darin eingehüllt schlafen Kleinkinder
friedlich, bis Mamis Unterricht fertig ist

Wir "posen" wie gewünscht vor und im Fahrzeug und beantworten noch viel mehr Fragen zum Fahrzeug, wie wir reisen und leben. Dass man sowas mit einem 25 jährigen Fahrzeug macht, fasziniert den Reporter und die mittlerweile grosse Zahl Schaulustiger sichtlich.

Der Chief Reporter des "The New Indian Express"

In einem ruhigen Moment ergab sich auch noch ein kurzes Gespräch mit dem Fotografen, welcher uns dabei noch etwas von seinen anderen Arbeiten zeigt. Mit seinem freundlichen Einverständnis zwei typischen Aufnahmen aus seiner Sammlung (Facebook Profile):

Stierkämpfe gibts auch in Indien... jedoch nicht mit fatalen Folgen für den Stier

Ebenfalls tpyisches Bild für Indien: Frauen tragen hier auf dem Lande alles
auf ihren Köpfen herum - auch ihre Taschen.

Der Motor läuft und wir verabschieden uns gerade vom Principal, während sein Mobiltelefon klingelt und ja, es ist der zweite Reporter, den er gestern versucht hat zu erreichen. Er sei bereits auf dem Weg zum College, ob wir freundlicherweise warten könnten. Zündung ist also wieder aus und wir warten ab und trinken Tee, bis der Special Correspondent des "The Hindu" eintrifft. Er bringt den Fotografen auch gleich mit und wir gehen durchs zweite Interview, welches allerdings ganz andere Schwerpunkte hat. Lustiges Detail beim Fotoshooting: Der Fotograf klappt die Seitenspiegel ein, bevor er uns ablichtet. True Indian Style: Hier fahren viele gänzlich ohne oder mit eingeklappten Seitenspiegeln herum. So kann man enger aneinander vorbei fahren...

Wo sich das erste Interview sehr viel auch um die Länder vor unserer Ankunft hier dreht und auch oft der Vergleich mit Indien gesucht wird (speziell natürlich wenn es um China geht, konzentriert sich der zweite Reporter mehr auf wie wir Reisen, warum und welche Eindrücke wir bisher in Indien aufgenommen haben. Wir sind gespannt, was und wie sie von uns berichten...

Special Correspondent des "The Hindu" (rechts)

Nachdem wir uns den Mund fuselig geredet haben freuen wir uns, wenn wir dann endlich den Motor starten und im dichten Stadtverkehr abtauchen können. Auf einer Schnellstrasse gelangen wir zügig in den Süden, fahren durch einen kurzen aber heftigen Regenschauer und vorbei an einem grossen Park von Windkraftanlagen - jede Anlage sieht etwas anders aus.

Wir kommen an der Südspitze an und sind erwartungsgemäss nicht alleine. Wir versuchen uns irgendwo unterzustellen, haben aber Probleme überhaupt etwas zu finden. Wenn wir ein Zimmer nehmen würden wäre das kein Problem, doch wofür fragen wir uns? So freundlich uns viele Inder begegnen, von der Bereitschaft uns einen sicheren Parkplatz auch gegen Gebühr anzubieten ist hier nichts zu spüren. Letztendlich können wir nach längerem Hin und Her in einer christlichen Institution einen Unterschlupf finden, fühlen uns aber nicht willkommen dort. Ob wir verheiratet seien werden wir mehrmals gefragt, wie lange schon, Kinder, warum wir noch nicht schlafen...

Alles ganz praktisch organisiert: Mit diesem Holzding hebt der Beifahrer
normalerweise die Stromleitungen an, wenn der Laster mal wieder zu hoch beladen ist

Memorials an der Südspitze Indiens

So eingestimmt können wir auch nicht erwarten, dass uns der Anblick von einem Touristenmeer besonders viel Freude macht und die Besichtigung der Küstenanlage mit den Aussichtspunkten, der Tempel und der ganzen Verkaufsstände eher kurz ausfällt. Nichts desto trotz, hier fliessen drei Ozeane ineinander (Golf von Begalen, Indischer Ozean, Arabischer Ozean) und der Ort ist von mythischen Ereignissen sowie dem Tsunami von 2004 geprägt.

Wussten gar nicht, dass Wasser auch dick machen kann...

 

30./31.03.2013

Varkala Beach

(Staat Kerala)

Wir verabschieden uns vom Südzipfel (man könnte hier Sonnenaufgang und -untergang über dem Meer von einem Punkt aus betrachten, wenn da keine Wolken wären). Danach schlängeln wir uns durch Dörfer, der Küste entlang gegen Norden und versuchen unterwegs, Kleinigkeiten für den Alltag zu besorgen - nur teilweise erfolgreich. Es gibt hier keine Supermärkte, wie wir das von Zuhause oder auch von anderen Ländern gewohnt sind und so halten wir immer wieder bei kleinen Läden an, und streifen durch die Regale.

Der Milchmann kommt und liefert Milch frei Haus - hier füllt er gerade
ein Kundengebinde mit seinem Massbecher

Die Strassen sind sehr dicht bevölkert mit allem, was gehen oder fahren kann. Man muss sehr aufmerksam sein, sonst wird es plötzlich eng. Einmal haben wir echt Glück, da spannt doch eine grasende Kuh ihr Seil quer über die Strasse und wir sahen das Hindernis erst im letzten Moment. Das hätte eine riesen Sauerei gegeben!

Diese Fahrzeuge sehen von der Seite wesentlich weniger beängstigend aus als
im direkten Gegenverkehr... soweit sie vorn und hinten überhängend geladen sind,
sind sie es auch seitlich.

In Varkala Beach angekommen kreuzen wir auf der Suche nach einem Nachtplatz öfter den Weg mit einer Europäerin auf einer Vespa bis sie uns schliesslich anspricht. Ob sie uns helfen könne, sie sei von hier. Manga (aus Holland) und Tenga (aus Mexiko) haben sich auf einem verlassenen Grundstück am Rande der Klippe ein Guesthouse, ein kleines Bijou, mit eigenen Händen erschaffen. Monate harter körperlicher aber auch zwischenmenschlicher Arbeit hat sich gelohnt (zwei junge, attraktive Frauen in einem überwiegend muslimisch bewohnten Dorf ist nicht ganz unproblematisch). Sie fühlen sich hier akzeptiert und wohl. Sie haben den Eigner des Grundstücks für ihre Pläne gewinnen können und wir sind gespannt, wie es hier in einigen Monaten aussehen wird. Dazwischen probt Manga aber noch für eine TV-Dokumentation; 2 Monate lang soll sie ein Video-Tagebuch über ihr Reiseleben in Indien führen. Aus ihrer Zeit in der Modeindustrie (!) hat sie noch viele Kontakte zu den Medien. Einer davon fand den Wandel, den sie vollzog sowie ihre Art zu reisen bemerkenswert und will das in ein Format für die Öffentlichkeit bringen. Tatsächlich hat sie mit einer Familie auf der Strasse oder mit Tribals gelebt, ist mit einem Motorrad alleine in abgelegene Gegenden gefahren und hat auch sonst ziemlich wenig Berührungs-ängste mit den Menschen gezeigt. Ihre Fotogallerie spricht eine eigene Sprache und wir hoffen, dass die TV-Sache klappt.

Manga sitzt Probe in unserem Oldie und wir kriegen sie kaum weg vom Steuer:
Sie träumt davon, eines Tages mit etwas ähnlichem durch die Welt zu fahren.

Varkala Beach ist ein hübsches Nest...

... entlang einer Steilklippe

Wir stellen uns neben's Guesthouse "8 Wonders" und geniessen die herrliche Lage

Am Abend gehen wir bei einer Nachbarsfamilie essen und gerade als wir bei der Nachspeise sitzen klingelt das Telefon und es wird plötzlich sehr hektisch. Der Vater der Familie, ein Fischer, wurde mit schwerwiegend gesundheitlichen Problemen in eine Klinik eingeliefert und die arme Tochter ist völlig durcheinander. Sie will in dem Zustand mit dem Scooter in die Klinik fahren, was wir ihr aber schlussendlich ausreden können. Wir bringen sie mit unserem Wagen dahin und bleiben solange dort, bis ihr Bruder da eintrifft. Der Vater hat Glück gehabt und wird den Zwischenfall überleben, andere in der Notfallaufnahme haben es jedoch nicht geschafft und es spielen sich traurige Szenen vor der Notaufnahme ab.

Einmal mehr werden wir auf den Boden der Realität geholt und uns wird wieder bewusst, wie gut es uns bisher gangen ist, wir keine Zwischenfälle hatten und auch unsere Familien und Freunde zu Hause gesund sind. Wir müssen dafür sehr dankbar sein!

Wir fahren mit Manga noch in ihr Lieblingskaffee am Rande des Rhanardana Tempels, um dort das Erlebte noch etwas zu verarbeiten, bevor wir uns zurück ins Gesthouse begeben. Das Rauschen der Wellen wiegelt uns schnell in den Schlaf.

Gut ausgeschlafen ist am nächsten Tag Haushalt und Blog angesagt. Die restliche Zeit geniessen wir einfach den kühlen Meereswind im Schatten eines der Bungalows, den die Mädels uns dafür zur Verfügung stellen. Und natürlich gibt es spannende Geschichten übers Reisen und das Leben hier oder in anderen Ländern zu erzählen. Auch die Integration in so einem kleinen Dorf bietet viel Konfliktpotenzial und wir können einiges aus diesen Erfahrungen für unsere Reise mitnehmen.
Und wenn es nur ein weiteres Beispiel für die sinnlose Bürokratie ist: Gasflaschen für den Kochherd zu ersetzen ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Man muss sich auch hier durch die Bürokratie winden und es dauert locker ein paar Tage, bis man endlich die nötigen Dokumente hat und man sich eine Flasche abholen darf.

 

01.04.2013

Alappuzha

Kerala Backwaters

Während wir das Auto abfahrbereit machen, ruft uns ein X-beliebiger Passant im Vorbeigehen zu: "snake, snake!". Bis wir dann verstehen, dass der 1. April auch in Indien ein Scherztag ist, sind wir schon hereingefallen. Aber lieber so, als einer echten Königskobra auf den Schwanz zu treten...

Durch enge Dörfer und schön bewaldete Küstenlandschaften bewegen wir uns über Kollam auf Alappuzha zu, dem Ausgangspunkt vieler Bootstouren für die bekannten Backwaters von Kerala. Wir enden auf dem Parkplatz eines schön hergerichteten Hotels und starten die übliche Fragetour mit erstaunlich unkompliziertem ja (ob wir parken dürfen), ja (ob wir im Auto übernachten dürfen) und ja (ob wir ggf. Toiletten und WiFi benützen dürfen). Wir verstehen die Inder wirklich nicht: Warum brennen wir an manchen Orten systematisch an während andernorts es wie das normalste ist, Fahrende aufzunehmen.


Indische Fahrschule - hier tummelt sich alles, was mal ein richtig
indischer Verkehrsteilnehmer werden will

Bei der Gelegenheit verpasst uns aber der Hotelier auch gleich noch eine Hausbootfahrt mit Übernachtung auf den Kanälen, was wir uns als Ostergeschenk leisten. Für umgerechnet rund 120 CHF haben wir ein hübsches Hausboot und eine 2-Manncrew, welche uns Mittagessen, Kaffee und Cookies, Nachtessen und Frühstück unterwegs zubereitet und uns durch die Kanäle steuert. Wir sehen zwar nicht so viel von den Backwaters wie wenn wir die öffentlichen Fährboote nehmen würden, dafür haben wir aber vielmehr Ruhe und das schadet uns nicht.

Unser Hausboot mit Veranda in der Front und einem recht hübschen Zimmer

Keine Stunde nach Ankunft im Hotel legt auch schon das Boot ab und wir kuttern los. Natürlich sind wir nicht allein auf den Flüssen aber uns kümmert das wenig, ruhig und gemächlich ist es alleweil und wir haben viel Zeit, das Treiben am Ufer zu beobachten: Leute waschen sich oder ihre Kleider im Fluss, Geschirr wird gespült, es wird gefischt, Handelsboote oder ein schwimmender Supermarkt bieten Ware an, etc. Der Koch gibt sich Mühe und wir essen lokalen Fisch vom Vembanad Lake (Süsswasser), Chicken und die üblichen Beilagen. Im rötlichen Licht der Abendsonne erscheint alles in satten und schönen Farben. Die Reis- und Bananenfelder rundherum liegen alle unterhalb der Wasserlinie, viele Inseln sind nur auf dem Wasserweg erreichbar.

Warten aufs Nachtessen

Einbaum als Fortbewegungsmittel

Schlag den Dreck tot - Waschen entlang des Kanalufers

Wir legen am Damm an um zu übernachten und gehen zu einem kleinen Menschenauflauf auf der nahegelegenen Strasse. Da ist gerade das Filmteam dabei, eine weitere Serie der Soap "Malayalam" zu drehen (Malayalam ist auch der Name der lokalen Sprache). Mit einfachen Mitteln wird nach Drehbuch abgedreht und mal fährt ein Auto durchs Set oder ein Fischer läuft grad im Hintergrund durchs Bild, alles sehr unterhaltsam. Aber der Brüller ist, dass eine der Schauspielerinnen einen eigenen "Visagisten" dabei hat, welcher ihr vor jeder Szene Spiegel und Kamm reicht oder auf Palmenblätter angemischtes Makeup.

Filmcrew für "Malayalam" Doku Soap - mit rudimentärstem Equipment...

... werden die Szenen eingefangen

Das Essen ist gut aber spätestens jetzt ist klar, dass die Jungs die PET Flaschen mit anderem Wasser auffüllen und uns diese neu servieren... wie im Bilderbuch. Dann ist Schlafenszeit und wir ziehen uns im Zimmer zurück nur um dort festzustellen, dass es in dem Raum von daumenlangen Kakerlaken wimmelt. Alle 9 Stück verlieren den Kampf ums Überleben, erst danach ist an ruhiges Schlafen zu denken. Schade um den schönen Eindruck, den wir Anfangs hatten. Spätestens im Schlafzimmer offenbaren sich deutliche Mängel im Angebot.

Unser Schiffskoch im Lunghi, der typischen Universalbekleidung für Männer.
Er kann kurz oder lang, zum Arbeiten oder Relaxen getragen werden

 

02.04.2013

Kochi

Während das Boot gemütlich im Morgenlicht durch die Kanäle tuckert, verspeisen wir das Frühstück auf dem Vordeck. Im, auf und am Ufer des Kanals ist schon wieder viel los und so ist die Rückfahrt sehr kurzweilig. Zurück im Hotel geben wir dem Zuständigen ein entsprechendes Feedback und ein paar klare Kritikpunkte. Er wünscht, dass wir das gleich so ins Gästebuch schreiben. Er entschuldigt sich ehrlich und zeigt uns seine Zimmer - tadellos gepflegt. Nun ja, so wissen wir wenigstens, wo wir ein Andermal unterkommen können.

Fort Kochi ist ein attraktiver Stadtteil, welcher nur über zwei Brücken oder Fähren zu erreichen ist. Es gibt viele hübsche Gassen und Plätzchen doch leider keinen Platz für uns. So verlassen wir die Insel wieder und gehen in den moderneren Stadtteil, wo es dann auch einen ruhigen Platz im Hinterhof eines Hotels vor dem Aufenthaltsraum der Angestellten gibt. Wir werden wieder freundlich aufgenommen und werden wie üblich ausgefragt. Ein kleiner Einkaufsbummel und Nachtessen im Familienrestaurant runden den Tag ab.

 

03./04.04.2013

Mettupalayam

(Staat Tamil Nadu)

Kochi lassen wir rasch hinter uns und kommen auf der "Schnellstrasse" relativ gut voran. Offensichtlich sind Bemühungen im Gange, die Strasse auf der gesamten Länge auszubauen und entsprechend ist der Zustand der alten Strasse. Viele Schlaglöcher, Umleitungen und Engnisse machen es aber nicht unbedingt bequemer. Dieses Projekt ist aber offensichtlich schon lange in Arbeit, da links und rechts teilweise grosszügig planiert wurde und entweder Teile von Häusern oder eben die ganzen Häuser abgerissen werden. Einige Stellen sind aber schon wieder dicht überwuchert. Vermutlich ist mal wieder irgendwo ein demokratischer Prozess stecken geblieben, weil das Couvert zu wenig dick war oder jemandem ein Gesicht nicht passt. Oder vielleicht ist alles Geld von Delhi zwischenzeitlich versickert und die Strasse als "fertig" zurückgemeldet worden. So wird es wohl noch lange dauern, bis das Wunderwerk vollbracht ist.

Alles, was zu nahe an der neuen Schnellstrasse liegt wird kurzerhand
abgerissen - hier ist die ganze Front "zurück versetzt" worden

In Mettupalayam versuchen wir mal wieder eine SIM Karte für mobiles Internet zu organisieren. Leider ist es hier so, dass Wireless Internet nur selten anzureffen ist und wenn, dann nur sehr langsames. Welcome to incredible India - ist das nicht die Nation der IT-Cracks, eine Hightech-Nation? Hier in Tamil Nadu oder Kerala spürt man davon jedenfalls (noch) nicht viel. Mit Pass- und Visakopien sowie Passfotos steuern wir ins Office und erklären unser Anliegen. Mitdenken ist angesagt - 2G ist nicht besser als 3G, nein. Und nein, wir wollen nur mobile Daten. Ja, auch mini-SD Karte für so ein i-Gerät. Aha, das müssen wir woanders zuschneiden lassen... das können sie hier nicht (wohlgemerkt: BSNL Customer Service Center hat keine Möglichkeit, mit einer kleinen Handpresse die normale SIM Karte auf das Miniformat zuzuschneiden - das kann jeder zweite kleinst Mobile Shop. BSNL ist der staatliche Telekombetrieb).

Beim Verlassen des Gebäudes stehen zwei neugierige Herren um unser Auto und der ältere der beiden stellt sich als Dr. Leslie vor, welcher ganz in der Nähe ein Projekt mit dem Namen "FfIRE" ins Leben gerufen hat. Er lobt unseren Wagen sowie den Mut den wir haben, auf so eine Reise zu gehen. Er lädt uns ein, ihn und sein Projekt zu besuchen und nach nur einer Rückfrage, ob wir da auch Platz hätten um eine Nacht zu verbringen sagt er ja, kein Problem. Bevor wir losfahren, teilen sie mit uns noch eine Wassermelone, welche mit Salz und Chillipulver veredelt ist und wunderbar schmeckt. Sie ist "hot".

Wir folgen ihnen rund 15 km aufs Land und kommen beim FfIRE Zentrum (www.ffire.info) an, wo wir gleich voll eingespannt werden. Dr. Leslie hat viele Jahre in internationalen NGO's gearbeitet und einen Master in NGO Management (neben 5 anderen Titeln...). Nach diesen Einsätzen hat er 1995 sein Erspartes genommen und seine eigene Vision umgesetzt: "Foundation for Infrastructure, Reconstruction and Employment". Die Stiftung hat zum Zweck, Unterprivilegierten oder Minoritäten unter die Arme zu greifen und hat fünf Schwerpunkte gesetzt: Gesundheit (HIV, Augengesundheit, Suchttherapie, ...), Ausbildung (Gemeinschaftscollege, Englisch, Entrepreneurship, Environment,...), Wirtschaftliche Förderung (Agrarwirtschaft, Schafstzucht, Gebrauchtwasseraufbereitung, Honigproduktion,...), Kultur (Frauenförderung, Urvölkerpflege, Altenpflege, Jugendförderung) und strategische Allianzen.
Bis heute lebt er ohne staatliche Zuwendungen für dieses ambitiöse Vorhaben.

Das FiIRE und IT-Team mit dem Initiator ganz links, Dr. Leslie. Es ist grad besonders
heiter, da wir ein Wort etwas falsch aussprechen - Mudra kann je nach Aussprache
Fingerzeichen oder eben Urin bedeuten. Das wissen wir nun auch...

Nachdem wir allen vorgestellt worden sind, werden wir bis spät in die Nacht über unsere Kultur oder die von uns bereisten Ländern ausgefragt. Aber auch wir stellen viele Fragen über was sie machen und die Nachhaltigkeit des Projektes. Dr. Leslie gibt uns auch ein paar Einblicke wie unser Auftreten von Einheimischen wahrgenommen werden kann, schiebt aber auch gleich nach, dass wir uns nicht bedingungslos anpassen müssen. Wir kommen aus einer anderen Kultur und das werde akzeptiert (Endlich sagt mal jemand Tacheles: Wenn Männer sich auf einen Stuhl setzen, setzten Frauen sich daneben auf den Boden...?!).

Ziemlich erschöpft fallen wir in den Schlaf und es ist wunderbar ruhig (bis auf die elenden Hähne, die schon in aller Herrgottsfrühe in unmittelbarer Nähe zum Auto ihren Schrei-Contest starten).

Um 6 Uhr gehts los und wir werden von Sohn Christie und seinem Freund Ganesh in die Steppe gefahren um nach wilden Elefanten Ausschau zu halten. Da gab es eigentlich vor zwei Jahren noch einen grossen See, der aber bis heute zu einem kleinen Fluss geschrumpft ist. Die Elefanten waren da, aber lange vor uns. Sie haben sich bereits in den Wald zurückgezogen. Dafür haben wir einfache Farmersleute getroffen, die in Palmhütten am Rande der Felder leben. Er meint, diese Menschen haben einfach nichts zum Leben und müssen teilweise nur mit einer Mahlzeit pro Tag auskommen. Sie wüssten teilweise auch nicht einmal, dass es andere Länder auf der Welt gibt. Sie leben ihr Leben lang auf diesem Flecken Erde, das ist ihr Zuhause.

Im Licht der aufgehenden Sonne...

... machen wir uns erfolglos auf die Elefantenpirsch...

... und haben dafür mehr Zeit, uns auf die hier lebenden Farmer...

... zu konzentrieren. Hier leben und überleben sie.
Es ist nicht viel vorhanden, womit sie das bewerkstelligen müssen.

Zurück im Zentrum gibt es Frühstück und danach gehen wir in die Suchtklinik. Dort sind rund 30 Alkoholkranke in einem Entzugs- und Resozialisierungsprogramm. Sie werden während 30 Tagen systematisch vom Alkohol entwöhnt, psychologisch betreut und auf ein neues Leben nach diesem Programm vorbereitet, indem sie sich einen 5-Jahresplan zurechtlegen müssen. Es ist beeindruckend, wie diese Männer mit Unterstützung der Familien sich von ihrem Suchtproblem befreien wollen und wir werden auch von ihnen überaus freundlich und neugierig aufgenommen. Auf die Frage, ob wir ein Foto machen dürfen standen einige bestimmt auf und kamen zu uns, um jeweils einzeln mit uns fotografiert zu werden.

Dann besuchen wir das Start-up Unternehmen des Sohns, eine IT Service Firma. Mittlerweile sind rund 10 Personen eingestellt, die aber teilweise sehr wenig bis mittelgute IT Kenntnisse haben. Darunter sind aber Tamilische Flüchtlinge aus Sri Lanka, deren einzige Chance es hier ist, für die Familie Geld zu verdienen. Viel Aufbauarbeit ist also noch gefragt, aber nur schon eine Internetlinie zu bekommen ist ein riesen Unterfangen. Seit zwei Wochen gehen die Jungs täglich zum staatlichen Telekomunternehmen BSNL und noch immer geht nichts. Das ist Indien - Die Beamten wohnen allesamt in schönen Häusern, vom Staat unterstützt und kriegen einfach nichts zustande. Dass sie damit die Wirtschaft ihres Landes nachhaltig schädigen ist ihnen vermutlich noch nicht gesagt worden (selber kommen sie ja kaum zu dieser Erkenntnis).

Natürlich kämpften auch sie hier mit Stromunterbrüchen, haben aber schon lange realisiert, dass sie das Problem für sich selber lösen müssen. Sie installierten eine leistungsfähige Solaranlage und Speicherbatterien, und sind so eigentlich weitgehend autonom - leider sind sie damit allein auf weiter Flur. Dabei gibt es hier Sonne wie Sand am Meer (von dem sie auch reichlich hätten als Rohstoff für eine eigene Solarzellenindustrie). Sie haben auch eine richtige Kompostieranlage installiert, sammeln Gebrauchtwasser zur Wässerung der Pflanzen oder haben Plastiksäcke auf ihrem Grundstück verboten.

Im eigens einberufenen Alliance-Meeting sitzt dann die ganze Belegschaft versammelt während fast zwei Stunden mit uns zusammen. Sie stellen ihre Arbeit vor und Fragen uns über unser Leben auf der Reise und daheim aus. Und alle geben sich dabei die Mühe, Englisch mit uns zu sprechen, was für sie ja auch eine Fremdsprache ist.

Alliance - Meeting; Interkultureller Erfahrungsaustausch...

Da wir viel zu spät dran sind für eine weitere Tagesetappe bleiben wir eine weitere Nacht hier und gehen zwischendurch nur kurz zu BSNL um unsere Mobile Internet SIM Karten abzuholen. Der Beamte hinter dem Schalter macht ein riesen Prozedere, um die Angaben auf dem Formular mit den Kopien des Passes zu vergleichen und stellt dabei fest, dass unsere Wohnadresse anders ist als im Pass - kein Wunder, im Pass steht ja auch keine! Das gehe nicht... und los geht die Diskussion. Offenbar steht im indischen Pass die genaue Adresse und bei jedem Wohnortwechsel muss ein neuer Pass ausgestellt werden, was hier vermutlich Monate dauert. Bürokratie! Dann will er die Behörde, die den Pass ausgestellt hat und Zürich versteht er nicht, so schreibt er dann "Schweiz Suisse Svizzera Switzerland" rein. Dass dies das gleiche einfach in vier Sprachen ist überfordert ihn - es steht ja so im Pass drin. Wir kriegen aber schlussendlich die SIM Karten - nur die falschen. Nein, wir wollen nicht telefonieren sondern nur Mobile Internet. Ja 3G, es steht doch auf dem Formular ganz zuoberst! Kann es sein, dass wir leicht genervt sind?

Zurück im FfIRE verbringen wir dann den Rest des Nachmittags und bekommen viel Besuch von Bewohnern. Etwas geschafft sind wir dann froh, wenn wir unsere Vorhänge ziehen und uns ins Bett legen können.

Ein Gedenkstein für die alten Menschen, welche in diesem Land ein besonders
schwieriges Los haben. Sobald verheiratet, ziehen die Kinder aus
und lassen die Eltern mittellos und einsam zurück.

Dr. Leslies Traum ist, hier auf diesem Boden auch noch ein Altersheim zu bauen.

 

05./06.04.2013

Ooty

Es gibt zwei Wege nach Ooty und der über Kotagiri scheint ruhiger und daher attraktiver zu sein. Die frisch asphaltierte Strasse windet sich von 300 müM auf bis zu 2600 müM und ist praktisch unbefahren. Je höher wir kommen, desto kühler wird es und der Weg ist gesäumt von sattem Grün und wechselt in leuchtendes Grün der Teeplantagen, die die ganze Berglandschaft überzieht. Wunderschön und eine Wohltat nach der Hektik der Kleinstädte, welche wir gesehen haben. Oben auf dem Aussichtspunkt angekommen gibt es wegen dem Dunst keine Fernsicht, so kehren wir zum Auto zurück und müssen uns durch einen Pulk von 20 oder 30 Schaulustigen zu den Türen vorarbeiten. Wir machen uns rasch aber höflich aus dem Staub - wir brauchen mal etwas Ruhe.

Die Mittagspause ist herrlich! Kühle Bergtemperaturen um die 19 Grad, frische Luft und Ruhe! Unser vergammeltes Brot überlassen wir einer Kuh, die da grast und beglücken damit nicht nur sie, sondern auch einen Inder, der diesen Akt der Ehrung beobachtet. Er lädt uns in sein Dorf ein aber wir lehnen ausnahmsweise dankend ab.

Highway to heaven: In 2600 Meter über Meer ist es herrlich
kühl - und Tee sowie Gemüse gedeiht hier prächtig.

Ooty selbst ist ein typisches Städtchen wie wir es schon oft gesehen haben und unterscheidet sich primär durch das Klima, welches auf rund 2200 müM angenehm frisch ist. Es sei die Honey Moon Location schlichtweg und kommt kurz nach der Traumdestination Schweiz - halt eben wenn die Mittel nicht ausreichen. Wir würden trotzdem lieber etwas länger sparen und in die Schweiz fliegen... der Markt jedenfalls ist sehr schön und es gibt viel zu bestaunen. Besonderes Merkmal ist aber die Schmalspur-Zahnradbahn made in Switzerland. Wir konnten sie zwar mangels Autoverladmöglichkeiten nicht selber erleben, andere Reisende haben aber sehr von der wunderschönen Strecke geschwärmt.

Ooty Town...

... bietet viel typisch Indisches ...

... und wer wagt den Knoblauch-Test? Chinesisch versus Indisch. Unser Magen sagt
nach dem Indischen: Bis hierher und keinesfalls weiter!

Ooty Zentrum

In der Nacht können wir endlich mal wieder den Schlafsack benützen und es wird sehr ruhig. Doch irgendwie hat bisher fast jeder Nachtplatz eine kleine Überraschung parat gehabt und so kommt in aller Herrgottsfrüh eine Sirene zum Einsatz, die uns unangenehm an eine Bomberwarnung erinnert. Wir wissen nicht wofür sie ist, aber da wir nun schon wach sind hören wir dem Imam zu, der deutlich vor 6 Uhr seine Psalme über Lautsprecher verliest.

Weil es nach der 3 Wochen Hitze so schön erfrischend kühl ist schalten wir noch eine Zusatznacht ein und organisieren uns im vermutlich einzigen Coffeeshop, den wir finden können. Heute kommen rund 30 Inder aus Bangalore mit dem Fahrrad im YWCA Guesthouse an - die meisten jedoch mit dem Besenwagen. Sie machen einen Wochenendausflug und wir verstehen am nächsten Tag, warum soviele es nicht aus eigener Kraft geschafft haben. Das ist ein ordentlicher Anstieg, welcher bei diesen Temperaturen ganz schön Energie braucht.

Christliche Institutionen wie das YWCA haben bei uns bisher einen ziemlich faden Nachgeschmack hinterlassen: Von wegen Nächstenliebe und dergleichen - Mehr als überall sonst muss man mit den Leuten diskutieren um in der Regel abgewiesen zu werden. Oder sie kassieren einem einfach schamlos ab: Zwei Gruppen von Touristen, die am Abend ankamen, mussten die erste Nacht ein teures Zimmer nehmen, obwohl die Dorms frei waren. Erst am nächsten Tag sei Platz frei und sie können umziehen. Auch bei uns wollten sie die gleichen Preise wie für ein Dorm verlangen, obschon wir weder Dusche noch ein Bett benutzen. Und die Toilette war definitiv nicht so sauber wie in den Zimmern. Der Receptionist hat dann aber eingelenkt und uns einen faireren Preis zugesagt.

 

07.04.2013

Mudumalai National Park

Die Fahrt von Ooty herunter in die Ebene des riesigen Nationalparks ist sehr kurvig und führt erst durch Tee- und später auch Gemüseplantagen, Kiefernwälder und weiter unten in karge Busch- und Steppenlandschaft. Wir nehmen den Umweg über Gudalur, weil offenbar die kürzere Strecke über Thalaikundah für Privatverkehr gesperrt sei. Später in Masinagudi stellen wir dann aber fest, dass dies nur Unkenrufe sind und die noch spannendere Bergstrecke tatsächlich problemlos befahren werden kann - sofern man ein bisschen Autofahren kann. Offenbar sind sich Flachlandinder aber nicht gewohnt in Berggebieten zu fahren und jährlich fallen der Strasse immer wieder Automobilisten zum Opfer, deren Bremsen versagen oder sie Kollisionen verursachen, weil es für sie zu eng ist.

Mudumalai erreicht man eigentlich problemlos auf einer knapp einspurigen Strasse wo man immer wieder auf den unbefestigten Teil ausweichen muss, um den Gegenverkehr passieren zu lassen. Nach einer kurzen Mittagsrast und ein paar Mahindra Fotos (Indische Jeeps) suchen wir dann das "Jungle Hut Resort", wo wir guter Hoffnung sind übernachten zu können. Tatsächlich finden dieses Idyll und verhandeln uns einen ruhigen Standplatz und unserem Passagier, welchen wir von Ooty mitgenommen haben, ein herrlich schönes Zimmer. Der Umschwung ist riesig und gegen Wildtiere nicht geschützt. So setzen wir uns auf eine Steinbank und beobachten rund 20 Fleckenhirsche, wie sie in Steinwurfdistanz an uns vorbeiziehen. Im Geäst über uns tummeln sich zwei Affen und ziehen eine beachtliche Sprungperformance ab, bevor sie unseren Blicken entschwinden.

So sehen hier die "Haustiere" aus: Hanuman-Languren
(nach dem Indischen Affengott Hanuman benannt) ...

... und Fleckenhirsche halten sich gerade auf dem Grundstück auf

Und hier hängen Cashew-Nüsse herum: Oben die Frucht, unten die Nuss.

Wir mieten einen Fahrer mit seinem Mahindra Jeep an, um uns mehr Wildtiere zu zeigen zu lassen. Der Jeep ist übrigens eine Nachahmung des Willis Jeep der Amis und hier das meistgesehene Fahrzeug noch vor Tatas. Man würde allerdings nicht erwarten, dass der hübsche Mahindra rund 10 Jahre weniger auf dem Buckel hat als unserer. Wir tuckern also los und unterwegs steigt noch die Polizistin zu, die ins benachbarte Dorf muss. Wir betrachten das als vertrauensfördernde Massnahme und lassen sie selbstverständlich auf unsere Kosten mitfahren...

Mahindra (in starker Anlehnung an den amerikanischen Willis Jeep) neben
Toyota? Welcher ist älter? Toyota 1986 vs. Mahindra 1996.


Und wir haben einen guten Abend erwischt, da schon bald die erste Elefantenfamilie im Gebüsch darauf wartet, dass es auf der Strasse ruhiger wird und sie sich von der Tränke weg ins Dickicht des Dschungels schlagen können. Wir fahren an ihnen vorbei und warten 20 Meter weiter vorne mit abgestelltem Motor, bis sie sich gemächlich aus dem Schutze des Geästes auf die Strasse hinter uns bewegen. Die sind echt, also wirklich wild! Beeindruckend, wie sie davon trotten. Wir beobachten noch weitere Elefanten, zwei weiteren Hirscharten, Wildschweine, Pfauen und Affen und können eigentlich zufrieden sein. Leoparde, Tiger und Bären sind Glückssache und eher bei den viel teureren Touren von stattlichen Guides zu erwarten, weil die tiefer ins Dickicht führen - aber auch die brauchen viel Glück.

Das ist wohl ernst zu nehmen...

... denn die hier sind echt und wild und keine 20 Meter von uns entfernt.

Man will sich nicht mit 3 bis 5 Tonnen Ärger belasten, oder?

Dies ist ein gezähmter Elefant mit herrlichen Stosszähnen um Schwerstarbeit zu leisten

Ein Riesenfalter mit rund 20 cm Spannweite - die runden Flecken
spiegeln doch tatsächlich!

Ein erstklassiges Buffet zum Nachtessen rundet den Tag ab und eine Nacht mit eindrücklichen Wildtiergeräuschen und intensivem Gezirpe steht an.

 

08.04.2013

Mysore

(Staat Karnataka)

Wir stellen so nebenbei fest, dass der Besitzer des Resorts eine aktive und erfolgreiche Rennfahrer-vergangenheit hinter sich hat und erst seit zwei Jahren pausiert. Das erklärt zumindest zum Teil seine Neugier bezüglich unseres Wages. Es sind sehr viele Auszeichnungen von Motorrad- und Autorallies zu sehen und er fuhr auch einmal die Himalayian Rallye, welche auf über 6500 Meter über Meer führt. Das ist vermutlich eine der verrücktesten Rallies, welches es auf der Welt gibt. Er wurde lange Zeit von Yokohama, einem Reifenhersteller gesponsert und wer weiss, vielleicht fahren wir ab Delhi mit Yokohama Reifen weiter.

Das Team des "Jungle Hut Resorts" und Vikram der Rennfahrer (Mitte)

Mudumalai National Park - einen Besuch wert auch wenn wir keine
wilden Tiger oder Leoparden gesehen haben

Durch den Park und diesmal ohne Elefanten gelangen wir nach Mysore. Wie immer ist völlig überraschend, wie einfach wir teilweise an Nachtplätze herankommen. Auf Anhieb erlaubt uns der Security Manager des noblen Hotels an zentraler Lage auf dem Parkplatz zu nächtigen, organisiert uns gleich noch eine Rikscha zum Palast und rät uns auch noch, die Musik-Springbrunnen etwas ausserhalb der Stadt zu besuchen. Diese kommen in diversen Bollywoodfilmen vor und sind daher ein Publikumsmagnet.

Der Palast von Mysore ist umwerfend schön und äusserst beeindruckend. Nach einem Vollbrand wurde der neue Palast 1912 fertig gestellt und beinhaltet Glas-, Blech- und Malerarbeiten, die einem mit offenem Mund staunen lassen. Ein Märchenpalast in bunten Farben und viel Raum für umfangreiche Zeremonien. Die Thronfamilie hat von 1399 bis 1947 mit nur kurzen Unterbrüchen regiert und das Königreich wurde erst danach in Indien richtig einverleibt.

Mysore Palace - Ein Märchenpalast aus dem frühen 20sten Jahrhundert

Wir treffen da auf Axel, ein Franzose, welchen wir in Ooty kennen gelernt haben. Spontan steigen wir zu ihm in die Autorikscha und fahren zu einem Hersteller von Beedis (Zigaretten). Irgendwo in kleinen Räumen werden jeden Tag tausende Zigaretten aus reinem Tabak gedreht und wir können den ganzen Prozess anschauen. Die Männer sitzen einfach auf dem harten Steinboden, schneiden mit einer Schere die Blätter zu, rollen diese und füllen sie mit Tabak. Und die Dinger schmecken noch ganz gut!

In der Schale auf den Knien ist das Tabakpulver, welches er geschickt in
die zuvor zugeschnittenen und gerollten Blätter stopft

Die Blätter werden mit einer kleinen Schablone, ein Stück Bleck, in Form geschnitten

Danach gehts gleich nochmals weiter durch enge Gassen, bis wir in einer Mini-Produktion von Räucherstäbchen und Duftessenzen ankommen. Hier gibt es Räucherstäbchen, wovon jedes einzelne von Hand gefertigt wird - Pro Arbeiter bis zu 6000 Stück pro Tag! Im Gegensatz zu anderen sind diese hier biegbar und brennen wesentlich länger. Sie duften herrlich nach Sandelholz, Jasmin oder Rosen.

Räucherstäbchen vor dem Haus zum Trocknen ausgelegt

Kritischer Blick der Spezialistin - daraus wird nie was!

Und kaum kommen wir auf dem Hotelparkplatz an, steigen wir von der Autorikscha ins Taxi um und fahren die rund 20km zum Staudamm, wo die illuminierten Gärten sowie die Musik-Springbrunnen sind. Bevor wir uns ins Gedränge stürzen stärken wir uns noch mit Gobi Manchurian - Rosenkohl mit einer roten, scharfen Sauce mariniert. Das waren die besten, die wir hier in Indien bisher gegessen haben. Sehr kitschig aber doch schön sind die Brunnenanlagen, welche zu Musik orchestriert und mit farbigem Licht beleuchtet stetig wechselnde Bilder abgeben. Als es dann aber langsam dem Ende der Vorstellung zugeht fällt mal wieder der Strom aus, so scheint es, und alles ist dunkel: Und das passiert direkt unter dem Wasserkraft-Stauwerk... was soll man davon halten?! So verpassen wir die illuminierten Gärten und kehren mit dem Taxi zurück in die Stadt.

Gobi Manchurian (Rosenkohl mit Manchurian Marinade) - es sieht zwar
nicht danach aus aber es sind die besten bisher gewesen.

Mit Licht und Ton choreografierter Springbrunnen

 

09.04.2013

Sri Ranga Patnam

 

Bevor wir losfahren müssen wir unbedingt noch ein paar Dinge in Mysore anschauen - zuerst braucht es noch ein Bild vom Palast mit Morgensonne. Die eindrückliche Front kommt so besonders gut zur Geltung. Im Palastpark werden gerade die Elefanten gepflegt und die Polizisten, die Wache schieben, lassen uns gegen ein paar Rupies zu den Pflegern. Die lassen uns mal kurz aufsitzen - gegen ein paar Rupies "only" natürlich. Aber so ohne Sattel und nichts auf einem Dickhäuter zu sitzen beeindruckt uns mächtig! Für's Abschlussbild legt der Riese seinen Rüssel vertraulich auf unsere Köpfe...

Mysore Palace: Ostansicht im Licht der Morgensonne

Palastelefanten aus nächster Nähe...

... mit freundlichem Rüsselauflegen...

... und beim Schlendern vor dem Mysore Palast

Um auf den Markt zu gelangen müssen wir vom Osteingang des Palastes um den Palast herum, am Nordeingang vorbei. Und da angekommen, schlendern unsere Dickhäuterfreunde vor dem Palast vorbei und geben ein wunderbares Fotosujet ab. Wie das wohl vor vielen Jahrzenten ausgesehen haben mag, wenn die letzten Maharadschas hier Feste zelebrierten oder sich sonst im Palast bewegten?

Der alte Markt ist der bisher schönste, den wir in Indien besuchten. Blumen, Gemüse, Früchte, Ölessenzen und farbiges Gulal-Pulver wird hier in jeder Form angeboten. Die Stände sind äusserst sorgfältig präsentiert eine wahre Augenweide! Aber der Gag des Tages lieferte ein Ölessenzenhändler, der uns ein Gästebuch von allen Schweizer-Kunden vorlegt... dabei zeigt er auf einen Stapel Bücher, von jedem Land eines. Diese Bücher wurden bereits von seinem Vater geführt und er lebt dieses Konzept noch immer weiter.

Sorgfältig gestapeltes Gemüse

Tomatenhändler

Ingwerhändler

Gulal Farben- und Essenzenhändler

Erschöpft von den ersten Eindrücken des Tages muss eine Kaffepause her und wir finden das "Indra Cafe" gleich in der Nähe des Markteinganges. Wir trinken den üblichen Kaffee mit Milch und Zucker, den man sorgfältig aufgiesst um das Aroma zu verstärken. Und weil die Auslage an Süssspeisen so einladend aussieht, probieren wir der Reihe nach ein paar der Leckereien aus. Indisches Marzipan (oder so ähnlich), eine Kugel mit Datteln, Nüssen und weiteren Ingredienzen sind nur zwei Beispiele davon, wie man hier freudvoll Pfunde zulegen kann.

In einem Stoffladen decken wir uns noch mit reinen Leinen ein, welchen wir bei einem Nähatellier zu leichten Decken umarbeiten lassen.

Ganz in der Nähe von Mysore findet man Sri Ranga Patnam, bekannt für sein altes Fort und die Palastanlage (Lal Mahal Palace) sowie die Sommerresidenz des Herrschers Tipu. Insbesondere die Daria Daulat Bagh, die Sommerresidenz Tipus entpuppt sich als wares Juwel. Der Palast ist rundum innen und aussen mit Kriegsszenen bemalt und weist architektonische Elemente verschiedener Religionen auf. Schade, sind Kameras hier nicht zugelassen.

 

10.04.2013

Sravanabelagola

Belur

Halebid

Durch den täglichen Wahnsinn des indischen Strassenverkehrs fahren wir nach Sravanabelagola, wo die bekannte Gomateshvara-Statue auf der Kuppe eines Felsens thront. Über rund 650 Stufen gelangt man in die Tempelanlage, die nach der Fertigstellung 981 n. Chr. um diese ungewöhnlich fein gearbeitete, rund 15 Meter hohe Statue geschaffen wurde. Auf dem Weg nach oben kommt uns ein komplett nackter Mönch entgegen und das hat wohl geschichtlichen Hintergrund. Die Statue bildet einen Königssohn ab, der nach heftigen Kämpfen um die Thronfolge sämtlichen materiellen Dingen entsagte und sich nackt, reglos meditierend auf die Erleuchtung vorbereitete. Weinranken um seine Beine zeugen von der langen Meditationsphase... Was aber noch eindrücklicher ist, ist die Tatsache, dass vom Fusse des Berges bis zum Haupt des Meditierenden alles aus einem Stück Fels ist.

Die Gomateshvara-Statue muss man sich in der brennenden Mittagssonne
erstmals hart verdienen, da man die 650 aufgeheizten steinernen Stufen
barfuss erklimmen muss.

Es lohnt sich aber auf jeden Fall! Die über 1000 Jahre alte
Statue sieht aus wie eben erst fertig gestellt

Ein weiteres Besuchsziel ist der Channakeshava Tempel von Belur. Mit dem Bau wurde vor rund 900 Jahren begonnen und es dauerte an die 100 Jahre, um ihn fertig zu stellen. Es ist wieder ein komplett anderer Tempel im Vergleich zu den vielen, die wir schon gesehen haben. Die Steinreliefstrukturen, welche den ganzen Tempel innen und aussen dekorieren sind von unglaublicher Feinheit und Detailtreue - kein Wunder haben sie so lange für die Fertigstellung gebraucht! Aber offenbar sind Inder öfter an uns als an den Reliefs interessiert und wir dürfen für viele Fotos hinhalten...

Stimmungsbild aus dem Innern des Channakeshava Tempel von Belur...

... welcher komplett mit allerfeinsten Steinreliefs überzogen ist.
Es wurde rund 100 Jahre an diesem Wunderwerk gearbeitet

Schlussendlich erreichen wir Halebid. Der lokale Tempel errinnert an denjenigen von Belur und hat als kleine Besonderheit zwei grosse Nandis, Stiere auf denen Shiva geritten ist. Sie bewachen den Tempel und schauen stolz in die untergehende Abendsonne.

Jeder geniesst die Abendsonne...

... und auch Nandi, der Stier Shivas, erhascht noch letzte Sonnenstrahlen...

... vor dem Tempel in Halebid, welcher ebenfalls mit herrlichen
Steinarbeiten bezaubert

Wir schlendern durch die Hauptstrasse auf der Suche nach etwas, was wie ein Restaurant ausschaut. Doch das einzige, was wir finden, schliesst gerade. Vielleicht kriegen wir hier ja wenigstens noch ein redlich verdientes Bier? Dafür muss man in eine sogenannte Bar gehen. Nur da wird Alkohol verkauft und natürlich trifft man auf die grösste Dichte von Alkoholikern. Wir kaufen "Knock Out" (8 Volumenprozente, also eine vortreffliche Namensgebung für ein Bier), warten aber vergebens auf das versprochene Ergebnis...

 

11./12.04.2013

Hampi

 

Über enge Asphaltstrassen und Schotterpisten fahren wir in die Ruinenstadt Hampi. Kaum können sich zwei Fahrzeuge auf dem Asphalt kreuzen. So hält man drauf bis im letzten Moment, um danach nach hierarchischem Prinzip mit einem Schlenker aufs Kiesbett auszuweichen. Hierarchie heisst Bus vor Lastwagen vor Pickup vor ... Ochsenkarren. Wir haben wenig Lust auf Kraftproben und weichen eher öfter und vorausschauender aus, als es ein Inder machen würden.

Das wird wohl je länger je mehr wieder unsere Realität...

Wir werden öfter bei diesen unsinnigen Checkpoints oder auch "Verkehrsberuhigungsmassnahmen" angehalten nur um nutzlose Statistiken zu füllen (Kennzeichen?, Wohin?, Name?), bisher aber nicht um
Papiere vorzuweisen. Was sie auf ihren Zettel schreiben ist unleserlich und voll von Schreibfehlern, weil sie uns nicht verstehen. Es sind alle sehr freundlich und natürlich einfach neugierig. Man muss schon auch mal die Hecktüren öffnen und ihnen einen Blick in unser Reisemobil ermöglichen.

Nutzlose Checkpoints überall - wenn nicht Zeitverschwendung können sie durchaus
auch Todesfallen werden. Oft werden sie zur Verkehrsberuhigung eingesetzt, tatsächlich
verursachen sie teilweise mehr und schwerere Unfälle, als wenn sie nicht da stehen würden.
An einer Strasse, wo wir uns göttlich über die Dinger aufgeregt haben sind eine Woche
später an einem Tag 10 Menschen in zwei schweren Unfällen gestorben.

Keine Angst, die stehen hier überall herum und ...

... und sind, wie man sieht, wirkungslos. Wie lange der Laster hier schon mitten
in der Strasse steht wissen wir nicht - aber das ist hier einfach normal.
Man kann sich übrigens bestens ausmalen, was mit dem Fahrer, der
in Indien ja rechts sitzt passiert ist. Die sitzen normalerweise auf
Gartenstühlen im Cockpit und haben so freie Flugbahn nach vorne.

Zwischendurch muss bei einem abgelegenen Kaffeehaus eine kurze Pause sein und wir können dabei "Steinmetzen" der neuesten Generation bei der Arbeit zuschauen: Keine Schutzhandschuhe, keine Schutzmaske und manchmal auch keine Schutzbrille... Die SUVA würde das wenig amüsant finden.
Mit Trennschleifen wird der Stein in Form gebracht und die Präzision, mit der sie die Steine bearbeiten ist ziemlich beeindruckend.

Die Moderne hat auch bei den Steinmetzen Einzug gehalten

Wir nähern uns Hampi und fahren kurz davor durch ein Dorf, in welchem die Strasse saniert und verbreitert wird. Die üblicherweise sehr engen Gassen werden in so einem Fall rigoros durch Bulldozer erweitert, egal ob da bewohnte Häuser sind. Wir beobachteten dies schon öfter zuvor, dass einigen Häusern in der Nähe von Autobahnprojekten die komplette Fassade fehlt. Die neue Front gewährt skurrile Einblicke, so sind teilweise noch Betten oder anderes Mobiliar in der klaffenden Öffnung zu sehen. Hier in diesem Dorf wurde aber extrem gewütet und wir fragen uns, wie sich wohl die Anwohner fühlen, wenn vorne das Wohnzimmer eingerissen und irgendwann eine 4 spurige Strasse vor die Türe gepflastert wird. Wohlgemerkt fehlt hinten heraus der Platz um anzubauen und den verlorenen Wohnraum zu kompensieren. Weg ist weg.

Glück gehabt in dem Sinne, dass "nur" der Vorgarten
der neuen Hauptstrasse weichen muss

Die ersten Tempelruinen kommen in Sicht und eine bezaubernde Landschaft aus Fels, Reisfeldern und Ruinen öffnet sich vor uns.

Am nächsten Tag fahren wir auf Erkundungstour und können die Weitläufigkeit der Anlage kaum fassen, vor rund 400 Jahren lebten hier aber 500'000 Einwohner und ein reger Handel vorallem mit Edelsteinen fand statt. Ein anderer Herrscher beendete aber jäh das goldige Zeitalter dieser Gegend und heute spielt sich ein anderer Kampf ab: Die wenigen Einwohner werden systematisch aus dem kleinen Backpacker-Dorf vertrieben, da alle Ruinen geschützt, erforscht und ein grosses Tourismus-Business aufgezogen werden soll. Das erklärt auch das überdimensioniert angelegte Strassenbauprojekt. Fakt ist aber, dass diese Ruinenstadt sehr attraktiv ist und es viel zu entdecken gibt. Die Elefantenstallungen, der Lotuspalast (Liebesnest der Königin) und der Vittala Tempel haben uns am besten gefallen. Hampi Bazaar hat leider sehr unter den Massnahmen der Regierung gelitten und bietet einen traurigen Anblick - was vermutlich in den nächsten 50 Jahren nur noch schlimmer werden wird.

Talarighat-Tor, eines von vielen Ruinen, wo man direkt mit dem
Fahrzeug hindurch fahren kann

Steinerner Rath (Tempelwagen) mit ehemals drehenden Rädern im ...

Vittala Tempel

Was denn?! Anleitung steht doch hier am Boden!

Tempel in Hampi Bazaar

Stallungen der königlichen Elefanten

Lotuspalast - das königliche Liebesnest

Und ja, das ist - sorry - war einmal Hampi Bazaar. Rund um den Tempel ist ein eigentlich...

...hübsches Backpackervillage entstanden. Die Regierung macht jetzt alles platt und
wir bezweifeln, dass es sich in den nächsten 50 Jahren lohnt, wieder hierher zu kommen

Während wir vom einen zum nächsten Tempel fahren hören wir plötzlich von einem Motorrad jemanden rufen und winken, also halten wir kurz an. Es sind zwei Inder, die hier leben und selber schon in Europa zu Besuch waren - ähnlich wie wir mit dem Auto. Sie machten auch einen Abstecher in die Schweiz.
Sie können ihre Begeisterung kaum verbergen, als sie erfahren, dass wir tatsächlich den ganzen Weg hierher gefahren sind und wollen uns zu einem Kaffee zu sich einladen. Wir folgen ihnen also über eine Schotterpiste zu ihrem kleinen Paradies wo - man glaubt es kaum - Holstein Kühe (aus Holland) grasen und ein Dalmatiner sich im Schatten eines Fiats ausruht. Sie sind beide halbe Europäer und zeigen stolz ihr Fotoalbum mit Bilder von ihrer Reise (sie haben mehr Papierfotos von der Schweiz zu zeigen als wir). Eigentlich sind sie Farmer, verfolgen aber einwenig andere Ansätze und schaffen sich so eine eigene Nische. Der Honig bekommt durch die Mango- und Bananenpflanzen einen unvergleichlichen Geschmack.

Wir suchen danach vergeblich das Mango Tree Restaurant und müssen erfahren, dass dieses bereits dem Regierungs-Masterplan zur Umsiedelung der Bevölkerung zum Opfer gefallen ist. Die einstmals atemberaubende Aussicht musste vor drei Monaten aufgegeben werden, als ihr Laden dicht gemacht wurde. Jetzt steht ein Provisorium im Bazaar - wer weiss noch wie lange? Schade, denken wir uns nur und haben schon wieder eine gute Ausrede, hier keine Ansichtskarten zu schreiben.

Am Abend treffen wir auf dem Parkplatz noch eine Gruppe mit einem etwas speziellen Reisekonzept: Ein Engländer und ein Südafrikaner haben sich eine Honda Hero, das lokale Fortbewegungsmittel Nummer eins, gekauft und wollen Indien in einem Monat damit durchreisen. Zwei Monate für rund 8000 km ist für uns schon heftig - sie wollen etwa die gleiche Strecke in der halben Zeit machen. Auf einer 150 ccm Maschine. Ohne Schutzkleidung, Handschuhe oder dergleichen - nur mit einem Helm ausgestattet. Im Begleitfahrzeug mit einem Inder und zwei Freunden wollen sie diesen Marathon durchziehen. Die erste Sau haben sie schon über den Haufen gefahren und sich dabei Verletzungen zugezogen - eine verrückte Idee und wir wollen sicher nicht mit ihnen tauschen.

Crazy Dudes - mit zwei Honda Heros (150ccm) in 30 Tagen durch Indien

 

13.03.2013

Mahukuta

Badami

Wir haben schon viel von den farbefrohen Festen gehört, die in Indien gefeiert werden. Das Holifest wird anlässlich des Frühlingsbeginns nach dem Mondkalender gefeiert. Jeder wird mit gefärbtem Wasser und Gulal (Farbpulver) überschüttet. Ähnlich wie das Wasserfest in Thailand kann es ziemlich abartige Formen annehmen und wir fanden es anfangs ganz witzig, wie überall die von oben bis unten mit Farbe verspritzten jungen Männer durch die Strassen ziehen.
Die Freude nimmt aber schnell ab, sobald wir zum Zielobjekt für Farbangriffe werden. Die erste Ladung trifft uns heftig und wir sind nur teilweise vorbereitet - die Fenster des Fahrers und Beifahrers sind zwar geschlossen (doch warum kriegen wir trotzdem Farbe ab?), die Heckfenster liessen sich so schnell aber nicht schliessen. Abgesehen davon, dass die Farbpigmente sich sofort auf dem 27 jährigen Lack einbrennen (rund 40 Grad im Schatten, das Blech ist so heiss, dass man darauf Spiegeleier braten könnte) kriegt unser "Wohnraum" eine volle Ladung ab und die Polster und Vorhänge sind gesprenkelt blau. Noch ärgerlicher wird es, als der sofortige Versuch, die Farbe abzuspülen scheitert und die Farbe sich stellenweise nicht mehr entfernen lässt.

Farbe überall - das Zeug ist aber unheimlich kräftig und lässt sich...

... auch auf der Haut kaum entfernen. Ein 27 jähriger Lack auf über 50 Grad warmem
Blech verinnerlicht die Pigmente umgehend und nachhaltig.

Wir fahren weiter und kommen ins nächste Dorf, wo wir an eine Strassensperre von jugendlichen heranfahren - alle gut ausgestattet mit Farbe, ready to spread. Da müssen wir durch und egal ob wir Weggeld bezahlen würden oder nicht - die nächste Ladung ist uns mit diesem Fahrzeug eh sicher. Also kräftig aufs Gaspedal treten und ein voller Lufttank ins Horn entleeren, sodass die Schrecksekunde und die folgende Paralyse das übelste verhindern können. Aber wir bleiben trotzdem nicht verschont und zum blau erhalten wir nun auch noch pink verpasst.

Weil uns die Lust am Seightseeing etwas vergangen ist, lassen wir die bekannten Tempelgruppen um Aihole und Pattadakal aus, da diese gerade im Farbwurf-Meltingpot lagen.

Aber die Reise geht weiter und wir teilen das Schicksal mit vielen anderen Fahrzeugen, die bunt gesprenkelt daher kommen. Das freut uns natürlich, so trifft es auch Einheimische. Wir halten noch beim Mahukuta Tempel an, welcher eine heilige Quelle besitzt. Mitten drin ist das übliche Becken, nur eben diesmal mit heiligem Wasser gefüllt. Und einer Menge von schreienden, spritzenden und lachenden Männern in Unterhosen, die sich da drin ein Bad gönnen. Für uns ist der Spass sicher grösser, dem Treiben zuzuschauen als selber mitzumischeln. Das Bad bedeutet für viele auch einen Ersatz für eine Pilgerreise an den Ganges, daher die grosse Menschenmasse. Am Ausfluss des Beckens werden dann noch die Lunghis (Stoffe für die Röcke der Männer) und Saris (Kleidungsstücke für die Frauen) gewaschen.

Mahukuta Tempel mit eigener heiliger Quelle, welche eine Pilgefahrt
zum Ganges ersetzen kann...

... was auch erklärt, warum im Becken ein ...

... derartiges Toben herrscht

Und wie so oft hat sich eine kleine Traube von Menschen um unser Vehikel angesammelt und bei der Rückkehr vom Tempel bleiben wir noch eine gute halbe Stunde stecken, bis wir dann die meisten Fragen beantwortet haben.

In Badami befinden sich in Stein gemeisselte Höhlentempel, die wir noch besuchen wollen, bevor wir dann Feierabend machen. Die Aussicht von der höchstgelegenen öffnet sich über ein weites Becken in einem grünen Tal, welches von Felsen umgeben ist. Das ist ein unerwarteter Anblick in dieser Gegend, da sehr schön gepflegt und so haben wir wieder eine ganz andere Art von Tempel kennen gelernt. Nach dem Spass kommt dann die Arbeit und wir sind sicher noch vier Stunden damit beschäftigt, den Wagen innen und aussen von der Farbe zu befreien - so gut es geht. Leider bleiben trotz Seife, Benzin oder Diesel deutlich sichtbare Spuren zurück, die nun wohl einfach zur Geschichte dieses Reisemobils gehören und den Liebhaberwert erhöhen werden.

Die Höhlentempel von Badami


14.-18.03.2013

Goa
Agonda Beach

(Staat Goa)

Von einem Fahrer, den wir auf dem Hotelparkplatz getroffen haben, erhielten wir einen attraktiven Routenvorschlag. Wir tauchen in eine zunehmend unbewohnte Landschaft mit Baumwollfeldern ein und sind schlussendlich den überwiegenden Teil in einem riesiegen Nationalpark unterwegs.

Baumwollfelder - allerdings herrscht ungewöhnliche Trockenheit im ganzen Süden

Wer sagt denn, dass Wasser holen langweilig ist?

Auf der Fahrt von Badami in die Provinz Goa werden wir immer wieder angehalten - sei es, dass wir mit Indern ins Gespräch kommen, während wir sie auf ihrem Motorrad überholen, wir von einem Fahrer eines richtigen Willis Jeep aus Neugier ausgebremst und ins Kiesbett gewunken werden oder erstmals auch von der Armee, die am Strassenrand Kontrollen macht und gebieterisch mit ihrem Bambusstöckchen Anweisungen erteilen. Mit dem Schweizerformat des Führerausweises (wir testen die Beamten gerne ein bisschen, den internationale Ausweis haben wir natürlich auch) sind sie überfordert und nachdem sie alle Bauklötze ins Fahrzeugheck gestaunt haben, dürfen wir weiter. Wo können wir bloss so ein praktisches Bambusstöckchen erhaschen?
Und ganz zum Schluss liegt mitten auf der Strasse noch eine aufgeblähte tote Kuh, deren heilige Schutzengel wohl gerade mal kurz Pause von ihrer besonders schwierigen Aufgabe machen mussten.

Michael steht stolz vor seinem originalen Willis Jeep, welchen er selber restauriert hat

Die Ankunft am Südzipfel des Agonda Beach ist enttäuschend: Kein einziges Ferienmobil steht hier! Wo sind all die Overlander, die hier sonst Monate lang campieren? Saisonende - das muss wohl der Grund sein. Die Strände sind leer und viele der Strandhütten sind bereits im Abbruch, da gemäss Gesetzt nach Saisonende alles wieder zurück gebaut werden muss. Was für ein Leerlauf und von wegen Küstenschutzgesetzt - das ist wieder eine dieser Bürokratiemassnahmen, sodass im nächsten Jahr wieder sieben verschiedene Bewilligungen eingeholt werden müssen und entsprechende Gelder fliessen.

Agonda Beach in Goa, der ruhigste aller Strände hier. Am Fusse des Hügels ist die
bekannte Overlander-Campsite, die um diese Jahreszeit verlassen ist

Kühe am Strand - nicht gerade das, was man sich als Schweizer unter einem
idealen Weidegrund vorstellt...

Wir wollen hier richtig Urlaub machen und einige Dinge für die Weiterreise erledigen. Darum suchen wir das schönste der wenigen noch geöffneten Bungalow-Resorts aus und geniessen dort ein richtiges Bett, eine schattige Veranda und ein eigenes Badezimmer unter freiem Himmel!

Blog-Timeout für ein paar Tage.

Urlaub am Agonda Beach mit den schönsten aller bisheriger Sonnenuntergänge

 

19.-21.04.2013

Candolim
Goa

Candolim ist ca. 60 km nördlich von Agonda und schon wesentlich belebter, wenn auch hier das nahende Saisonende deutlich zu spüren ist - die Lobster mögen sich freuen, die Fangquoten werden wegen der abnehmenden Nachfrage reduziert.

Wir verbringen hier ein paar Tage mit Matthias und Isabelle, zwei CH-Expats, sowie Freunden von ihnen, die hier auch gerade Urlaub machen. Wer hätte damals im Studium gedacht, dass man sich mal in Indien treffen wird? Von Appenzell nach Pune - was für ein Kulturwechsel!

Wir sind der Einfachheit halber erneut in einem Hotel einquartiert und kriegen so mit, was uns dank unseren eigenen "vier Wänden" in der Regel erspart bleibt: Unsere Erwartungen und die Realität klaffen weit auseinander. Immer wieder fällt der Strom aus und das WiFi, welches wir so dringend benötigen, funktioniert an zwei der drei Tage gar nicht. Ein eigenes Parking mit Gate haben sie trotz spezifischer Anfrage nicht, aber wenigstens sind die Zimmer sauber. Um den Pool machen wir einen grosszügigen Bogen, da es hier offenbar zum Reinigungsritual gehört, sich das halbe Hirn aus der Nase ins Wasser zu rotzen. En Guete! Schlussendlich wollen sie uns noch Minibarverbrauch verrechnen, obschon wir unseren eigenen Kühlschrank dabei haben. Die Radisson Group hat gut entschieden, dieses Hotel aus Ihrer Kette zu veräussern. Das Phoenix Park Inn kann in keinster Weise auf diesem Niveau mithalten.

Aber der Strand und die vielen Strandbars sind einladend und der hohe Wellengang sorgt für Spass im Wasser. Ach ja, und in Goa gibt es sehr gutes Fleisch (16 oz. Monster Steak - verschwenderisch aber gut!) und auch eine deutlich grössere Auswahl an Spirituosen und Bier. Selbstredend sind auch die Preise dem Tourismus angepasst und um Faktoren höher als wir es uns mittlerweile gewohnt sind.

Candolim Beach - schon deutlich ausgedünnt vor dem nahenden Saisonende.
Aber Sonne, Wellen und good Vibrations!

 

22./23.04.2013

Pune

Aurangabad

Ajanta

(Staat Maharashtra)

Rund 800 km nördlich von Goa liegt unser nächstes Ziel, die Höhlen von Ajanta. Bis dahin ist also Kilometerraspeln angesagt. Wir teilen die Strecke in zwei Abschnitte auf und übernachten dazwischen kurz vor Pune auf dem Parkplatz des Rieter Konzerns, wo uns Matthias über einen seiner Expat-Kollegen einen sicheren Nachtplatz organisieren kann. Am nächsten Tag fahren wir an Aurangabad vorbei und entscheiden uns dagegen, auch noch die Höhlen von Ellora zu besuchen. Es liegt einfach nicht alles drin.

Zwei Tage auf der Strasse bringen wieder viel Unterhaltung mit sich, besser als jeder Actionmovie. Es ist immer wieder kaum zu fassen wie kopflos oder sorglos oder gedankenlos - wir können es nicht zuordnen - die Menschen hier ihren Alltag meistern können.

Beispiel 1: Langsame Fahrzeuge halten sich links (Linksverkehr) und überholt wird rechts. So die Theorie, die auch in Form von Hinweisschildern allen Verkehrsteilnehmern vermittelt wird. Nur halten sich alle Trucks oder auch Traktoren und Konsorte rechts auf, so dass man zügig nur vorankommen kann, wenn man sich im Slalom durch sich öffnende Lücken manövriert - auch wenn es übers Kiesbett ganz links herum sein muss.

Beispiel 2: Unfall- oder Pannenfahrzeuge liegen ohne Vorwarnung auf der Strasse an den erdenklich dümmsten Orten. Ein Truck liegt quer über 2 Fahrspuren auf der Autobahn. Ein Truck hat sich frontal in eine Felswand eingearbeitet. Sie sind oft verlassen und liegen vermutlich schon Tage dort. Who cares? No one! Wir hoffen, sie haben wenigstens die Fahrer noch zusammengelesen, welche in den meisten Fällen unfreiwilligen Flugunterricht genommen haben dürften.

4 spurige Schnellstrasse und der Laster liegt quer über zwei Spuren. Kein Mensch da,
keine Anstalten zu erkennen, dass dieses gefährliche Hindernis aus der Welt geschafft wird

Beispiel 3: Menschentransporte sind hier schlechter geregelt als bei uns Tiertransporte. Jedes Fahrzeug ist proppenvoll - in unseren Wagen würden problemlos an die 25 Personen eingepfercht und wenn sie nur hinten auf der Stossstange stehen müssen. Richtig gestaunt haben wir aber, als wir einen vollgestopften Mahindra überholt haben, wo nebst dem Fahrer 4 weitere Personen in der Front sitzen. Ein erwachsener Mann sogar zusammen mit dem Fahrer im Fahrersitz. Ob die Kompetenzen klar geregelt sind, wollen wir erst gar nicht wissen. Auf Mopeds sitzen sie zu viert oder fünft und der, der den Lenker hält telefoniert gerade.

Schulbus? Ein harmloses Beispiel des Personentransports.
Normalerweise sitzen sie auf Dächern und hängen sich aussen an
Fahrzeuge - wir wagen uns nicht vorzustellen, was eine Vollbremsung
zur Folge hat, ausser dass die Mehrheit der Passagiere einmal weniger
reinkarnieren müssen um wieder Mensch zu werden.

Beispiel 4: Die Signalgebung erfolgt auch heute oft noch mit Handzeichen - und man stelle sich das mal vor, der Beifahrer muss aus dem Fenster winken, wenn auf seine Seite abgebogen wird. Krass wenn man bedenkt, dass das alles Autos oder Lastwagen mit Blinker sind, welche sogar noch funktionieren würden.

Beispiel 5: Polizeicheckpoints erkennt man immer daran, dass die Leute auf den Mopeds die Helme anziehen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass in den nächsten 50 bis 100 Meter eine Polizeistreife steht. Kaum daran vorbei und noch in Sichtweite des Beamten werden die Helme wieder abgezogen. Man versteht hier nicht, warum man einen Helm trägt nur, dass die Polizei sonst Bussen verteilt.

Beispiel 6: Wenn einem vor der Toll-Station etwas zu viele Fahrzeuge stehen geht man einfach in den Gegenverkehr und fährt dort in falscher Richtung durchs Gate.

Erstaunlich ist, dass wir bisher eigentlich nie Zeugen eines Unfalls oder auch nur eines Remplers geworden sind. Erstaunlich auch, dass der Verkehr immer fliesst und wir nur dann stehen, wenn eine Ampel auf rot steht UND ein Polizist der Farbe Nachdruck verleiht. Aber wenig erstaunlich auch, dass wir auf rund 2000km ein Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 40 km/h aufweisen. Und trotzdem sind die Verkehrsteilnehmer nie gereizt oder aggressiv und lassen das alles geduldig über sich ergehen. Ob man es glauben mag oder nicht, es ist zwar anstrengend und gefährlich, aber der Indian Driving Style macht auch durchaus Spass!


24.04.2013

Omkareshwar

(Staat Madhya Pradesh)

Zum Auftakt des Tages erhalten wir gerade mal das volle "du-Tourist-ich-dich-abzocken" Programm. Parkgebühr: 30 Rupies. Amenities (?) pro Person: 10 Rupies. Bus in die Höhlen: 20 für A/C und 10 für non A/C. Der non A/C gehe erst 15 bis 20 Minuten später. Wir sollen den A/C nehmen. Macht 40 Rupies. Er streckt die offene Hand hin. Wir machen einen kleinen Aufstand und siehe da, der non A/C startet tatsächlich nur wenige Minuten später. Die Höhle kostet 250 Rupies/Person. Das sind satte 25 mal mehr als für die Inder. Toilette kostet auch. Und zurück natürlich wieder das Busticket. Wir stellen fest, dass in keiner der vorher besuchten Nationen Touristen derart schamlos abkassiert wurden.

Die Ajanta Caves sind zwischen 200 v. - 600 n.Chr. gebaut worden, einige davon allerdings wurden nie fertig gestellt. Die Ellora Caves etwas weiter südlich haben den Ajanta Caves effektiv die Show gestohlen und man gab offenbar mit zunehmender Bedeutung der Ellora Caves die ganze Stätte in Ajanta auf. Rein zufällig wurde sie erst 1200 Jahre später durch eine britische Jagdgesellschaft wieder entdeckt.

Die Ajanta Caves schmiegen sich in eine vom Fluss ausgewaschene Felsrundung. In über 30 Höhlen finden sich Höhlenmalereien und Steinarbeiten aus längst vergessenen Zeiten.

Die gegen 30 Höhlen sind in den Felswänden einer Flussbiegung angelegt und bekannt wegen ihren umfangreichen Steinarbeiten, mehr noch wegen den gut und zahlreich erhaltenen Malereien. Es gibt einige sehr schöne und eindrückliche buddhistische Tempel, die in den Fels gearbeitet wurden. Weil wir mit dem ersten Bus angekommen sind, gehören sie eigentlich fast ausschliesslich uns. Der Strom der ausschliesslich indischen Besucher schwillt danach aber rasch an.

Direkt aus dem Felsen gehauene Kavernen ...

... sind grossflächig und eindrücklich mit ganzen Geschichtsabhandlungen...

... und Götterbilder bemalt.

Es gibt aber auch Höhlen, wo Steinreliefs aus dem Fels heraus gearbeitet wurden.

Es stehen noch 250km an, um nach Omkareshwar zu gelangen. Die Strassen sind sehr schnell und kurvenreich und nicht so dicht befahren. Die Landschaft wird immer dürrer und karger. Es ist ungewöhnlich trocken hier und wir wundern uns, wie das Vieh über die nächsten Monate hinweg kommt. Der Sommer ist erst im Anzug. A propos Vieh - die sind hier nicht lila aber sonst ganz bunt. Wenigstens gab es heute keine Farbattacken auf uns.

In Omkareshwar angekommen sind die Zeichen für einen guten Nachtplatz schlecht: Enge Gassen und ein kleiner Ort, das ist nichts für uns. Aber mitten im Zentrum gibt es einen bewachten Parkplatz, der nachts auch geschlossen ist. Es braucht nicht viel und die Zuständigen willigen ein, dass wir da nächtigen dürfen. Auch Toilette ist dabei. "But it is an Indian Toilet!", so der Wachmann mit einem verklemmten Geischtsausdruck. "No worries, we are used to it." Er entspannt sich.

Wir machen den Rundgang durch dieses kleine Nest, welches heilig ist, also ziemlich spirituell. In der Abendsonne leuchtet alles in kräftigen Farben und es sind noch immer einigen Menschen dabei, sich im Fluss zu waschen. Eigentlich stört nur der mächtige Staudamm in nächster Nähe zur Stadt und die Fliegeralarm Sirene, die immer wieder das Öffnen von Schleusen ankündigt. Ach ja, und der Schmutz natürlich, der hier zunehmend unangenehm auffällt. Mal sehen, was die Nacht bringt...

Omkareshwar

 

25.04.2013

Maheshwar

Mandu

Indore

Die Nacht hielt, was sie versprochen hat: Nach einem ausufernden Wortgefecht zwischen Mann und Frau (sie hatte glauben wir bessere, vor allem aber viel mehr Argumente) direkt hinter dem Wagen kam so gegen Mitternacht noch ein Taxi an, welches direkt neben uns die ganze Dachlast entfernt und neu aufgeladen hat. Natürlich mit all dem verbalen Begleitgeschnatter, was dazu gehört. Und schlussendlich, irgendwann frühmorgens testet noch einer sein Motorrad auf dem Platz. Es ging kein Luftzug und somit war es stickig heiss - der Wagen strahlt noch unheimlich viel Restwärme des Tages ab.

Das Frühstück wird von staunenden Besuchern begleitet, aber verständlicherweise sind wir etwas kurz angebunden. Irgend ein Affe hat sich über unseren Müll hergemacht (wer hängt den auch aussen ans Fahrzeug) und die Kuh hätte sich wohl über die saftigen Feuchttücher gefreut, aber sie frisst schon genug Müll. Dann nicht unseren auch noch.

In Maheshwar suchen wir vergebens nach einer Festung nur um in den immer enger werdenden Gassen in einen Strom von Pilgern zu geraten. Klasse, das hat uns gerade noch gefehlt. Das GPS ist halt eben doch nicht allwissend und wir zirkeln uns in eine schmale Seitengasse um zu wenden. Es ist allerdings schwieriger mit als gegen den Strom von Pilgern zu fahren. Was von hinten kommt wird ignoriert.

Mandu liegt auf einem Hochplateau und weist viele Ruinen von Tempeln, Palästen und Gräbern auf. Nur schon beim erklimmen des Plateaus fährt man immer wieder durch alte und enge Festungstore. Der Jahaz Mahal, der Schiffspalast, wurde zwischen grossen Regenwasserbecken gebaut. Viel Wasser gibts grad nicht zu sehen, aber die Architektur ist ungewöhnlich für diese Gegend. Es wird gemunkelt, dass der afghanische Herrscher, der diesen Ort zum Blühen brachte, diese ganze Anlage für sein Harem von 15'000 Frauen errichtete.

Weitläufiges Hochplateau, worauf sich ...

... das Städtchen Mandu mit einer Vielzahl historischer Ruinen befindet.

Der Jahaz Mahal in Mandu, ...

... umgeben von weiteren Palastruinen, hier dem Freudenpalast Hindola Mahal.

Wir wissen nicht, ob gerade die Gestirne besonders gut stehen um zu heiraten, aber es sind überall die prall mit Menschen gefüllten, lauten und bunt geschmückten Lastwagen unterwegs. Uns wird von Jugendlichen erklärt, dass damit die Bräute zu der Familie des Mannes gebracht werden. Wir fragen uns, wie viele von diesen Hochzeiten wohl noch arrangiert und wie alt die Frauen sind, die da verheiratet werden. Und wieviele ihre eigene Familie wieder sehen können, nachdem sie zur Familie ihres Mannes gezogen ist.

Anlieferung der Braut in überfüllten Lastwagen

Indore wollen wir eigentlich umfahren und suchen entlang der Umfahrungsstrasse einen Unterschlupf. Doch das gestaltet sich mal wieder kompliziert und letztendlich landen wir vor einem Boutique Signature Hotel. Der Receptionist sieht kein Problem mit unserem Anliegen und ruft noch kurz seinen Chef an, der zwei Jahre eine Hotelfachschule in Montreux besuchte und ein Jahr in Chicago bei Hyatt gearbeitet hat. Er baut sich jetzt gerade sein kleines Imperium auf und beabsichtigt auch in ein bis zwei Jahren in der Schweiz Fuss zu fassen. Wie immer wenn wir auf Inder mit internationaler Reiseerfahrung treffen verstehen diese immer sofort unsere Bedürfnisse und sind in jedem Fall eine grosse Hilfe. Er lässt uns ein Zimmer öffnen, damit wir uns vor dem Essen erfrischen können. Nach einer ruppigen 240km Etappe bei über 40 Grad gibt es nichts Schöneres.

26.04.2013

Jhalawar

(Staat Rajasthan)

Unsere Wasserbestände sind praktisch aufgebraucht und wir sehen einfach keine Transporter mehr, die aufbereitetes Wasser verkaufen. Wir fahren nun schon seit Goa in Temperaturen gegen und über 40 Grad Celsius (wir haben keine Klimaanlage im Auto) und schütten rauhe Mengen von Wasser in uns. Wir fragen also den Receptionist und der weist uns in eine Richtung, wo wir trotz herumfragen nichts finden.
Zurück an der Reception haken wir nach und es stellt sich heraus, dass ihr Lieferant am anderen Ende der Stadt ist. Wir sollen doch dahin fahren. Wohin? Weiss er nicht. Er gibt uns eine Telefonnummer und sagt auch gleich, der Mann spreche nicht Englisch. Aha. Es braucht doch ein bisschen Geduld ihm zu erklären, dass wir weder ortskundig noch der Sprache mächtig sind und er doch bitte anrufen und eine genaue Adresse erfragen solle. Er versteht endlich und ruft an, kritzelt eine Adresse auf's Papier und sagt, wir sollen um 11 Uhr da vorbei gehen.

Gut gepflegte Mager-Plastiksackwiese im Morgenlicht...

Es ist mittlerweile 08:30 Uhr und wir haben eine lange Strecke zu bewältigen und wir können nicht so lange warten. Wir queren also die noch ruhige Stadt und enden in irgend einem Quartier, wo wir uns durchfragen müssen. Ein junger Inder auf seinem Motorrad will uns helfen und sagt, sein Onkel produziert so Wasser. Wir haben nichts zu verlieren und folgen ihm, quer über ein Cricket Feld, zu seinem Onkel. Der schlägt erstmals den Boden aus dem Fass und verlangt Preise, die völlig überrissen sind. Wir handeln ihn auf einen knapp erträglichen Betrag herunter und füllen den Tank mit 80 Liter aufbereitetem Wasser. Irgendwann kommt dann der Onkel und sagt, er hätte einen Fehler gemacht und statt 600 Rupies müssen wir nur 120 bezahlen - also die üblichen 30 pro 20 Liter. Uns soll's Recht sein nur verstehen wir nicht ganz, wie man sowas Einfaches falsch berechnen kann.

Rahun, ganz rechts, strahlt übers ganze Gesicht. Wir haben gerade eben den Wassertank
bei seinem Onkel mit aufbereitetem Wasser aufgefüllt.

Auf dem Rückweg durch das Cricket Feld gibt's kein Durchkommen mehr - wir müssen anhalten und ein Team-Foto schiessen. Danach will Rahun, unser Helfer, unbedingt, dass wir noch in seine Schulklasse kommen. Den Besuch bei den Eltern haben wir grad knapp ablehnen können - 350km sind in einem halben Tag nicht zu schaffen und dafür hat er Verständnis. So willigen wir schlussendlich ein, seine Englisch-Klasse zu besuchen ("five minutes, only!") und treffen auf einen kleinen, engen Schlauch im Untergeschoss eines Hauses, wo wir verdutzt empfangen werden. Die Englischlehrerin freut sich sehr, endlich mal mit Ausländern zu sprechen und natürlich sind wir länger als 5 Minuten dort. Um 10 Uhr setzen wir dann endlich zur Fahrt nach Jhalawal an und wissen, dass das wir jetzt echt unter Zeitdruck stehen. Die zweispurige Hautpstrasse endet in einer Grossbaustelle und danach auf einer einspurigen, dicht befahrenen Strasse. Haleluja.

Das lokale Cricket Team lässt uns erst durch, als wir uns fürs Teamfoto bereit erklären.

Rahuns Englisch-Klasse, welche er für uns geschwänzt hat.

Die Stimmung sinkt, denn es wird schnell klar, dass wir nur langsam vorankommen werden. Es beginnt ein Fahrtag mit nicht endend wollenden Überholmanövern, welche besonders als Linkslenker unangenehm, anstrengend und gefährlich sind. Aber auch der Gegenverkehr wird, je weiter man nördlich kommt, immer dreister. Wir müssen oft überholendem Gegenverkehr Platz machen, indem wir aufs Kiesbett ausweichen. Selbst auf einer schmalen Brücke setzt ein Lastwagen zum Überholen an und zieht sein Manöver ohne Rücksicht auf eine mögliche Kollision durch. Wir können diese vermeiden, sehen aber unterwegs viele Lastwagen, die wohl genauso dumme aber weniger glückliche Fahrer hatten. Es sind viele übelst zugerichtete Fahrzeuge zu sehen. Wir haben uns daran gewöhnt und können es gelassen nehmen, aber was in diesen Köpfen genau vorgeht wird uns immer verschlossen bleiben. "Good horn, good brakes, good luck!". Ein Inder sagt uns noch nebenbei, dass die Truckfahrer am Tag sehr kooperativ seien, sie in der Nacht aber alle Hemmungen verlieren.

Ödland soweit das Auge reicht - es gibt auch Flecken in Indien, die kaum besiedelt sind.

Die Strasse wird dann auch noch richtig schlecht und wir rütteln zeitweise mit 30 bis 40 km/h durch die vermutlich schöne Landschaft. Viel kriegen wir aber nicht davon mit, der Blick ist konzentriert nach vorn gerichtet. Geduld wird uns ans Ziel bringen und wir schaffen es vor dem Eindunkeln vor dem Prithvi Vilas Palace Hotel vorzufahren. Da das Hotel eigentlich geschlossen ist, sind wir grad ziemlich entmutigt. Aber wir dürfen uns direkt vor den Palast stellen und kriegen erst noch Tee angeboten. So gibt's kein Nachtessen mit dem Maharadscha in seinem Jagdschloss aber ein gemütliches Campingdinner.

Ziemlich gerädert erreichen wir das Prithvi Vilas Palace Hotel und werden
sehr freundlich mit Chai in Porzellangeschirr begrüsst.

Das Hotel ist eigentlich geschlossen, wir dürfen aber trotzdem bleiben
und richten uns gemütlich ein.

 

27./28.04.2013

Bundi

Die Strapazen der letzten Tage sind trotz einer ruhigen und guten Nacht noch zu spüren. Wir brauchen Erholung und suchen in Bundi ein Hotel, wo wir uns ein Zimmer nehmen. Das Nawal Sagar Palace liegt direkt unterhalb der Festung und am Becken und hat einen grossen, gesicherten Parkplatz. Von da an gelangen wir bequem zu Fuss in die Altstadt und die ist etwas vom schönsten, was wir bisher in Indien gesehen haben. Viele der Häuser sind blau gestrichen, die Gassen sind eng und überall in den kleinen und kleinsten Geschäften gibt es viel zu sehen. Besonders spannend sind die Edelmetallhändler, die alle gut sichtbar ihren Safe stehen haben, gefüllt mit Schmuck aus Gold und Silber. Es gibt auch viele Messerschleifer, welche die für diesen Staat bekannten Dolche und Schwerter herstellen. Viele der Läden haben alles mit weissen Kissen ausgelegt und ganze Familien sitzen da und feilschen über Preise oder das Design der Produkte.

Edelmetall- und Schmuckhändler, im Hintergrund die präzise Wage und der
Safe mit den Kostbarkeiten darin

Messerschleifer in seiner Kleinwerkstatt. Die Augen schützt
er sich mit einer Schwimmbrille

Und überall natürlich die Schneidereien

Häuser in blauer Farbe gegen Insekten und für kühleres Klima

Ein Inder ohne Padlock ist wie ein Schweizer ohne Taschenmesser. Der Besitzer
dieses Verkaufsstandes führt uns stolz seine Geheimschlösser vor. Wir finden
nicht heraus, wie diese geöffnet werden können, was ihn natürlich nur noch
stolzer macht. Das sind richtige Trümmer, diese Schlösser...

Indian boys

Wir haben noch einen schwierigen Task zu lösen: Eine unserer zwei 3G Mobile Data card von BSNL funktioniert nicht mehr und wir benötigen mobiles Internet, um die Weiterreise zu organisieren. Indien ist im Bezug auf die WiFi Dichte weit hinter allen anderen Ländern anzusiedeln. Nach zwei Shops und dem Customer Center geben wir es auf - sie können nicht Englisch und die Karte stammt aus dem Provinz Tamil Nadu und so haben die BSLN Mitarbeiter des Provinz Rajasthan keinen Zugriff auf Informationen. Sie könnten sich natürlich ein bisschen bemühen, aber das scheint für diese Beamten zu anstrengend zu sein. Nur als Nebeninformation: Wer mit mobilen Telefonen die Provinzgrenzen überschreitet, bezahlt Roaminggebühren.

Wenigstens finden wir hier ein Passfotobüro, ein Postoffice, ATM und Laundry Services, was Hoffnung macht, dass wir ein paar Dinge erledigen können. Wir beginnen gleich mit dem Friseur, der sich durch den drei Monate lang sorgsam gepflegten Haardschungel von Dino kämpfen soll. Es ist ein gutes Stück Arbeit und kommt aber ganz gut - nur dass die Haare wirklich überall verteilt sind und kleben. Wir müssen 30 Rupies bezahlen, was hier dem Wert einer 2 Liter PET Flasche mit Wasser entspricht.

Haarschnitt Indian Style - muss auch sein. Für umgerechnet weniger
als einen Franken und erst noch ganz passabel

Wir sehen aber keine der üblichen Restaurants und gönnen uns daher was leckeres im Haveli Bundi Hotel, wo wir eigentlich übernachten wollten. Es ist ein wunderschön gepflegtes Hotel mit sehr freundlichen Mitarbeitern. Aber leider haben sie keinen sicheren Parkplatz.

Die Festung von Bundi bei Abenddämmerung

Und der hübsche Innenhof, von welchem wir die Festung und das Becken sehen können

Gut augeschlafen wollen wir als erstes die Wäsche aufgeben - nur um festzustellen, dass der Service noch geschlossen ist. Leider war die Auskunft gestern doch nicht sehr zuverlässig und wir müssen es nun selber machen.

Wenigstens ist der Bundi Palast geöffnet und wir erklimmen den steilen Weg zum Elefantentor, welches die Zugangspforte in den Palastbereich ist. Es ist schade, dass viele Bereiche nicht begehbar sind und nur von Fledermäusen bewohnt werden. Aber die zugänglichen Bereiche zeugen vom einstigen Glanz. Es gibt diverse Räume, die intensiv mit Wand- und Deckenmalereinen geschmückt und teilweise sogar mit Gold verziert sind.

Blick vom Bundi Palast auf die Stadt mit den vielen blauen Häusern

Die Chitrasala ist vor 200 Jahren an den Palast angebaut worden und war der Bereich für die Frauen. Natürlich gab es Luken und Pforten, wo der Maharadscha zu seiner Geliebten huschen und ein Schäferstündchen geniessen konnte. Es ist alles wunderschön mit Wandbemalungen und eingelegten Spielgeln verziert. Die Bilder beschreiben das Leben am Hof oder göttliche Geschichten. So ist auf einem Krishna zu sehen, wie er von den Milchmädchen, die sich gerade im Becken badeten, die Gewänder stahl und in den Baum hängte. Man sieht aber auch eine Frau Jo-Jo spielt oder sich für das bevorstehende Treffen mit dem Maharadsha zurecht macht. Von da an könnte man auch in die Sternfestung (Taragarh) gelangen, was aber bei dieser Hitze zu viel des Guten ist. Noch weiter den Berg hoch schaffen wir nicht und in den Infight mit den aggressiven Affen zu gehen haben wir auch keine Lust.

Auf diesem über 200 Jahre alten Wandgemälde mit Farbe aus
echtem Gold tanzt Krishna mit seiner Gemahlin

Und hier hat er den netten Milchmädchen die Bekleidung gestohlen
und in den Baum gehängt - viel Darstellungen zeigen humorvolle oder
lüsterne Szenen.

Und hier spielt die holde Dame mit einem Jo-Jo

In der Chitrasala vor dem Eingang zum Schlafzimmer, wo der Maharadscha sich
mit seiner Gemahlin vergnügte. Dieser Teil des Palasts ist vollständig mit
Wandbemalungen verziert.

Nach einer ausgiebigen Siesta ziehen wir noch einmal durch die Gassen. Es ist Sonntag, man merkt aber fast gar nichts davon. Überall wird gearbeitet und wir beobachten viele Handwerker bei ihren Verrichtungen. Sie dekorieren Töpfe mit Hammerschlägen, mahlen Korn, verladen Baumwolle,... Bundi darf man wirklich nicht auslassen! Wir kaufen Gemüse auf dem Markt ein, bleiben beim Krishna auf einen Chai hängen und entdecken einen Weber, der gerade bei der Arbeit ist und feinste Baumwoll-Scarfs herstellt. Er macht das, seit er 14 ist - also seit rund 46 Jahren. Faszinierend, wie er die Muster einwebt. Und er sei der einzige in Bundi, der das macht.

Mit tausenden von Hammerschlägen wird der Krug verziert.
Man beachte, dass er mit dem rechten Fuss den Krug stützt

Dieser Weber webt seit seinem 14. Lebensjahr feinste Baumwollstoffe

Krishna's Chai ist ein Genuss, nicht nur im Geschmack sondern
auch die Zubereitung ist sehr gekonnt

Bundi ist wirklich faszinierend und bietet beeindruckendes Kunsthandwerk an jeder Strassenecke und übertrifft unsere Erwartungen bei weitem. Die lustigen Lautsprecherwagen, die überall hier herumstehen lassen aber nichts Gutes erahnen. Sie werden für Hochzeiten eingesetzt und begleiten den werdenden Ehemann mit lautem Gesang und Tanz auf seinem Weg zum Hochzeitsfest. Das machen sie natürlich bevorzugt in der Nacht und wir geniessen den Logenplatz im Hotelzimmer, nachdem uns der gemütliche Umzug nach Mitternacht aus dem Schlaf gerissen hat. Der Mann reitet in seiner Uniform auf einem weissen Schimmel, während rund um ihn herum die Menschen tanzen und feiern. Im Anschluss an den Umzug folgt dann der laut ratternde Generatorwagen, der die unzähligen Lämpchen auf dem Lautsprecherwagen und vieler Lampenträger mit Strom versorgt.

Die Beleuchtungstruppe, welche hinter den Wagen herzottelt. An den Schirmen
sind viele Glühbirnen angebracht, alle Schirme miteinander verkabelt und
schlussendlich mit dem Generatorwagen, der am Schluss des Umzugs kommt
verbunden. So läuft jeder mit 220V herum - bei DER Verkabelung nicht
ungefährlich...


29.04.2013

Chittorgarh

Udaipur

 

Bundi in der Morgensonne: Das Becken, gelb dahinter unser Hotel und
darüber die Festung dem Palast

Auf einer Anhöhe thront die Festung Chittor, welche ein rund 6km langes und mehrere hundert Meter breites Hochplateau umschliesst. Es ist eine mächtig grosse Festungsanlage und die Feinde dürften es schwierig gehabt haben, diese einzunehmen. Trotzdem geschah dies dreimal und weil die Bewohner so stolz auf Chittor waren, entschieden sie sich für Jauhar, einen ehrenhaften Selbstmord. Die Männer kleideten sich in safranfarbene Gewänder und ritten in die wartende Übermacht, die Frauen verbrannten sich und ihre Kinder auf grossen Scheiterhaufen. In einem Fall geht man von 33'000 Männer und 13'000 Frauen aus, die sich so das Leben nahmen. Es gibt natürlich viele Tempel und Ruinen zu besichtigen, wir machen aber nur eine Kurzvisite, da die sengende Hitze uns sonst den Rest geben würde.

Eine der Triumphsäulen, die innerhalb der mächtigen Chittor Festung
aufgestellt bis weit in die Ebene heraus zu erkennen ist

Da wir keinen gescheiten Nachtplatz finden, hängen wir gleich noch die nächste Tagesetappe an und erreichen am frühen Abend Udaipur - zumindest den Vorort davon. Wir brennen mal wieder bei zwei "Es-tut-mir-Leid-aber-die-Reglement-Manager" an und beginnen uns zu ärgern, als uns der Besitzer des Restaurants "Mount Destiny" seinen ruhigen Hinterhof anbietet. Dankbar nehmen wir an und freuen uns über den liebenswerten jungen Mann und seinen Vater. Der Tag ist gerettet und wir erhalten einen extra hübsch zurecht gemachten Tisch auf der Dachterrasse seines Restaurants. Essen gut alles gut, zumindest bis die nächste Hochzeit loslegt. Und das tut sie wirklich mächtig laut und ausdauernd. Und dann kommt das Feuerwerk und Oropax hilft nicht mehr weiter...

30.04.2013

Udaipur

Ranakpur

Virampura

Wir hoffen, die Festgesellschaft ist schön verkatert, wir sind es ja schliesslich auch ohne jedoch den entsprechenden Spass gehabt zu haben. Es gibt viel zu fahren und daher wird eine doppelte Ration Kaffepulver im Espresso-Kocher aufgehäuft. Wir schaffens, uns danach im engen Gewirr von Udaipur zu verfahren und müssen mit unserem 5.5m langen Gefährt da wieder irgendwie raus. Wir fahren noch an eine Shopping Mall heran und freuen uns schon auf ein paar westliche Produkte, die unserem Foodstock fehlen. Aber die Parkwächter machen uns das Leben gleich mal so richtig schwer - die haben lieber einen leeren Parkplatz, als dass sie den Finger etwas herausnehmen müssen. Wir wollen einschwenken, da winkte der eine uns energisch weg. Wir sollen ins Parkhaus. Wir deuten auf unsere Höhe von 2.30m und das versteht er nicht. Wir sollen in die Garage. Machen wir nur um dort weggewunken zu werden. Wir passen da nicht rein. Schon klar, aber jetzt regelt das bitte unter euch. Wir stellen uns solange an eine so dumme Stelle, dass sie nicht darum herum kommen, genau das zu tun. Schlussendlich und nach viel Gelaber winken sie uns auf den ersten Parkplatz - den VIP Parkplatz, wie sie uns sagen. Hohlköpfe - Tschuldigung. Kein Mensch hier, Parkplatz leer und trotzdem... das ist typisch für dieses Land. Viel Wind um gar nichts. "Acting like a hero - thinking like a zero!"

Gähnende Leere herrscht im Innern und mehr als die Hälfte der Geschäftsräume stehen leer. Es gibt einen Mc Donalds, einen Subway, einen Coffee Shop einer Indischen Kette sowie Nike und wenige andere Labelstores. Zum Glück wenigstens einen Supermarkt wo wir uns mit dem Wichtigsten eindecken können. In der ganzen Mall gibt es nur im McDonalds WiFi und in dem Gestank ist es nicht auszuhalten. Der Foodcorner, eben eröffnet, hat auch keins und wir kriegen den TATA Dongle des Managers. Immerhin. Aber warum er das denn nicht gleich für alle verfügbar machen?! Seit zwei Jahren ist die Mall geöffnet - ob daraus wohl mal noch was Richtiges wird?

Kühlschrank voll und frisch betankt geht's auf den Highway, der uns schnell zum Abzweiger nach Ranakpur bringt. Durch eine kurvige und enge Strasse, die uns durch ein bewaldetes Gebiet des Aravalligebirges führt, geht es ungewöhnlich zügig und entspannt zur Ranakpur Tempelanlage. Die Strasse ist frisch geteert, wenn auch nur knapp so breit, dass sich zwei kleine Fahrzeuge kreuzen können. Für den Rest hat man ja das Kiesbett daneben. Dieser jainistische Tempel ist aus dem 15. Jhdt und weist 29 Säle, 80 Kuppeln und 1444 individuell gestaltete Säulen auf. Unfassbar und eine Perle der indischen Tempelarchitektur.

Über Land auf dem Weg zum Tempel Ranakpur

1444 Säulen und keine gleicht der anderen, jede mit individuellen Sujets dekoriert

Im Licht der Abendsonne ist dieses weisse Wunderwerk ein
Augenschmaus

Unfassbar auch einer der Geistlichen, welcher uns gleich einen Rundgang anbieten will. "What's the price?" die obligate Frage von uns. "Oh, it is up to you. May be 200 or 300 rupees only." Aha. "How long will it take?" "Oh, may be 15 minutes." (1200 Rupees ist ein stolzer Stundenansatz für Geistliche, die von reiner Nächstenliebe leben wollen). "We would offer you 50 rupees", sagen wir und erhalten promt die Reaktion: "Oh, then you have to take your own tour." Incredible India! Es geht nur ums Geld. 50 Rupees entspricht einem Nachtessen, was für eine 15 Minuten-"Dienstleistung" grad reichlich genug ist. Und er will uns ja nur die Schönheit seines Tempels zeigen.
Wir sind ehrlich gesagt stinksauer über die Arroganz, mit der hier teilweise Touristen abgespeist werden. Nur für die Kamera bezahlen wir schon 50 Rupees und ausnahmsweise mal nichts für den Eintritt.
Wir müssen einfach nochmals bei diesem Geistlichen eine kleine Message platzieren und gehen zurück nach unserer eigenen Tour. "Sorry, what is your name?" xyz gibt ihn uns freundlich, aber mit fragendem Blick an. "Thank you, we just would like to citate you correctly in our media we publish." "But why didn't you mention that you are an editor?!", sagt er erschrocken. "We don't understand. Does that make any difference for you?" Sorry dude, hoffen du hast schlecht geschlafen deswegen.

Auf dem Parkplatz stehen wie üblich Neugierige um unser Fahrzeug und wir erklären alles, lassen uns fotografieren und erklären nochmals alles. Es macht uns Freude, denn die Neugier ist nicht oberflächlicher Natur. Und dann kommt ein Vater mit seiner Tochter und seinem Sohn und klinkt sich in das Gespräch ein. Am Schluss sind die übrigen weitergefahren und wir unterhalten uns mit den Dreien. Die Tochter ist cool und fragt unumwunden, ob wir denn nicht zu ihnen nach Hause fahren wollen. Sie würde sich sehr freuen... nach einem kurzen Zögern hakt der Vater nach und obschon wir eigentlich nicht mehr soweit fahren wollten sagen wir zu. Die 50km schaffen wir auch noch und sind gespannt, was da auf uns zu kommt.

Wir folgen Bhanwar und die Fahrt wird ein Höllenritt gegen den Sonnenuntergang. Durchaus können wir mit dem indischen Tempo mithalten, wenn es ein Mahindra Jeep ist. Aber der PW ist zügig unterwegs und wir fragen uns, wie oft er im Jahr die Stossdämpfer wechselt. Und dann kommt da noch diese Umleitung wegen einer Baustelle, durch die unser Auto gerade noch so knapp durchpasst. Wir kommen aber mit dem letzten Sonnenlicht in Virampura an, ein kleines Nest mitten auf dem Land. Und natürlich läuft gleich das ganze Dorf zusammen, um die Fremdlinge zu bestaunen. Ein riesen Hallo und jeder will uns zu sich heim einladen, Fotos mit uns machen und uns ausfragen. Uff! Schlussendlich bietet uns Bhanwar an, unseren Wagen in die "Einfahrt" seines eben fertig gestellten Hauses zu stellen - ein mit Marmor ausgelegtes Entrée. Wir weigern uns, wollen wir doch nicht bleibenden Eindruck, respektive gesprengte Marmorfliesen hinterlassen. Der Boden ist nicht für ein 3 Tonnen Vehikel ausgelegt. Er organisiert uns einen Nachtplatz beim Nachbarn, besteht aber darauf, dass wir bei ihm im Haus übernachten.

Die Ehefrau Beena organisiert ein kleines Festmahl, bis wir einfach nicht mehr essen können. Der Abend ist sehr spannend und wir lernen viel über diese Familie und ihr Leben in diesem kleinen Dorf. Wir erfahren auch besonders viel über das Heiraten hierzulande und gehen die Rituale auch anhand ihres Fotoalbums durch. Es ist immer noch üblich, dass die Kinder durch den Vater und die Familie einen Partner vermittelt bekommen, wobei in der überwiegenden Mehrheit der Fälle die beiden Betroffenen sich erst am Tag der Hochzeit das erste Mal sehen. Die Heirat ist auch eher eine Absicherung für's Alter und Arbeitsleben als für's pure Vergnügen. Ein weiteres, spannendes Thema ist das Kastenleben und die persönliche Einstellung der Familie dazu. Obwohl mit der Einführung der Demokratie das Kastenwesen offiziell abgesetzt wurde und theoretisch vor dem Gesetz alle gleich sind und gleiche Rechte haben, ist das bei weitem nicht so. Das zeigt sich überall im Alltag, ist also nicht wirklich neu. Doch die Argumente aus dem Gespräch ermöglichen ein besseres Verständnis der verschiedenen Seiten. Diese Familie ist von der Herrscherkaste, welche grad nach den Brahmahnen, der gesitlichen Kaste kommt.


Ehefrau Beena, die Tochter Moomal, welche ihre Klasse als beste Schülerin abgeschlossen hat
und Bahnwar, unser Gastgeber.

Fabia schaut sich die Schulbücher der Kids an

Bhanwar ist Lehrer für Kinder der Unterstufe, primär aber von Kindern niederer Kasten als er selbst. Auf seiner Anstellungsstufe verdient er zwischen 550 und 600 CHF im Monat. Er ist auch Besitzer von 50 ha Farmland, welches alles hergibt, was man sich nur wünschen kann. Korn, Gemüse aller Art, Früchte - aber noch viel wichtiger, einer eigenen Quelle, die gute Ernterträge ermöglicht. Entgegen unserer Erwartung ist Wasser in der Gegend reichlich vorhanden, reiche Ernten also üblich und Farmer wie er gut situiert - Erträge aus Agrarbetrieben sind hier übrigens nicht zu versteuern im Gegensatz zum Lehrergehalt. Die Kinder können also in gute Schulen gehen (Moomal ist seit dem 4. Lebensjahr in einem Internat, rund 120km von zu Hause entfernt).

Eigentlich schläft die Familie auf der Dachterrasse und fragt uns, ob wir im Zimmer oder auch draussen schlafen wollen. Ohne gross zu zögern sind wir für die Aussenvariante und freuen uns auf die Nacht unter dem Sternenhimmel. Doch als es ans ins Bett gehen geht, haben sie eigens für uns ein hübsches Nachtplätzchen eingerichtet und sagen, sie überlassen die Terrasse uns alleine, damit wir gut schlafen könnten. Wir nehmen das dankend an und liegen schon bald warm zugedeckt unter einer Decke und können die Sterne betrachten.

Obschon wir einen ziemlichen Umweg machen mussten lohnt sich dieser Besuch in jeder Beziehung, da wir so viel über das Indien erfahren, welches eine andere Realität ist als in all den Städten und Dörfern.

 

01.05.2013

Mount Abu

Nach einer herrlich kühlen Nacht unter dem Sternenhimmel bekommen wir von den Kindern als Erstes eine rührende Geste des Respekts erwiesen, sie berühren unsere Füsse bei der Begrüssung am Morgen. Das lässt uns etwas irritiert da stehen, sind wir sowas doch überhaupt nicht gewohnt.

Dann wird gefrühstückt, ein kuchenartiges Gebäck mit Chillischoten oben drauf. Da braucht es dann nicht mal unbedingt mehr einen Kaffee zum Aufwachen. Der erste Happen wird hier übrigens immer zur Seite gelegt und später beim hauseigenen Altar niedergelegt. Eine Wertschätzung für den Wohlstand, in welchem diese Familie lebt. Wir gehen danach auf eine Erkundungstour mit Vater und Sohn in unserem Auto. Sie bringen uns zu ihrer Farm, zu Tribals (Hirten) und ins nahegelegene Schulhaus, wo der Vater unterrichtet.

Der Nachtplatz für unsere Morla: Sorgsam wurden noch Steine
unter die Räder gelegt und die Seitenspiegel eingeklappt...

Auf der Farm wohnen in einfachen Hütten rund 14 Angestellte, die die Feldarbeiten erledigen. Der Zahlungsmodus ist recht ungewohnt für uns: 1/4 der gesamten Ernte gehört den Feldarbeitern, 3/4 sowie die ganzen Kosten gehen an Bhanwar. Er bezahlt also keine Löhne oder Versicherungen in dem Sinn. Die Felder sind sehr vielfältig bepflanzt und werfen von Bananen über Mangos bis zu Korn gute Erzeugnisse ab.

Danach fahren wir zu einfachen Tribals, Hirtenfamilien, welche sehr bescheiden leben müssen. Zu diesem Zweck kleidet sich Fabia mit Hilfe von Beena mit lokalen Gewändern und bekommt sogar allen dazugehörigen Schmuck. Das sieht recht ungewohnt aus, irritiert aber auch Einheimische. Das Gesicht ist halt immer noch weiss.

Fabia wurde von Beena sorgfältig für den Ausflug in lokaler Kleidung
zurecht gemacht, inklusive Schmuck

Frau einer der Farmarbeiter

So kleiden sich in dieser Region die Hirten

Kunstvoller Turban, wie ihn die Hirten tragen

Tribal Familien, welche uns einen Einblick in ihr hartes Leben gewähren

Der Grossgrundbesitz nimmt den Hirten immer mehr die Möglichkeit, ihr Vieh satt zu kriegen und sie müssen die Bestände reduzieren, damit die wenigen doch eher eine Überlebenschance haben. Nach einer anfänglichen Unsicherheit werden wir doch überaus freundlich aufgenommen und sie zeigen uns wie sie wohnen. Eben: sehr, sehr einfach. Wir erhalten noch Chai und während der zubereitet wird, freut sich die 80 jährige Frau unglaublich über unseren Besuch und kann Fabias Hand gar nicht mehr loslassen. Ihr Mann ist schon vor langer Zeit gestorben und jetzt kümmert sich die Familie um sie. Sie sieht und hört kaum noch. Die Kleider sind sehr schön und bunt und die Männer tragen grosse, zumeist rote Turbane. Sie haben übrigens eine Petflasche in nasse Baumwolltücher gewickelt umgehängt und können so relativ lange natürlich durch die Wasserverdunstung gekühlte Getränke konsumieren. Einfach, praktisch und gut.

Der Besuch in Bhanwars Schule ist ein weiteres Highlight, obschon die Kids der Schule in der Nähe von Chennai, alle von ebenfalls tiefen Kasten, wesentlich aufgestellter und neugieriger waren. Zu sehen, wie hier die Kinder unterrichtet und geformt werden stimmt uns nachdenklich. Es sind alles Kinder unterster Kasten und sie werden entsprechend kaum berufliche Aussichten haben. So ist auch die schulische Ausbildung in den Pflichtjahren nicht darauf ausgelegt, das Beste aus den Kids sondern nur das Nötigste aus ihnen heraus zu holen.

Schon erstaunlich, wie unterschiedlich doch die Kinder in dieser Schule im Vergleich zu
denen von Venkat, ganz am Anfang der Indienreise sind. Sie kommen an beiden Orten
aus der ärmsten Schicht aber die ernsten Gesichter hier stimmen uns nachdenklich

Zurück im Dorf und am Mittagstisch mit den Grosseltern wird uns wieder bewusst, dass in diesem Land zuerst die Männer und Gäste, dann Kinder und ganz am Schluss die Frauen essen. Es ist auch so, dass sobald ältere Männer zugegen sind, die Frauen ihre Gesichter mit dem Kopftuch zu verbergen versuchen. Wir schaffen es nach einem erneut üppigen Mittagessen, uns freundlich zu verabschieden und Fabia muss nicht einmal die Kleider abgeben, sie bekommt sie gleich geschenkt, inklusive allem Schmuck. Die Verabschiedung fällt schwer. Wir wurden wieder unglaublich freundlich aufgenommen und behandelt wie Könige - wir erleben, was die Tourismusbehörden jedoch erfolglos bewerben; "Atithi Devo Bhavah" Diesen Claim verinnerlichen wir, um ihn beim nächsten sturen Beamten im Hotel zu rezitieren.

Familienfoto mit Nachbarin, Beena, Mutter von Bhanwar, Nachbarskind,
Moomal und Sid, die Kinder sowie der Vater von Bhanwar

Wir fahren auf Empfehlung Bhanwahrs los zum Mount Abu, welchen wir in nur 80km Distanz jetzt problemlos erreichen können. Das war ebenfalls nicht geplant, eine Hill Station auf 1700 müM verspricht aber kühle Temperaturen und eine schöne Aussicht, so lohnt sich der Abstecher bestimmt. Die Fahrt dahin ist tatsächlich sehr schön und nach dem üblichen Nachtplatzgerödel stehen wir vor einem der besten Häuser auf dem Parkplatz, im "The Jaipur House Heritage". Der Manager liess uns kaum ausreden, schon war die Erlaubnis erteilt und wir stehen am höchsten Punkt, von wo aus man eine wunderbare Aussicht über das ganze Dorf und den See hat. Wir lassen es uns gut gehen und geniessen erstmals noch den Ausblick von der Dachterrasse, speisen dann gemutlich auf der Terrasse des hauseigenen Restaurants. Die Nacht wird ruhig, es ist nur ein anderes Gästepaar da.

Mount Abu mit dem kleinen See als Anziehungspunkt. Die Sage behauptet, dass ein Mann
diesen See in einer Nacht mit seinen Fingernägeln ausgekratzt hat, um die Gunst einer
Frau zu gewinnen.

Was für ein Tag, was für Begegnungen haben wir erlebt!

 

02./03.05.2013

Balmer

Jaisalmer

Den Sonnenaufgang können wir direkt aus dem Bett beobachten und stehen dann ohne Hektik auf. Wir haben 420km vor uns, der Morgen muss aber deswegen nicht ruiniert werden. Leider führt uns das Navi zweimal in eine Sackgasse - die Strasse gibt es schlicht und ergreifend nicht - und wir müssen denselben Weg hinunter, den wir hoch gefahren sind. Wir werden laufend von Mahindra Taxis überholt und überholen dann kurz darauf eines davon wieder - ein Passagier muss sich schon nach der kurzen Strecke übergeben. Natürlich schauen alle aus dem Fahrzeug genüsslich zu... Die Strassen sind 1a und wir kommen sehr schnell vorwärts. Kaum Verkehr und frisch geteert, das hätten wir nicht erwartet. Im Laufe des Nachmittags erreichen wir dann das Thar Wüstengebiet um Jaisalmer, auch bekannt als "The Great Indian Desert". Es ist eine grosse Steppenwüste, die jedoch auch einige Sanddünen zu bieten hat. Da tummeln sich dann gerne die Touristen für gutes Geld und darauf haben wir keine Lust. Zudem ist das Grenzgebiet zu Pakistan und militärische Zone, da wollen wir auch nicht auf eigene Faust mit unserem militärisch aussehdenen Fahrzeug in den Dünen herumfahren.

Thar Wüste, auch Great Indian Desert genannt

Wir stellen uns vor das Jawahar Niwas Palace Hotel, welches derzeit keine Gäste hat und dafür viel Ruhe für uns bietet. Es ist der perfekte Nachtplatz mit Swimmingpool, warmer Dusche und einer kleinen Plattform, welche wir als Sitzplatz verwenden können. Es gibt auch WiFi. Auf dem Markt decken wir uns noch rasch mit Lebensmitteln ein und freuen uns auf ein frisches Ratatouille aus eigener Küche. Endlich mal kein Koreander, das hat schon Qualität.

Herrlicher Nachtplatz vor dem Jawahar Niwas Palace Hotel in Jaisalmer, welches auch einen

... blau leuchtenden Swimmingpool besitzt. Wir sind die einzigen Gäste.

Frisch gekochtes Ratatouille mit Marktgemüse

Der Hauptanziehungspunkt in "The Golden City" ist sicher die Festung und der Palast Jaisalmer, eine riesige und immer noch bewohnte Anlage mit unzähligen Gassen, Tempeln und sonstigen Sehenswürdigkeiten. Die Stadt wurde um 1156 gegründet und bis 1947 in über 40 Generationen durch dieselbe Herrscherfamilie, der Bhatis, geführt. Danach wurden aber die Handelswege nach Pakistan gekappt und so war es vorbei mit der Prosperität, bis dann ebenfalls Pakistan der Stadt zu einer neuen strategischen Bedeutung führte - die Indisch-Pakistanischen Kriege von 1965/1971 machten diese Wüstenstadt zu einer grossen Militärbasis.

Das Fort ist einladend und man kann lange durch die engen Gässchen schlendern, sofern es die Temperaturen zulassen. Es gibt sehr viele Tempel und auch einen grossen Palast zu besichtigen, alles natürlich zu den üblichen Preisen, only, versteht sich. Die Temperaturen gehen wieder in die 40er und sind daher nicht einladend für ausladenden Seightseeing. Wir finden eine gemütliche Roof-Top Terrasse mit WiFi und halten uns lange dort auf - bei dieser Hitze liegt einfach wirklich nicht viel drin. Regelmässig donnern die Kampfjets der Basis über unsere Köpfe - Patroullienflüge rund um die Uhr, um den pakistanischen Nachbar und vermutlich auch die Kaschmir-Region im Auge zu behalten.

Bunte Stoffe werden beim Eingangstor der Festung zum Kauf angeboten

Daher der Name "Golden City": Die Morgen- oder Abendsonne lässt den Stein
goldfarben scheinen und viele Häuser sind aus diesem Material gebaut.
Die Herrschaftshäuser sind reich dekoriert mit Steinreliefs - ein wunderschöner Anblick

In der ganzen Festung sind herrlich kühle Innenhöfe zu entdecken

Padlocks überall

Im Schatten der Dachterrasse lässt sich die Hitze einigermassern ertragen

Zwischen Indien und China haben die Spannungen um eine Gegend im Kaschmir zugenommen, welche seit einem Krieg vor längerer Zeit noch immer ein Zankapfel ist. Zwar ist ein Waffenstillstand vereinbart worden, doch die Grenzen wurden nie konkret vereinbart. Und so gibt es immer wieder kleine Scharmützel, die die Gemüter in Rage bringen. Es ist aber gerade dieser Tage ein friedlicher Weg gefunden worden, die neuesten Spannungen abzubauen. Wir sind froh - Spannungen in dieser Gegend verheissen nichts Gutes für unsere China-Südroute.

 

04.05.2013

Jodhpur

 

Auf einer Felskuppe hoch über Jodhpur thront das Mehrangarh Fort, eines der eindrücklichsten, welches wir bisher gesehen haben. Es gehört noch immer der Königsfamilie und ist sorgsam restauriert worden und gut unterhalten. Es beinhaltet ein gepflegtes Museum mit Waffen, Kunstgegenständen und Malereien, welche über das damalige Leben einen Eindruck vermitteln können. Sehr feines und detailliertes Kunsthandwerk wird sichtbar. Es wird Einblick in die Räumlichkeiten der Königsfamilie gewährt und da kann man immer wieder staunen. Das Fort war sehr wehrhaft und konnte in den rund 500 Jahren Geschichte nie feindliche eingenommen werden. Kein Wunder bei der cleveren Bauweise: Selbst auf Kopfhöhe von Elefanten ragen 10 cm lange Stahlspitzen aus den Toren, sodass diese die massiven Tore nicht mit dem Kopf aufstossen konnten.

Schule aus - Ruhe aus. Schlechtes Timing für ein erholsames Mittagessen unterwegs

Die Mehrangarh Festung von Jodhpur - in seiner ganzen Geschichte nie feindilch eingenommen
worden. Wen wunderts, die Mauern sind unüberwindbar

Die Innenhöhe der Palastanlage werden von reich verzierten Gebäuden umschlossen

Die Gemächer der Maharadschas - über 40 Generationen lebten hier, bevor die Anlage
zu einem Museum hergerichtet wurde

Audienzraum für politische Diskussionen. Unsichtbar für die Anwesenden konnten
die Frauen des Hofs die Diskussionen verfolgen

Wir suchen den Wohnort der dritten Tochter Noopur von Bhanwar (siehe 30.04.2013), welche in Jodhpur bei ihrem Grossvater lebt. Da spricht leider niemand Englisch und so haben wir Koordinationsprobleme, bis uns dann schliesslich der Grossvater auf dem Scooter findet und uns ins Schlepptau nimmt. Schlussendlich und nach vielen Beteuerungen stellen wir das Auto in der Gasse zum Schlafen bereit und unterhalten uns dann mit der Tochter, die mittlerweile auch eingetroffen ist. Von welcher Kaste wir sind, will die Familie wissen... ähm, das gibt es bei uns nicht. Ob wir verheiraten sind? Ähm, nein, das muss bei uns nicht unbedingt so sein. Das Gespräch kommt auf das Thema Familie und wir erfahren viel über das Familienleben, die sogenannten Joint-Families. Die Frau des Haushalts hat diesen zu schmeissen, die Gäste zu bewirten, und wenn sie noch arbeiten muss, dann macht sie das alles nebenbei. Es ist ein stetes Kommen und Gehen. Frauen tragen daheim einen Schleier im Gesicht, sobald fremde oder ältere Männer den Raum betreten. Privatsphäre in so einem Haushalt? Ins Zimmer gehen und Türe schliessen.
Und die Männer tun... nun ja, so genau können wir das nicht sagen. Arbeiten vermutlich?
Die jüngeren Generationen haben zu befolgen, was die Älteren ihnen raten. Auch sei das Vorgehen, wie verheiratet wird gut. Die Familie hat viel mehr Lebenserfahrung und muss ja schliesslich auch mitreden können, wer schlussendlich im Haus einzieht. Die Frau wird also nicht nur nach Kompatibilität mit dem Junior, sondern mit der ganzen Sippe abgecheckt. Liebes-Ehen werden des Hauses verbannt, die Paare müssen ein eigenes Heim suchen. Trennungen? Hmm, da falle ihr tatsächlich niemand ein... so eine Nachbarin, die sich dazu gesetzt hat.

Zu Gast bei der Familie Singh, den Schwiegereltern von Bhanwar.
Wir brauchen etwas Privatsphäre und nächtigen vor dem Haus

Mutter und Vater von Beena sowie die zweite Tochter Noopur von Bhanwar

Wir ziehen uns nach dem Nachtessen zurück und es wird die wohl heisseste Nacht, die wir bisher erlebten. Trotz eines kleinen Windhauches kühlt es einfach nicht ab und an Schlafen ist kaum zu denken.

 

05.05.2013

Pushkar

 

Nachdem wir die Familie wieder in die Freiheit entlassen haben (wir haben sie mit einem Padlock von aussen in ihrem Haus einschliessen müssen - nur damit wir jederzeit auf die Toilette gehen könnten) wird geduscht und gefrühstückt. Dann noch einen Anstandsbesuch beim Nachbarn, der uns doch tatsächlich Whiskey anbietet (8 Uhr morgens!). Los gehts, ab nach Pushkar.

Unterwegs fahren wir an vielen stehenden Armee Konvois vorbei. Jedesmal hat einer der Trucks irgend einen Platten oder sonst einen Defekt und der ganze Tross wartet. Wie kann diese Armee funktionieren, wenn selbst die neu und scheinbar gut gewarteten Armeefahrzeuge immer wieder Pannen haben? Platten auf diesen Strassen - es will uns nicht in den Kopf gehen, wie das möglich ist.

Die Wüste zieht sich hin, bis wir in Pushkar einfahren. Die Abzockerei beginnt, als wir irgendwelche Strassentaxes bezahlen sollen. Kaum einen Nachtplatz gefunden, wollen wir das hübsche Städtchen besichtigen und schon eilt ein Mann herbei, drückt uns Blumenblätter in die Hand und sagt, da sei eine Zeremonie, wir sollen rasch dahin gehen und die Blätter dann in die Tempelbäder werfen. Ein freundlicher Helfer bringt uns sogar zügigen Schrittes dahin und gleich werden wir in die Zeremonie eingespannt. Die richtige Zeremonie beginnt aber, als wir erst nichts und dann einen völlig unangemessen tiefen Spendenbeitrag leisten wollen. Abzocke und Ärgernis Nummer zwei. Laufend werden wir auf der Strasse angehauen: Can I make picture of you (klar, nicht umsonst)? Camel riding? Elefant riding? Donation? Can you give me coins of your currency? ... keine Ahnung, womit sonst noch, einfach jeder noch so dumme Vorwand wird gesucht, Kohle aus unseren Taschen abzubekommen.

Gut hat er nicht gesehen, dass wir ihn fotografiert haben. Sonst
hätte er wohl gleich die Hand ausgestreckt und Geld gewollt...

Zurück im Hotel müssen wir uns noch registrieren - Formularkrieg endernie! Dann sagt der Manager (?), es koste 161 Rupies, statt 150. "Taxes, you know?". Lassen wir gelten. Und dann sagt er, dass wir aber mehr bezahlen müssen, weil wir zu zweit sind. 200 Rupies. Das lassen wir nicht gelten. Die dümmste aller Vorwände war, dass der, der uns die Preise sagte am Nachmittag ja nur eine Hilfskraft sei. Nicht unser Problem, der Preis ist vereinbart und schlussendlich gibt er klein bei. Der Gag des Tages: Auf der Quittung steht unglaublich aber wahr "one-hundred-sixty-one-ONLY"! Ja, wirklich! Das gibt's doch gar nicht.

Blau in blau - auch wenn etwas heruntergekommen sind die Gebäude
sehr hübsch und die blaue Farbe ist allgegenwärtig

Abgesehen davon ist dieses Pushkar ein sehr heiliger Ort mit einem grossen heiligen See sowie kleineren Becken und rund darum herum angeordnet eine grosse Anzahl Tempel. Gläubige Inder müssen sich hier mindestens einmal im Leben von ihren Sünden reinwaschen und das bunte Treiben ist faszinierend zu beobachten. Schuhe und Kamera sind um die Anlage herum nicht gestattet, darum fehlen hier Fotos. Die Gassen sind mit Leben erfüllt und immer wieder hört man geistlichen Gesang oder Musik von Zeremonien aus den Tempeln. Der Ort ist hübsch und lädt zum Flanieren und Verweilen ein. Es wäre aber vielleicht an der Zeit, den Tauben Antibabypillen zu verabreichen, die Viecher sind eine echte Plage und machen alles voll... so auch Dinos Hosen.

Blick auf die Ghats und die unzähligen Tempel, ...

... die darum herum angeordnet sind

Wir kriegen noch Besuch von einem begeisterten Fan unseres Vehikels und unterhalten uns recht lange mit ihm. Diskret, freundlich und aufmerksam haben wir ihn erlebt und als wir von unseren Erfahrungen mit Indern, speziell den sogenannten Unsympaten in der Tourismusbranche sprechen, ärgert er sich und entschuldigt sich für seine Landsleute... wenn doch nur alle so aufgeschlossen wären wie dieser Mann?

 

06.05.2013

Amer

Jaipur

 

Kurz bevor es losgeht werden wir noch von einem Yogi-Priester in ein Gespräch verwickelt. Der Typ ist echt unterhaltsam, rülpst mitten in der Konversation ungehemmt und sagt nur: "No tension, that is good for the body". Man kann es ihm nicht übel nehmen, er ist so gut drauf das steckt an.

Wir fahren an die Stelle, wo die "Strassentax" am Vortag eingezogen wurden. Der Herr von gestern Abend hat uns gesagt, was er bezahlt hat und den Mehrbetrag, den wir hingeblättert haben, wollen wir zurück holen. Erstmals Auto dumm parkieren, so dass es den Verkehr spürbar beeinflusst. Danach den Mann zutexten bis er seinen Chef holt. Der Chef lässt sich nochmals erklären, was uns stört und es geht keine drei Minuten, bis er uns anstandslos den fehlbaren Betrag zurückerstattet. Dieses Land ist immer wieder gut für Überraschungen...

Das Amber Fort ein paar Kilometer ausserhalb von Jaipur ist von einer 6 km langen Schutzmauer umgeben, welche irgendwie an die Chinesische Mauer erinnert. Das Fort ist sehr gross und ausgeklügelt konstruiert, sodass Feinde ein wirklich schweres Spiel haben, es einzunehmen. Mehrstufige Zugangspforten mit mächtigen Toren halten den Feind auf und ermöglichen den schrittweisen Rückzug, wenn der Feind übermächtig ist. Schlussendlich führen unterirdische Gänge in ein nahe gelegenes Fort, von wo aus sich die Elite weiter kämpfend dem Feind stellen oder aber auch die Flucht ergreifen konnten.

Ankunft auf dem Parkplatz der Amber Festung - wer findet den Unterschied?

Zugangsportal zu den Gemächern des Herrschers, alles
mit sogenannten "Vegetable" Farben bemalt

Es ist sicher das schönste Fort, welches wir bisher gesehen haben. Marmor (zweites Qualitätsniveau, das erste ist nur für den Taj Mahal zugelassen) dominiert die dekorierten Bereiche und es gibt ein Hamam, 12 Wohnungen für die Frauen des Herrschers, schöne Gartenanlagen und ein cleveres Klimatisierungskonzept. Ein Vorhang aus zerstäubtem Wasser kühlt das Innere der Gebäude, was für eine rund 500 Jahre alte Anlage doch sehr fortschrittlich ist. Das Schlafgemach des Königs ist in einem Gebäude eingerichtet, welches mit einem Säulengang umschlossen ist. Die Wände und Decken sind mit tausenden von kleinen Spiegeln dekoriert und wenn im Winter die Sterne nicht sichtbar sind, so wird ein Feuer angezündet, welches sich tausendfach in den Spiegeln reflektiert und fast wie ein Sternenhimmel wirkt.

Safrangarten mitten im aufgestauten See zur Kühlung des Klimas

Spiegel überall! Es glitzert und funkelt - wie schön das im Schein
von brennenden Fackeln ausgesehen haben muss?

Die Wände und Decken des königlichen Gemachs sind komplett
mit tausenden kleiner Spiegel versehen, um den Sternenhimmel
zu simulieren

Erstmals nehmen wir einen Guide. Er freut sich ehrlich über uns, wir seien seine ersten ausländischen Gäste. Es ist das erste Mal, dass uns jemand sagt, wir müssten nichts bezahlen, wenn wir nicht mit ihm zufrieden wären. Er fragt mehrmals, ob alles in Ordnung ist und gibt sich unglaublich Mühe!

Er gibt uns eine kurze Erklärung zu diesem leicht irritierenden Symbol ab, das an Hitlers Zeiten erinnert. Ist man Mensch und lebt sein Dasein ehrfürchtig und artig, so kann man direkt ins Nirvana gelangen. Wenn nicht, geht man erstmals in die Hölle, um von da aus über 84'000 Reinkarnationen eine neue Chance als Mensch zu bekommen. Es gibt natürlich noch andere Wege, direkt ins Nirvana zu gelangen ohne die mühseligen Reinkarnationen zu durchleben. Ein Bad im Ganges bei Varanasi ist zum Beispiel ein Ansatz dafür.

Das königilche Gemach mit dem davor liegenden Garten

Leider dürfen wir nicht auf dem öffentlichen Parkplatz des Forts parkieren und müssen uns in Jaipur auf die Suche nach einem Nachtplatz machen. Wir landen nach zweimal anbrennen beim Regenta Central, wo wir erst die Erlaubnis bekommen, auf dem Parkplatz zu nächtigen. Nachdem dann aber der Manager des Betriebs davon Wind bekam, müssen wir (nicht ungern) ein Zimmer nehmen. Wir kriegen 75% Discount auf die Rate und erhalten ein Zimmer mit Seeblick, auf den Jal Mahal, einen ebenfalls 500 jährigen Palast inmitten eines damals angelegten Stausees. Das Hotel entspricht erstmals seit wir in Indien unterwegs sind westlichen Standards und wir geniessen ein herrliches Nachtessen, einen gepflegten Abend und eine ungestörte Nacht zu einem unglaublichen Preis. Perfekt!

Der Jal Mahal Palast im vor 500 Jahren künstlich angelegten See

 

07.05.2013

Agra

 

Ein ehrliches Continental Breakfast ist ein guter Start und wir nutzen noch bis kurz vor Mittag das WiFi des Hotels, bevor wir uns auf die Strasse nach Agra machen. Taj Mahal, wir kommen! Erstmals müssen wir unseren etwas dünner gewordenen Geduldsfaden etwas schonen - die Fahrmanöver des feindlichen Verkehrs hier sind immer wieder un-glaub-lich! Inder nutzen hier nur das Stammhirn um sich im Verkehr zu bewegen, anders lässt sich nicht erklären, wie sie sich im Verkehr verhalten. Mehrmals ist scharfes Bremsen angesagt und wir üben die Alle-Räder-Quietsch-Technik eines Dreitönners, um eingeschlafene Stammhirnreflexe etwas zu beschleunigen.

In Agra angekommen enden wir gleichmal mitten in engen Gassen und müssen quer durch die Stadt, um unsere Standplatzsuche zu starten. Es ist Zentimeterarbeit angesagt und wir sehen aus wie ein Elefant in einer Ziegenherde. Die Hotelmanager haben manchmal wirklich komische Vorstellungen, was uns ein sicherer Standplatz wert ist und wir fackeln nicht lange rum und nehmen erneut ein Zimmer für 6 USD, nur um der Sucherei ein rasches Ende zu bereiten. Das ist die Hälfte des Betrags, welcher ein Manager für den bewachten Parkplatz und eine Toilette von uns wollte.

Von der Dachterrasse des Hotels können wir den Taj Mahal bei Sonnenuntergang beobachten. Morgen werden wir das weltweit wohl bekannteste Indische Monument bei Sonnenaufgang besuchen und uns von dem makellosen Marmor Mausoleum beeindrucken lassen.

Der erste Anblick des Taj Mahal von der Dachterrasse unseres Hotels

 

08.05.2013

Taj Mahal

Kanpur

Erst müssen wir das Eintrittsticket besorgen, für welches Ausländer 37 mal mehr bezahlen als Inder. Es ist mit Abstand das teuerste Seightseeing-Ticket, das wir in Indien kaufen. Im Gegensatz zur Hauptreisesaison ist es ruhig und wir haben keinerlei Wartezeiten. Wir passieren die Security Checks am Ostgate und unsere Frühstücksriegel müssen draussen bleiben. Kein Essen darf in die Anlage rein.

Wir schreiten durch eines der drei mächtigen Zugangsportale, hinter welchem sich der Taj Mahal von einer grossen Parkanlage umgeben befindet. Die Sonne ist eben aufgegangen und bescheint die Ostseite des Mausoleums mit warmem, rötlichen Licht. Es hat nur wenige Besucher, sodass wir uns ohne Gedrängel und Hektik der Ausstrahlung des Marmorgebäudes hingeben können. Es steht vor dem Himmel und nichts ist im Hintergrund, was den Anblick stören würde. Da hat jemand wirklich sehr viel für das Andenken an seine verstorbene Gattin geschaffen, welche ihm 14 Kinder gebar. Die Gedenkstätte wurde in nur 17 Jahren fertiggestellt. Die ganzen Marmorwände sind mit Reliefs und aufwändigst eingelegten Blumenmuster verziert. Sowas haben wir noch nie gesehen. Nach all den anderen Indischen Monumenten, Festungen und Palästen ist der Taj Mahal noch immer beeindruckend und einmalig.

Der Taj Mahal bei Sonnenaufgang

"The Teardrop on the cheek of eternity"

Nachdem wir bereits um 6 Uhr früh aufgebrochen sind ist es nun Zeit für ein Frühstück Yash Café, bevor wir uns wieder in den Sattel schwingen und in Richtung Varanasi aufbrechen.

Zeit für ein Frühstück - wir sind es uns nicht mehr gewohnt, um 6 Uhr
früh schon Seightseeing zu machen

Die Hitze des Tages bleibt auch nicht mehr länger fern und ein weiterer Tag bei über 40 Grad steht an. Seit nunmehr 14 Tagen sind Temperaturen von 40 und mehr Grad tagsüber normal. Die Temperatur lässt sich in etwa so erklären, wie wenn man den Haarfön ca. 20cm vors Gesicht hält und dann auf maximaler Stufe surren lässt. Das ist nicht übertrieben, der Fahrtwind ist wirklich so heiss und wir ziehen es teilweise vor, die Fenster zu schliessen. Der Wind trocknet unheimlich aus. Toastscheiben frisch ausgepackt sind keine 5 Minuten später Staubtrocken. Es ist glücklicherweise eine sehr trockene Hitze, was sie eigentlich erstaunlich erträglich macht. Aber wenn der Thermometer im Auto auf über 45 Grad klettert, dann ist es, trocken hin oder her, einfach wirklich heftig. Gegenstände, die im Auto liegen sind so heiss, dass wir fast nicht glauben können, dass die im Schatten gelegen haben.

Mittlerweile haben wir einen Weg gefunden, dass unser Trinkwasser nicht auch schon halb kochend eingenommen werden muss. Das raubt einem wirklich jedes Vergnügen. Der alte Trick mit einem feuchten Tuch um den Beutel zu wickeln funktioniert verblüffend gut und das Wasser kühlt auf ein erfrischendes Mass ab. Die fehlende Klimaanlage fehlt uns aber eigentlich nur zum Schlafen, da wir da wirklich Abkühlung brauchen. Meistens kühlt es zwar ab, aber wenn kein Wind geht, dann ist guter Rat teuer und wenig erholsamer Schlaf fast sicher. Das Thermometer fällt auch nachts nicht unter 30 Grad.

Immer wieder säumen hässlich zugerichtete Lastwagen und PW's die Strassenränder und Hunde liegen überall plattgewalzt auf der Strasse. Die Dichte im Norden ist definitiv signifikant höher als im Süden. Wir haben auf halber Strecke genug von der Fahrerei und blitzen beim einzigen Resort auf dem GPS ab - wir sind keine Member, darum dürfen wir nicht rein. Egal, ob die Anlage erst im Bau ist oder nicht. Liebe Inder, manchmal seid ihr einfach nicht zu ertragen. Wir fahren weiter und lenken den Wagen schliesslich auf den Vorplatz einer Toyota Vertretung in Kanpur. Ein eher halbherziger Versuch aber erstaunlicherweise haben wir Erfolg und wir dürfen uns vor das Service Center stellen. Wir werden freundlich mit Kaffee, Softdrinks und Wasser eingedeckt und wenn die Kunden am Abend den Parkplatz verlassen haben, können wir unser Nachtessen zubereiten und den Tag ausklingen lassen.

Nachtplatz auf dem Customer Service "Stall No. 4" der Toyota Garage Kanpur

 

09./10.05.2013

Varanasi

Auf der Anreise nach Varanasi fahren wir erstmals direkt an einen Unfall heran - das heisst, wir sehen mitten auf einer Kreuzung ein Auto auf dem Dach liegen und von allen Seiten rennen die Männer herbei. Wir wollen nicht wissen was los ist sondern nur, wie wir möglichst weit weg darum herum fahren können. Kaum entdeckt, machen wir einen heftigen Schwenk von der Strasse weg auf eine Nebenstrasse und kommen ungesehen an dem Tumult vorbei - alles was männlich ist im Umkreis von 300 Meter rennt dahin um zu gaffen - oder Schlimmeres zu tun. Wir hoffen, nie in so einem Pulk zu enden. Das wäre die schlimmste aller Befürchtungen!

Geisterfahrer auf 4 spuriger Autobahn - er fährt auf Überholspur

Vermutlich eingenickt und über den Mittelstreifen frontal in einen Bus gedonnert.
Auch hier wieder kein Mensch auf Platz, die Fahrzeuge bleiben einfach stehen

Im Lonely Planet werden wir vorgewarnt für Varanasi. Die Stadt sei unglaublich "lebendig" und man findet dort die aufdringlichsten Verkäufer, Bettler oder sonst Spendensuchenden. Es beginnt mit der Fahrt mit der Autorikscha, welche uns gut 15 Minuten durch den wirren Verkehr zu einem Tempel fährt, welchen wir als Zielpunkt angeben. Wie üblich hat der Driver kein Wechselgeld für die 100 Rupies, um auf die vereinbarten 80 heraus zu geben. Wir bleiben solange in der Kiste hocken, bis er sich endlich bemüht und es doch noch schafft, passendes Retourgeld zu besorgen. Dann fragen wir, wo der Tempel sei und er weist in eine Richtung. Dass wir aber noch gut 800 Meter davon weg sind, verheimlicht der Fahrer und macht sich aus dem Staub. Das ist uns in zwei Monaten Indien noch nie passiert.

Varanasi, die Stadt am Ganges, lebendig und mit besonderer Vorischt zu geniessen

Das Chaos in dieser Stadt schafft es definitiv auf Anhieb ins Top-Ranking - primär Zwei- und Dreiräder tummeln sich zu Tausenden in den engen Strassen, es wird uns fast etwas zu eng. Wir haben nicht gerade wirklich eine Ahnung, in welcher Richtung der Ganges Fluss liegt und wir haben natürlich auch heute keine Karte auf unser iPhone geladen, welche uns bei der Navigation helfen könnte. Durchfragen geht auch und so treffen wir endlich auf den heiligsten Fluss, den es in Indien gibt. Der Wasserstand ist sehr tief wegen der Sommermonate, aber das Leben drumherum und im Fluss drin spielt sich unverändert ab.

Entlang dem Fluss gibt es wieder viele Tempel mit ihren eigenen Ghats und Zeremonien und wir werden alle 10 Meter gefragt, ob wir eine Bootsfahrt machen wollen. Nein, wollen wir nicht. Nein, nein, nein. Und dann schon wieder der nächste. Die setzen auf die Zermürbungstaktik, haben aber abgesottene Indienprofis vor sich. Die Kids spielen selbst hier auf diesen Treppen und kleinen Plätzen Cricket, viele Männer Baden sich im Fluss, die Kinder spielen darin und oft werden auch Kleider gewaschen.

Männer bei der Arbeit an einem der Boote. Hier verwenden sie gerade die "Bohrmaschine"

Und dann kommen wir zum magischsten Platz an dieser ganzen Uferzone, den Ort wo die verstorbenen eingeäschert und die Überreste dem Ganges übergeben werden. Der Ganges in Varanasi ist der Ort, wo man direkt ins Nirvana gelangen kann. Viele alte Menschen kommen hierher, um an diesem Ort zu sterben. Wenn man sich im Leben gut verhalten hat, kann man direkt ins Nirvana gelangen. Wenn nicht, und wer ist schon perfekt, muss erstmals in die Hölle gehen und kann sich dort durch eben 84'000 Reinkarnationen wieder zum Menschen empor arbeiten, nur um dann eine weitere Chance zu bekommen ein tugendhaftes Leben zu führen und endlich ins Nirvana zu gelangen.

Der Einäscherungsplatz zieht uns in seinen Bann und zeigt uns einen ganz anderen Umgang mit den Verstorbenen. Bevor die Einäscherung beginnt, werden die Körper von Familienmitgliedern massiert und mit Honig bestrichen. Danach tragen sie ihre verstorbenen auf einer Bahre und mit farbigen Tüchern umwickelt an den Ganges, um diese dort zu erst mit Wasser abzuspritzen und danach ganz in den Fluss abzutauchen. Sie reinigen damit den Körper, bevor sie ihn dem Feuer übergeben. Danach wird er neben den vorbereiteten Scheiterhaufen gelegt, von den bunten Tüchern befreit und nur noch in einem weissen Tuch eingewickelt auf den Haufen gelegt. Der älteste Sohn, welcher anhand vom rasierten Kopf gut zu erkennen ist, muss die letzte Prozession durchführen und fünfmal um den Scheiterhaufen gehen, um die fünf Elemente zu ehren. Danach holt er sich mit einem Reisigbüschel Feuer vom ewigen Feuer, welches seit 3000 Jahren ununterbrochen im Tempel brennt. In der Zwischenzeit haben die Verwandten den Leichnam mit Holz zugedeckt. Das Feuer wird am Fussende entfacht, mit feinem Holzpulver, welches eingestreut wird verstärkt und die Verwandten ziehen sich danach langsam zurück bis das Feuer in zwei bis drei Stunden abgebrannt ist. Frauen sind keine auf dem Platz zu sehen - sie sind sozusagen verbannt worden. Trotz dem Verbot der Selbstverbrennung mit dem verstorbenen Gatten hatten sie sich teilweise einfach aufs Feuer gestützt. Wir sind froh, nicht Zeugen einer solch unglaublichen Hingabe zu werden. Das hätten wir nur schwer verkraftet.

Die ganze Zeremonie wird in Ruhe vollbracht und es sind keine Tränen oder andere sichtbaren Trauerbekundungen zu erkennen - der Prozess der Verabschiedung hat auch schon lange vorher begonnen. Ein Feuermeister kümmert sich darum, die Beine und andere Körperteile die zuweilen aus dem Feuer ragen in den Haufen zurück zu schieben, um eine möglichst vollständige Verbrennung zu erreichen. Kurz vor dem Auslöschen des Feuers werden bei den Männern weitgehend verkohlte Knochen aus dem Brustbereich, bei den Frauen des Beckens aus dem Feuer geholt und dem Ganges übergeben. Danach besprüht man das Feuer mit Wasser des Flusses und wirft der Sohn eine Urne gefüllt mit Gangeswasser über die Schulter ins Feuer als Abschluss der Zeremonie. Die Angehörigen verlassen den Ort und nehmen nichts mit sich.

Hier werden im Tag 70 bis 200 Menschen eingeäschert und in der Stunde, in der wir beeindruckt das Geschehen beobachten sind 10 Körper herbeigetragen und für die Einäscherung vorbereitet worden. Es gibt 30 bis 40 Feuerstellen und riesige Berge von Holz (Mangoholz ist das billigste, Sandelholz das teuerste), welches für jeden Scheiterhaufen sorgsam abgewogen wird. Ein Kilo Mangoholz kostet 190 Rupies. 300kg werden etwa zur Einäscherung benötigt. Wir werden später auch auf der Fahrt nach Nepal überall wieder Feuerstellen am Ganges oder anderen Flüssen entdecken und kennen nun deren Bedeutung. Es verwundert auch nicht mehr, was die Mahindras da auf ihren Dächern herum transportieren, was in bunte Tücher gewickelt ist. Irgendwie müssen die Leichname ja an den Fluss gebracht werden. Und alles geschieht hier mit so einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit.

Nicht hier verbrannt werden Bramahnen, Menschen die von einer Kobra (Heilige Schlange) gebissen wurden, schwangere Frauen oder Kinder unter 10 Jahre. Alle ausser Bramahnen werden mit Steinen beschwert dem Fluss übergeben, Bramahnen werden auf einer besonderen Einäscherungsstätte verbrannt.

Es berührt, wie hier die Hinterbliebenen ihr verstorbenes Familienmitglied bis zum letzten Moment begleiten, den Körper würdigen und schlussendlich der Verbrennung beiwohnen, bis nichts als die wenigen verkohlten Stücke übrig bleibt und diese dem Ganges übergeben werden. Es hat nichts morbides oder schauriges an sich, riecht nicht unangenehm oder ist abstossend sondern das natürlichste der Welt. Wir überlegen, wie das bei uns vonstatten geht und vergleichen den Umgang mit dem Tod in diesem Land mit dem in unserem Land und verstummen nachdenklich.

Kinder spielen am oder im Ganges oder fischen, wie hier im Bild

Wir haben viele dieser Informationen von einem Inder bekommen, der sich uns aufgedrängt hat und einfach nur erzählt. Wir sind ihm eigentlich dankbar dafür, nur nicht dafür, dass er uns als Motherfucker tituliert, als wir ihm ein natürlich viel zu kleines Trinkgeld angeboten haben. Er weisst es erst zurück und das macht man bei uns nur einmal, denn ein zweites Mal wird er es nicht mehr zu Gesicht bekommen. Aus die Maus! Er wollte uns dazu drängen, ein paar Kilo Holz, also ein paar tausend Rupies, für die Mitglieder der untersten Kasten zu kaufen, welche sich das nicht leisten können. Aber wir sehen nicht ein, warum wir wie in jedem Tempel, jedem Palast oder auch im Strassenbau alle systemischen Löcher des Staates und der Menschlichkeit mit unserem Geld stopfen sollen. Zumal wir damit wohl sicher nur seine eigenen Taschen gefüllt hätten. Er wurde schlussendlich laut und beschimpfte uns, als wir ihm den Rücken zudrehten und uns gemächlich davon machten. Er hatte vermutlich grosses Glück, dass wenigstens wir so anständig waren, diesen Ort der Trauer und des Respekts nicht weiter zu verletzen. An einem anderen Ort hätte er sich diese unglaubliche Frechheit nicht ohne Konsequenzen erlauben können - wir waren beide derart aufgebracht, dass wir uns nur schwer beherrschen konnten.

Schade wie die innere Ruhe und der berührende Moment mit einem Schlag zunichte gemacht und unser letzter Eindruck von Varanasi, dem letzten Reiseziel in Indien, einen so sauren Beigeschmack bekommt. Vermutlich hat er sich aber nicht überlegt, dass er damit sicher erstmals 84'000 Reinkarnationen abarbeiten muss, um eine erneute Chance fürs Nirvana bekommen zu können. Schade für ihn, aber in ein paar hundert Jahren wird er ja wieder die Chance bekommen, sich als Mensch wieder ordentlich benehmen und so Zugang zum Nirvana bekommen zu können.

"Atithi Devo Bhavah" kommt aus dem Sanskrit und heisst soviel wie "Der Gast ist Gott". So behandelt er aber sicher nicht seine Götter.

PS: Wie löst man in Indien ein Problem? Wenn A/C zu kalt ist und kein Thermostat vorhanden, dann schaltet man sie einfach ab. Dass man aber einen Raum mit A/C mietet, weil man einen kühlen Kopf braucht, stört die Elektriker nicht.

 

11.05.2013

NH 29
Gorakh Pur District

Die halbe Belegschaft des Hotels Clarks Varanasi läuft zusammen, sobald wir uns für die Abreise einrichten. Der Page bringt noch unseren Kühlschrank vom Zimmer und schon bald tauchen wir im Chaos unter. Wir wollen die rund 300km bis an die Grenze schaffen und hoffen, dass es klappt. Bald schon steht fest, dass die Strassen ein Martyrium werden und wir mit 20 bis 40 km/h vorwärts kommen. Hurra, wir erleben nochmals Indien vom Feinsten. Der Verkehr ist zäh, wir müssen viel überholen und bei diesen Schlaglochpisten macht das besonders Spass. Und hinzu kommt noch, dass unterwegs plötzlich die trockene Hitze in feuchet Hitze umschlägt. Wir triefen vor Schweiss.

Wir sehen den Ganges noch öfters und auch mehrere Verbrennungsstätten, die gerade aktiv sind. Es war für uns ein wichtiges Ende, in Varanasi diesen Prozess der Verabschiedung des menschlichen Körpers zu sehen. Indien ist und bleibt authentisch, bis zum Abschluss des menschlichen Lebens. Wir sind dankbar dafür, das wir daran teilhaben durften.

Wir schlagen uns von Loch zu Loch durch und unser Ziel, die Grenze zu erreichen und gegebenenfalls zu überschreiten wird immer unwahrscheinlicher. 60km vor der Grenze müssen wir aufgeben und finden glücklicherweise auf Anhieb einen ruhigen Nachtplatz - ungewöhnlich, aber wir nehmen das gerne an.

Am nächsten Morgen schaffen wir dann auch die letzten Kilometer und verpassen prompt das Zollhaus und den Immigration Checkpoint - ein Chaos herrscht vor der Grenze und die Gebäude sind völlig unscheinbar und klein. Wenigstens wissen die Beamten, was zu tun ist und in weniger als 15 Minuten sind wir draussen. Wenn das bei der Einreise doch auch nur so einfach gewesen wäre!

Good bye India! Es wäre schade gewesen, dieses Land auf unserer Reise auszulassen. Man muss es gesehen haben, ob man es mag oder nicht.

 

 

"Indian Border Ends" steht auf dem blauen Schild - wir haben doch glatt das
Zollamt und den Immigration Checkpoint übersehen. Tatsächlich sind wir dran vorbei
gefahren, so unscheinbar sind die kleinen Amtsgebäude.